„Brexit“-Auswirkungen in der Region - AZO und die Rüdinger Spedition blicken mit gemischten Gefühlen auf das neue Handelsabkommen

Beziehungen der Region zu Großbritannien bleiben erhalten

Der Partnerschaftsvertrag zwischen der EU und Großbritannien trat am 1. Januar vorläufig in Kraft. Dadurch ändert sich die Arbeit vieler international agierender Unternehmen aus der Region.

Von 
Nicola Beier
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Die AZO Gruppe, zu der auch ein Standort in Großbritannien gehört, hat momentan noch Schwierigkeiten mit der pünktlichen Warenlieferung ins Vereinigte Königreich. Aktuell müssen Kunden mit Verspätungen rechnen. © Horst Bernhard/AZO

Osterburken/Krautheim. Der „Brexit“ ist schon seit Längerem beschlossene Sache. Nun gibt es seit 1. Januar auch ein Abkommen, welches das Verhältnis zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Vereinigten Königreich (UK) regeln soll. Dieser Partnerschaftsvertrag begründet unter anderem eine umfassende Wirtschaftspartnerschaft, welche im Kern auf einem Freihandelsabkommen beruht. Zölle und Quoten sind darin nicht vorgesehen, was den Handel erleichtert.

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Doch was genau bedeutet das für Firmen in unserer Region, die europa- beziehungsweise weltweit agieren? Die FN haben exemplarisch bei der Spedition Rüdinger aus Krautheim und dem Osterburkener Unternehmen AZO nachgefragt.

AZO beschäftigt weltweit über 1000 Mitarbeiter an zehn Standorten. Darunter auch Burton-upon-Trent, eine Stadt nördlich von Birmingham in Großbritannien (GB). Das Unternehmen produziert Anlagen aus dem Bereich Schüttgut-Handling und vertreibt, installiert sowie wartet diese weltweit. Mit dem Vertrag ändert sich für das Unternehmen vor allem am Standort in GB etwas. „Unsere Lieferungen verzögern sich aktuell aufgrund diverser Unsicherheiten auf beiden Seiten. Es bleibt abzuwarten, wie AZO künftig Personalentsendungen für Montagen und Inbetriebnahmen unserer Systeme für Rohstoffautomatisierung organisieren muss“, erklärt Dieter Huspenina, Chief Sales Officer bei AZO. Zusätzlicher Aufwand kommt auf AZO UK und die Kunden zu, die die neuen Prozesse in Bezug auf Lieferungen und die Zollabwicklung implementieren müssen.

Die Rüdinger Spedition aus Krautheim hat es mit dem Partnerschaftsvertrag um einiges leichter. Die Firma bietet Verzollungsdienstleistungen für Import- und Export, Luft- und Seefracht- sowie Straßentransporte an. Außerdem Stückgut- und Ladungsverkehr sowie Lagerlogistik. Für Kunden aus GB wickeln die Mitarbeiter die Einfuhrformalitäten ab.

Ohne den Handelsvertrag hätte Rüdinger keine Transporte mehr auf die Insel durchgeführt, so Martina Kainz, Leiterin Zoll, Luft- und Seefracht, Projektlogistik, Vertrieb Maschinentransport beim Krautheimer Unternehmen. Mit dem Abkommen wird vieles leichter, wie sie erklärt: „Unser Kerngeschäft in Bezug auf GB ist die Verzollungsdienstleistung. Durch die gegenseitige Anerkennung von ,Selbstverständlichkeiten’ wie der Gültigkeit des Führerscheins und der Fahrzeugzulassung wird der Grenzübertritt machbar.“

Zusätzliche Kontrollen

Beide Unternehmen sehen Vor- und Nachteile im Vertrag: So rechnet Kainz damit, dass das Verzollungsgeschäft wachsen wird und die Lkw-Transporte in Richtung UK zunehmen werden. „Im Bereich Luft- und Seefracht sind bisher keine größere Auswirkung zu erwarten. Im Luftverkehr gibt es Änderungen im Bereich der ,sicheren Lieferketten’. Bei geflogener Luftfracht hat die EU nun GB als Drittland anerkannt, das Sicherheitsstandards anwendet, welche denen der EU gleichwertig sind. Diese Anerkennung gilt jedoch nur bei geflogener Luftfracht. Luftfrachtersatzverkehre sind davon ausgenommen, weshalb diese Güter dann am EU-Flughafen vor Abflug nochmals einer Sicherungsmaßnahme unterliegen.“

Klaus Bachmann, Compliance Officer und Export Control Officer bei AZO, sieht ebenfalls nicht nur Positives: „Momentan benötigen wir für unsere Mitarbeiter noch kein Visum, wenn wir sie für Dienstreisen zu gestatteten Tätigkeiten bis 90 Tage in das Vereinigte Königreich entsenden. Es gibt jedoch keine Regelung im Abkommen vom 24. Dezember 2020, wie Personalentsendungen im Detail behandelt werden sollen. Hierzu müssen jetzt in weiteren Verhandlungen noch Regelungen gefunden werden. Eine Einschränkung für Montagen im Vereinigten Königreich gibt es allerdings. Es bestehen seit dem 1. Januar Melde- und Registrierpflichten für die Erbringung vertraglicher Leistungen über 30 Tage.“

Der bürokratische Aufwand dürfte bei beiden Unternehmen zunehmen. „Da AZO schon immer in Drittländer lieferte, ist der Mehraufwand auf unserer Seite überschaubar. Größer jedoch ist der Aufwand bei AZO UK und unseren Kunden, die die neuen Prozesse in Bezug auf Lieferungen und die Zollabwicklung implementieren müssen“, so Dieter Huspenina als führender Vertriebsmanager. Im Bereich Export treten bei AZO größere Herausforderungen auf: „Da es noch kein eingespieltes Verfahren für die Kontrolle, Verzollung und Versteuerung von Waren in das VK gibt, kann es derzeit zu Verzögerungen bei Lieferungen an AZO UK und zu einem deutlich erhöhten Arbeitsaufwand kommen. Und das, obwohl gelieferte Artikel mit EU-Ursprung zollfrei geliefert werden können“, erklärt Klaus Bachmann. Die Mitarbeiter am Standort in GB sind jedoch nicht gefährdet: „Aus heutiger Sicht wird es bei AZO UK keine Veränderung geben“, verrät Huspenina.

Auch bei Rüdinger wird der bürokratische Aufwand „alleine durch die benötigten Zollformalitäten größer. Zusätzlich kommen Themen wie Mitarbeiterentsendung, umsatzsteuerliche und zollrechtliche Registrierungen hinzu“, so Martina Kainz. Außerdem gebe es Änderungen in der Umsatzbesteuerung, wodurch Systemanpassungen notwendig würden.

Kosten steigen

Durch den Mehraufwand steigen auch die Kosten bei den Firmen. So wird zukünftig mehr Geld in die Administration investiert. Bei AZO UK müsse zudem der Prozess zur Warenlieferung implementiert werden. Das kann auch Folgen für die Kunden vor Ort haben: „Die neu entstandenen Kosten für die Formalitäten bei der Lieferung nach England muss natürlich jemand tragen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Positionen zumindest teilweise von den Kunden getragen werden müssen“, so Bachmann.

Netzwerk aufgebaut

Die Spedition Rüdinger macht sich durch die zusätzliche Arbeit keine Sorgen. Der Plan sei es nun, sich auf den bürokratischen Mehraufwand einzustellen. „Im Vorfeld haben wir uns in GB wie auch in vielen anderen Ländern ein partnerschaftliches Netzwerk aufgebaut“, so Kainz weiter. Dies dürfte einiges vereinfachen.

AZO kann zu den weiteren Plänen am Standort Burton-upon-Trent noch nichts sagen. Phil Plummer, Business Manager bei AZO UK sieht keine Veränderungen bei den Geschäftsbeziehungen zu EU-Firmen: „Es hängt eigentlich nur von einigen organisatorischen Details ab. Solange die britischen Unternehmen die Waren problemlos bestellen und importieren können, werden sie auch weiterhin mit den EU-Unternehmen zusammenarbeiten, die sie kennen. Der Wunsch, weiterhin geschäftliche Beziehungen aufrecht zu erhalten, ist da – es sind die alltäglichen Arbeitsschritte und die bürokratischen Abwicklungen, mit denen die Menschen Probleme haben könnten.“

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