Osterburken. „Deutschlandtour“ steht in großen Lettern auf der Rückseite des gelben Shirts, das Klaus Schieß aus Osterburken trägt. Darunter sind die Namen von 14 größeren und kleineren Städten Deutschlands aufgelistet – von Nord nach Süd. All diese Orte - und noch viele mehr - passierte Schieß auf seinem Weg von Kiel bis Freiburg binnen zwei Wochen. Der 66-Jährige hatte es sich nämlich zum Ziel gesetzt, einmal mit dem Drahtesel (selbstverständlich ohne E-Antrieb) Deutschland zu durchqueren.
Schieß ist bereits seit Jahren sportlich aktiv: zunächst Fußballer, später Jogger. „Mein Ziel war es eigentlich, einen Marathon in Berlin zu laufen“, blickt er zurück. Doch eine Knie-OP machte die Träume zunichte, weshalb er sich dem Nordic-Walking und Radeln zuwendete. Eines Abends sah er im SWR-Fernsehen ein Interview mit Christian Streich, dem damaligen Fußballtrainer des SC Freiburg. Der sprach über eine Fahrradtour, die von Kiel bis in die Stadt im Dreiländereck führe. „Ich hatte schon halb geschlafen. Aber als ich das gehört habe, war mir klar, dass ich das auch machen will“, erinnert sich Schieß.
Rund 1.000 Kilometer in 14 Tagen
Es ging noch etwas Zeit ins Land, ehe er diesen Wunsch in die Tat umsetzte: Am 21. August sollte es mit dem Zug nach Kiel gehen. Zuvor musste aber einiges organisiert werden. „Ich habe zwölf Übernachtungen auf der rund 1000 Kilometer langen Strecke eingeplant“, erklärt der Bauländer. Pro Tag wollte er etwa 80 Kilometer zurücklegen. „Das bin ich schon gefahren und traute mir das zu.“ Auch das Gepäck musste sorgfältig ausgewählt werden: Neben einem Fahrradkit mit Schlauch, Ventilen und etwas Werkzeug hatte Schieß nur wenige Klamotten, Drogerieartikel und eine kleine Reiseapotheke dabei.
„Der Zug ging an dem Morgen um 6.30 Uhr von Würzburg nach Hamburg. Dort bin ich mit Verspätung in den Anschlusszug nach Kiel gestiegen“, blickt Schieß auf den Start seines Abenteuers zurück. In der Ostseestadt angekommen, drehte er noch eine Runde an der Promenade, eher er sich in den Sattel schwang und noch am selben Tag rund 50 Kilometer bis nach Bad Bramstedt zurücklegte. Von dort ging es am zweiten Tag weiter nach Hamburg. „Die Strecke war recht eintönig. Es ging fast nur gerade aus und es war Topf eben“, beschreibt Schieß die Landschaft. Zum Eingewöhnen sei es aber „nicht schlecht“ gewesen.
Jeden Tag fünf bis sechs Stunden auf dem Rad
In der Hansestadt kam der 66-Jährige schon recht früh an, um sich die Sehenswürdigkeiten anschauen zu können. So buchte er eine Hafenrundfahrt und machte eine Tour durch das Rotlichtviertel von St. Pauli mit. Abends ging er aber früh schlafen – zwischen 21 und 22 Uhr. Denn Schieß musste am Morgen ja wieder fit sein. „Ich habe geschaut, dass ich immer zwischen 9.30 und 10 Uhr losfahre“, erklärt er. Vorher wurde das Rad noch einmal genau durchgecheckt, ehe er täglich zwischen fünf und sechs Stunden – mit zwei Pausen – im Sattel saß.
Von Hamburg führte die Route nach Soltau und von dort weiter nach Hannover. „Ich bin zunächst viel nach Navi gefahren, habe mich dann aber immer mehr an Schildern orientiert, weil mich das Navi über zum Teil komische Wege führte“, erklärt er. Auf der Strecke kam es dadurch auch zu einer ersten Panne: „Ich bin über holprige und steinige Wege gefahren. Etwa 20 Kilometer vor Hannover habe ich gemerkt, dass ich vorn Luft verliere“, erinnert er sich.
Ein Unglück kommt selten allein
Mit elektrischer Luftpumpe ausgestattet, schaffte er es aber noch ans Hotel – wo direkt das nächste Problem wartete: „Es gab in Hannover zwei Hotels der gleichen Gruppe. Ich war relativ außerhalb, hatte aber aus Versehen das Hotel in der Stadt gebucht“, erklärt der Radfahrer kopfschüttelnd. Die Rezeptionistin war bereit, die Reservierung „Gott sei Dank“ umzubuchen. Am nächsten Morgen war dann aber klar: „Mein Reifen war platt.“ Daher macht Schieß sich rund fünf Kilometer auf den Weg durch die Stadt zur nächsten Werkstatt, wo der Schaden schnell behoben wurde.
Die nächsten Tage ging es bis Hannoversch Münden. „Das ist eine wunderschöne Stadt mit Fachwerkhäusern. Das hatte ich so noch gar nicht gesehen und war daher beeindruckt.“ Allerdings machte sich nach sechs Tagen auf dem Rad Schieß‘ Körper bemerkbar. „Mein Po tat mir langsam weh“, erklärt er schmunzelnd. Aber er wusste sich zu helfen und hat in einem Drogeriemarkt Slipeinlagen gekauft, die zusätzlich polsterten.
Kurzer Zwischenstopp in Osterburken
Über den abwechslungsreichen Fulda-Radweg – „ein Highlight“ – führte ihn seine Tour weiter, bis er am zehnten Tag eine Nacht zu Hause in Osterburken verbrachte. „Da war die Freude groß“, beschreibt er seine Motivation auf der Route. Ab Hirschlanden begleiteten ihn sogar seine Tochter mit Kindern. „Lang war die Nacht nicht. Ich habe mit meiner Frau Petra einiges zu erzählen gehabt“, erklärt er die wenigen Stunden Schlaf, ehe es in den Kraichgau weiterging.
Dort wartete der „abgelegenste Gasthof“ der Tour auf ihn. „Ein älterer Mann kam auf mich zu und hat mich mit Namen begrüßt. An der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift: Wegen Krankheit geschlossen“, beschreibt er die Szenerie. Schieß war neben einem Paar, das spätabends kam, auch der einzige Gast. „Der Wirt fragte mich, ob ich am nächsten Tag Frühstück wolle“, erinnert er sich. Da sei ihm schon klar gewesen, dass der Herr sich freuen würde, wenn er ablehnte. Wenn nicht, sei ihm das auch recht, hatte dieser dann auch gesagt.
Route am Freiburger Münster beendet
Über Baden-Baden, mit einem Besuch des „Kurpark-Meetings“, einem Festival, das von Gastronomen organisiert wird, kam er am 14. Tag der Tour an seinem „lang ersehnten Ziel“ an: Das Freiburger Münster war sein letzter Stopp. „Ich habe noch überlegt, ob ich dort übernachten soll. Mich hat es dann aber nach Hause gezogen“, gibt er zu. Nach drei Stunden Zugfahrt war er wieder in Osterburken – und da wartet eine riesige Überraschung auf ihn: „Meine Familie hatten mir einen unvergesslichen Empfang bereitet. Es gab sogar Musik und Gesang und ein Transparent mit mir und meiner Wegstrecke hatten sie aufgebaut. Ich war gerührt“, erinnert sich Schieß mit glänzenden Augen an den 4. September.
So fällt Klaus Schieß Fazit aus
„Gegen Ende der Tour habe ich die Anstrengung gespürt. Da kam ich an meine Grenzen. Es war aber nie so, dass ich mich früh aus dem Bett zwingen musste. Ich habe das gerne gemacht, und natürlich war auch der Ehrgeiz dabei“, blickt er auf sein Radabenteuer zurück. Er habe gegen Ende auch gemerkt, wie frei er im Kopf wurde und wie gut ihm die Zeit in der Natur getan habe. „Und was bleibt, sind Freude und Stolz“, zieht er ein stolzes Fazit.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/osterburken_artikel,-osterburken-mit-dem-rad-von-kiel-bis-freiburg-klaus-schiess-auf-deutschlandtour-_arid,2327890.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/osterburken.html