Land und Leute - Andreas Volk fühlt sich zwischen alten Akten sehr wohl. Der Archivar arbeitet an einem Findbuch für das Archiv von Osterburken

Osterburken: Einzigartiger Blick ins Stadtarchiv

Von 
Nicola Beier
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Das Osterburkener Stadtarchiv ist in den kommenden Wochen und Monaten sein Arbeitsplatz. Andreas Volk sichtet Akten und erstellt ein Findbuch für die Verwaltung. © Nicola Beier

Osterburken. Wenn man Andreas Volk dabei zuhört, wie er über seine Arbeit spricht, wird schnell klar, dass ihm diese sehr viel Spaß macht. Er ist Archivar und in dieser Funktion gerade im Rathaus in Osterburken tätig. Seine Aufgabe ist es, Unterlagen von 1950 bis 2000 zu sichten und relevante Akten ins Stadtarchiv zu übernehmen. Doch was ist darunter eigentlich zu verstehen?

Mit diesem Stempel hat Alexander Rantasa gekennzeichnet, welche Ordner archivwürdige Akten enthalten. © Nicola Beier

„In einer Behörde, so wie im Rathaus, werden ständig Akten produziert. Früher mehr als heute, weil immer mehr elektronisch funktioniert. Aber früher wurde eben viel auf Papier festgehalten“, erklärt er. Irgendwann müsse sich die Kommune dann entscheiden, was mit den Bergen an Papier passiere. „Kommt es in den Schredder oder muss es aufgehoben werden?“, stellt Volk die entscheidende Frage.

Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg, als Rohstoffknappheit herrschte, wurde viel Papier vernichtet. Wichtige Unterlagen, beispielsweise Güterbücher (Vorgänger zum Grundbuch), in denen Überfahrtsrechte und anderes meist handschriftlich festgehalten wurde, dürfen aber natürlich nicht vernichtet, sonder müssen archiviert werden. „Alles, was für die Nachwelt von Bedeutung sein kann, wird aufgehoben. Und diese Entscheidung muss die Gemeinde alle paar Jahre treffen“, erklärt Volk.

Das letzte Mal sei das in Osterburken 1970 gemacht worden. Die große Zeitspanne bis jetzt, in der nichts mehr passiert ist, sei aber normal, fügt Volk an: „Eine Akte wird produziert, irgendwann wird der Deckel geschlossen, und dann bleibt die mal 30 Jahre in der Registratur liegen, bis ein Archivar kommt und sich das Ganze anschaut.“ Und genau das macht Volk jetzt in Osterburken: Er sichtet zahlreiche Ordner und muss am Ende entscheiden, was zukünftig relevant ist und deshalb aufgehoben wird.

Allerdings hat Alexander Rantasa, der Kreisarchivar, schon eine Vorentscheidung getroffen und die Ordner, in denen wichtige Akten lagern, mit einem Stempel versehen (siehe Bild unten). „Grundbuchsachen, Fischereirecht oder die Sammlung von Zeitungsausschnitten – so etwas wird aufgehoben“, erklärt Volk. Die markierten Ordner geht er der Reihe nach durch und nimmt sie genauer unter die Lupe. Dabei sucht er in den Akten nach Dubletten, die aussortiert werden können. Büroklammern und Tackernadeln – seine „Lieblinge“ – werden ebenfalls entfernt, weil sie das Papier angreifen.

Die Akten, die behalten werden, nummeriert Volk und erstellt anschließend eine Liste, das sogenannte Findbuch: Darin wird dokumentiert, wo welche Akte zu finden ist, und es wird beschrieben, was darin steht. Zum Findbuch gehören auch ein Inhaltsverzeichnis und eine Beschreibung, wie Volk bei seinen Archivarbeiten vorgegangen ist, um es möglichen nachfolgenden Archivaren und Verwaltungsmitarbeitern einfacher zu machen. „Das liest sich am Ende fast wie eine Chronik“, sagt er.

Klassischer Quereinsteiger

Volk, der seine Lehre im Rathaus in Osterburken gemacht hat, bevor er nach Kupferzell in den Hohenlohekreis gegangen ist, arbeitet seit Ende Mai jeweils einen Tag in der Woche im Stadtarchiv. Bisher hat er fünf Regalmeter an Ordnern gesichtet. Vor sich hat er noch mehr als dreißig Meter.

Er ist „klassischer Quereinsteiger“. Im Rathaus in Kupferzell mussten vor 20 Jahren auch Archivarbeiten erledigt werden. „In der Regel ist es so, dass das Rathaus erst einmal schaut, ob es selbst jemanden hat. Ich habe mich damals freiwillig gemeldet, weil ich geschichtlich schon immer interessiert war, und sofort gemerkt: Wow, das ist es.“ Ein paar Jahre später hat er sich selbstständig gemacht.

Das Interessanteste, das Volk bisher im Osterburkener Archiv gefunden hat, waren Akten zum Bau der Baulandhalle: „Die wurde von einem Vereins- und Kulturkartell gebaut“, erklärt Volk, der eigentlich davon ausgegangen war, dass die Stadthalle im Auftrag der Stadt gebaut wurde. Auch der Name der Gruppe hat ihn sichtlich verwundert: „Die haben sich dann aber irgendwann umbenannt. Keine Ahnung, wie sie auf die Schnapsidee gekommen sind“, sagt er lachend.

Eine weitere Entdeckung, die sein Interesse geweckt hat, ist ein Plan, auf dem alle Wasserquellen eingezeichnet sind: „Vor ein paar Jahren hätte man noch darüber gelacht, einen solchen Plan aufzuheben. Aber jetzt, wo das Thema Wasserknappheit immer wichtiger wird, ist so etwas sicher interessant.“ Daher entschied er sich, den Plan zu archivieren.

Vorsicht ist geboten

Auch die Ordner, die der Kreisarchivar nicht markiert hat, sichtet Volk oberflächlich. Nicht, dass noch etwas in den Schredder wandert, das doch von Bedeutung gewesen wäre. Wenn er tatsächlich etwas entdeckt, hält er Rücksprache mit Alexander Rantasa. Er hat in diesem Fall das letzte Wort und entscheidet, ob der Fund behalten wird oder nicht.

Wenn der Archivar mit allen Ordnern durch ist und die Akten nummeriert hat, werden diese nach einem Aktenschlüssel in Archivschachteln verpackt, die beschriftet werden. In welcher Schachtel die Akte aufbewahrt wird, kann schlussendlich dem Findbuch entnommen werden. Bis wann die über 30 Regalmeter in Osterburken durchgearbeitet sein werden, weiß Volk nicht genau: „Ich schaffe etwa einen halben Meter am Tag“, erklärt er. Demnach wäre er wohl in eineinhalb Jahren mit den Ordnern in Osterburken fertig, da er nur einen Tag pro Woche arbeitet.

Auf das Unbekannte, das ihm in dieser Zeit noch in die Hände fällt, freut er sich sehr. Es wird sicher noch die ein oder andere Geschichte geben, die der Archivar ausgraben und die dann den Weg in das Findbuch finden wird, um für die Nachwelt aufgehoben zu werden.

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