Rothenburg will sich breiter aufstellen

Von der Touristenhochburg zur Bildungs- und Kulturstadt

Ehemalige Reichsstadt auf Hochschulpfaden. Rothenburg-Museum mit neuem Konzept

Von 
Dieter Balb
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Rothenburg. Es liegt in der Natur der Sache, dass die meisten Leute, die man fragt, mit Rothenburg ob der Tauber zuerst den Tourismus in Verbindung bringen. Das dürfte auch so bleiben, obwohl es noch nie der ganzen Wahrheit entsprochen hat. Seit einigen Jahren versucht man den 11 500 Einwohner zählenden Ort stärker als Bildungs- und Kulturstadt zu definieren. Auf dem Weg dorthin gibt es jetzt erste Erfolge. Das Rothenburg-Museum, der Campus sowie Hochschulen in Texas und Aachen spielen dabei für die bayerische Modellstadt eine wichtige Rolle.

Wenn es in Rothenburg historische Jubiläen zu feiern gibt, so haben diese inzwischen neben der populären und rein touristischen auch eine wissenschaftliche Seite. Ein Beispiel ist die Fachtagung im Jubiläumsjahr zu 750 Jahre Freie Reichsstadt. Bei der Stadtvermarktung ist das „Referat V für Tourismus, Kunst und Kultur der Großen Kreisstadt“ gefragt; früher war das schlicht das Fremdenverkehrsamt – heute weder von Personalstand, Kosten oder Zielsetzung her vergleichbar.

Referatsleiter Dr. Jörg Christöphler, 62, will die nächsten paar Jahre noch einiges auf den Weg bringen. Zusammen mit seinem engagierten Team soll die Touristenstadt langfristig für die Besucher aus aller Welt neu ausgerichtet werden. Um anspruchsvolle Konzepte umzusetzen, bedarf es der Aufgeschlossenheit aller Beteiligten. Christöphler klagt, es gebe noch zu viele „Kulturinseln“ in der Stadt und es fehle häufig am Willen. gemeinsam etwas zu entwickeln. Vom Ursprungsnamen „Heimatmuseum“ über das „Reichsstadtmuseum“ führt der Weg zum heutigen „Rothenburg-Museum“. Gemeint ist aber immer das Dominikanerinnen-Kloster aus dem 13. Jahrhundert (1258 – 1554). Und das soll nach und nach zum breit aufgestellten Kultur- und Erlebnisort werden.

Das Problem: Die erst letzten Oktober eingestellte 27-jährige Museums-Leiterin Inga Benedix hat zwar schon einiges neu gestaltet, aber die Arbeit stagniert, weil sie seit Längerem krank ist. Wann, oder ob sie überhaupt zurückkehrt, das bleibt vorerst offen. Jörg Christöphler ist (wie 2023 schon mal) wieder Interimsleiter, unterstützt von der Kulturbeauftragten Franziska Krause.

„Kultur im Klosterhof“ heißt eine Veranstaltungsreihe, die eine Vielfalt von Musik über Lesung bis zu Yoga bietet. Dazu kommen die Sonderausstellungen. So sind noch bis Dezember die Bilder von Elise Mahler zu sehen, die sich 1895 in der Stadt niederließ und hier mit der Wienerin Maria Ressel eine Malschule betrieb. Sehr engagiert ist der Freundeskreis des Museums, der die Reihe „Kunst sehen und verstehen“ mit sachkundigen Führungen anbietet. Viele kennen das Museumsareal außerdem vom seit 2008 bestehenden Toppler-Theater, der Sommer-Profibühne im Nordhof des Klosters.

Neben Klassikern wie der originalen mittelalterlichen Küche oder dem Kreuzgang mit Skulpturen ist die einzigartige historische Waffensammlung der Stiftung Baumann herausragend. Inga Benedix hat begonnen, die historisch wertvollen 800 Exponate museumsgerechter zu präsentieren, die Blicke sollen sich auf das Wesentliche konzentrieren, die Erläuterungen umfassender sein.

Abteilung geschlossen

Seit kurzem gibt es keine Abteilung zur Vor- und Frühgeschichte mehr. Die Sammlung sei wenig gefragt und nur Leihgabe gewesen, sagt der Kulturchef. Den Platz brauche man viel sinnvoller für die erweiterte Judaika-Sammlung. Stadtheimatpfleger Gustav Weltzer sieht das anders und sagt: „Ich bin entsetzt! Es war eine Abteilung, die mit herausragenden Exponaten einen guten Überblick der Frühgeschichte des Rothenburger Gebietes von Steinzeit bis Mittelalter bot!“

Die künftige Dauerausstellung zum so genannten „Rothenburger Weg“ des Wiederaufbaus (Arbeitstitel: „Gibt es eine Modernität in der Bewahrung der Vergangenheit“) soll die Besonderheit des Stadtbildes und der Architektur herausarbeiten und dabei vor allem den Wiederaufbau nach der Kriegszerstörung würdigen. Das Projektkonzept hat die Kunsthistorikerin Edith von Weitzel-Mudersbach erstellt, die bereits die wissenschaftlichen Tagungen vorbereitet hatte. Aus dem EU-Fördertopf der lokalen Aktionsgruppe (LAG) gibt es dafür 35 000 Euro Zuschuss.

Die Ausstellung soll zum Wiederaufbau zeigen, wie Traditionelles mit Neuem zusammenfindet, gedacht als „Aufklärungs- und Bildungsangebot“ an die jetzige und kommende Generation. Auch das Geschehen am Kriegsende wird eine Rolle spielen. 40 Prozent der Altstadt hatten US-Bomber beim Luftangriff Ostern 1945 zerstört.

Die Themen sollen ein breites Publikum (fachlich Interessierte ebenso wie Touristen und Einheimische) ansprechen. Vor allem aber die Besucherzahl erhöhen. Diese erreicht bislang nur einen Bruchteil der zum Beispiel über 110 000 Besucher des bekannteren Kriminalmuseums. Von einer „Neubewertung von Rothenburgs Stellenwert in der Architektur- und Kulturgeschichte“ ist die Rede. Auch in der Bevölkerung brauche man „eine positivere Einstellung zum Denkmal“. Die Eröffnung der Dauerausstellung im Museum ist für Ende März 2025 vorgesehen.

Damit dies alles nicht nur theoretisch bleibt, soll der Lernort-Anspruch mit Leben erfüllt werden. Dazu ist eine Kooperation mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen vorbereitet, zu der bereits enge Kontakte bestehen. Dass die Aachener Fachhochschule neuerdings einen UNESCO-Lehrstuhl für Kulturerbe und Städtebau vorweist, erweist sich dabei als ideal.

Der Rothenburger Studienkurs von Prof. Christa Reicher (UNESCO-Lehrstuhl der Hochschule Aachen) wird nicht wie geplant dieses Jahr, sondern erst als Wintersemester 2025/26 zustande kommen. „Dazu ist sogar ein Studienplatz als Stipendium der Bausparkasse Schwäbisch Hall zugesagt“, freut sich Jörg Christöphler. Er ist froh, dass man den Campus der Hochschule Ansbach in Rothenburg hat. Mit Geschäftsführer Dr. Florian Diener arbeite man gut zusammen, auch werde die städtische Vortragsreihe „Rothenburger Diskurse“ ab Herbst im Campus-Gebäude stattfinden.

Im „Rothenburger Hochschul-Netzwerk“ ist die große US-Universität von Arlington in Texas ein Glücksfall: Schon seit 2014 hat man Kontakt wegen einer Zusammenarbeit und seit Ende 2023 gibt es eine Kooperations-Vereinbarung. Rothenburg soll demnach Studienstandort für US-Hochschulkurse zur Stadtentwicklung werden; als Musterbeispiel einer alten, europäischen Stadt.

Um die US-Kooperation perfekt zu machen, bedürfe es aber der Anbindung an die Aachener Hochschule. Hinzu kommt der örtliche Campus. Ein gemeinsamer Masterstudiengang für Architektur und Stadtplanung in Rothenburg wäre dann die Krönung der hartnäckigen Anstrengungen. In diesem Jahr werden dazu noch etliche Gespräche laufen.

Die Aufnahme Rothenburgs 2022 in das Fitnessprogramm „Starke Zentren“ als eine der wenigen bayerischen Modellstädte hat die Vernetzung wesentlich vorangebracht. Zu den vielen Pluspunkten Rothenburgs gehört neben der Altstadt auch die umgebende Taubertallandschaft. Außerdem kann man mit örtlichen Dozenten für Vorlesungen aufwarten, wozu Architekten und Historiker gehören.

Autor Redakteur, Wort- und Bildjournalist, Video

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