Wie ein kleines Dorf Offenheit, Tradition und moderne Ideen verbindet

Von Rave-Partys bis Hochzeitswald: Rinderfeld ist vielseitig

Das idyllisch auf der Höhe gelegene Dorf begeistert mit starkem Gemeinschaftssinn und überraschenden Geschichten – doch fehlende Bauplätze stellen Rinderfeld vor große Herausforderungen.

Von 
Roland Mehlmann
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Schlittschuhlaufen so weit die Kufen tragen. © Roland Mehlmann

Rinderfeld. Zum Abschluss unserer Tour durch die Dörfer rund um Niederstetten machen wir Halt in Rinderfeld. Das Haufendorf liegt oben auf der Höhe und außer Rinderfeld gehören auch die Weiler Dunzendorf und Streichental zum Ort. Das Dorf begeistert mit seiner idyllischen Lage, starkem Gemeinschaftssinn und überraschenden Geschichten – doch fehlende Bauplätze stellen den Ort vor große Herausforderungen.

Ortsvorsteher Gerhard Kleider ist einer der Urgesteine Rinderfelds. Seit 2009 steht er an der Spitze des Ortschaftsrates, ist in der Freiwilligen Feuerwehr und im Kirchengemeinderat tätig und ein Rinderfelder durch und durch: „Seit Generationen wohnen wir hier. Laut unserer Familiengeschichte sollen wir schon seit dem 30-jährigen Krieg hier ansässig sein. Überprüft habe ich das allerdings nie, es gibt ja in der Gegenwart schon viel zu tun“, erklärt er lächelnd. Viel zu tun gibt es allerdings. Der Badesee und die Weidenseehütte sind gut besucht und ziehen Besucher aus dem ganzen Main-Tauber-Kreis an. Oft genug sieht man auch Würzburger Kennzeichen, ein Geheimtipp ist Rinderfeld schon lange nicht mehr. Gerhard Kleider: „Wir liegen hier verkehrstechnisch sehr gut und das war schon früher ein großes Plus. Vor Jahrhunderten zogen die Kaufmannszüge von Rothenburg nach Mergentheim durch Rinderfeld. Heute haben wir nicht nur ein großes Einzugsgebiet für Besucher, man ist von Rinderfeld auch schnell in Niederstetten, Rothenburg, Weikersheim oder Bad Mergentheim. Arbeitsplätze sind also in der Nähe und auch die Einkaufsmöglichkeiten sind sozusagen ums Eck.“

Fehlende Bauplätze machen dem Ortsvorsteher große Sorgen

Was es nicht ums Eck gibt, sind Bauplätze und das macht ihm große Sorgen. Gerne würde er noch mehr als die aktuell 223 Einwohner in Rinderfeld sehen, doch: seit 1984 gab es, bis auf eine Ausnahme, keine neuen Bauplätze. Schon damals hätte man 14 Bauplätze gebraucht. Erst nach verschiedenen Ortsterminen konnte der damalige Bürgermeister Zibold wenigstens zwei neue Bauplätze durchsetzen. Die Generation, der auch der Ortsvorsteher angehört, die Boomer, war die letzte Generation, die neu bauen konnte. Was anschließend kam, war der Ausbau der Dachböden, um wenigstens ein bisschen Wohnraum zu schaffen. Gerhard Kleider: „Wir haben absolut keinen Leerstand bei uns, alles ist voll belegt und die jungen Leute, die eine Familie gründen wollen, sind so oft gezwungen, nach Weikersheim oder in andere Gemeinden zu ziehen. Das tut weh!“

Für das Bauplatzproblem gibt es also zurzeit keine Lösung. Doch ansonsten sind die Rinderfelder Bürger sehr findig und haben oft pragmatische Lösungen parat, schon bevor die Bürokratie in die Gänge kommt. So hat das Bioenergiedorf seit 2013 auf Initiative der Dorfgemeinschaft ein Nahwärmenetz. Als man vergeblich immer wieder insistiert hatte, dass man endlich ein Netz für Internet und Handys bräuchte, nahm man die Sache selbst in die Hand, verhandelte mit verschiedenen Stellen und hatte dann lange vor vielen anderen ein stabiles Netz.

Offen für neue Ideen zeigten sich die Rinderfelder auch, als eine Gruppe Studenten, von denen einer häufig am See war, wegen einer Rave-Party anfragte. Sehr beeindruckt zeigte sich der Ortsvorsteher von der Professionalität der jungen Menschen: „Die haben wirklich an alles gedacht, haben alle Genehmigungen eingeholt, alles super vorbereitet und haben mir gezeigt, wie man mit modernster Technik den Sound so steuern kann, dass die Musik in die richtige Richtung schallt. Stattgefunden hat das Ganze an der Weidenseehütte und ich bin dann zu Fuß am Abend hingelaufen. Das war zwar nicht wirklich meine Musik und ich hatte sowas auch noch nie erlebt, aber ich war wirklich begeistert. Lauter freundliche und friedliche junge Menschen, kein Ärger, keine Schlägerei und selbst kurz vor dem Wald hat man noch nichts von der Musik gehört. Ganz stark gemacht!“ Leider hatte dann doch jemand anonym Anzeige erstattet und so wird das wohl ein einmaliges Event bleiben müssen, was viele sehr bedauern.

Der Badesee ist nicht nur der Lieblingsplatz von Ortsvorsteher Gerhard Kleider. © Roland Mehlmann

Die Weidenseehütte ist ein absolutes Highlight in Rinderfeld. Idyllisch im Wald gelegen, gut erreichbar und doch fernab vom Verkehr, mit massenhaft Platz zum Feiern, spielen und chillen, muss man mittlerweile schon ein Jahr vorher anfragen, ob noch ein Termin frei wäre. Das Ambiente ist so schön, dass selbst Pfarrer Frank dort getraut wurde. Trauungen können sie übrigens gut in Rinderfeld und Umgebung. Ob in der Hütte oder am Badesee, überall gaben sich Paare schon ihr Ja-Wort. Besonders in Streichental ist das ein lange gepflegter Brauch. Dort gibt es einen Hochzeitswald, in dem Paare schon seit dem Mittelalter heirateten und eine Eiche pflanzten. Zwischenzeitlich etwas in Vergessenheit geraten, erlebte diese Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg eine Renaissance. Eines hat sich aber nie geändert: nur Paare aus Streichental dürfen hier heiraten und einen Baum pflanzen.

Seit der Flurbereinigung gibt es keine Milchviehbetriebe mehr

Ansonsten hat sich in den letzten Jahrzehnten viel geändert. Gab es einst 29 Milchviehbetriebe, ist dieser Zweig der Landwirtschaft nach der Flurbereinigung nicht mehr existent. Lediglich einige Betriebe, die Schweine züchten und mästen und einen Eberzüchter, der dieses Gewerbe seit Generationen betreibt, kann man in Rinderfeld, Streichental und Dunzendorf finden.

Leicht zu finden ist hingegen der Badesee. Einst, nach den Hochwassern Ende der 70er Jahre gebaut, ist er heute (auch) ein Badesee, der sehr gut angenommen wird und viele Besucher ins Dorf lockt. Zu sehen gibt es auch ein Museum: die alte Dorfschmiede war von 1840 bis 1986 in Betrieb und legt heute Zeugnis darüber ab, wie hart und anspruchsvoll dieses Handwerk war und ist. Außer der Hütte und dem See kommen die Einwohner gerne in der Freiwilligen Feuerwehr, dem Jugendclub, den Landfrauen und dem Gesangsverein zusammen. Auch der Modellflugplatz in Streichental wird sehr gut angenommen. Jeder Verein hat ein sorgfältig zusammengestelltes Jahresprogramm und bietet viele Gelegenheiten sich zu sehen und etwas zusammen zu unternehmen.

In den beiden Weilern gibt es zudem jeweils ein Gasthaus, was heute leider selten geworden ist. Insgesamt läuft es ganz gut da oben in Rinderfeld und als wir am Lieblingsplatz von Gerhard Kleider, dem Badesee, stehen, antwortet er auf die Frage, warum man in Rinderfeld leben sollte: „ Kurz gesagt: es ist einfach wunderschön hier. Der See, die Hütte, die Verkehrslage, ein toller Zusammenhalt, es passt einfach vieles. Wir haben, das freut uns besonders, einen zweizügigen Kindergarten, insgesamt vier Spielplätze und jede Menge tolle Natur um uns. Ich wüsste nicht, wo ich lieber wäre!“.

Die Friedhofsmauer wurde in Eigenleistung mit den alten Steinen wieder aufgebaut. © Roland Mehlmann

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