Stationenpfad „Tacheles – Zivilcourage und Toleranz“ - Der Stationenpfad wird am 14. Oktober offiziell seiner Bestimmung übergeben / Kosten aktuell bei 185 000 Euro

Niederstettener „Tacheles-Pfad” wird am 14. Oktober eröffnet

Ein Blick in die Vergangenheit, wie er sein soll: Lebendig, spannend, zum Nachdenken anregend, ohne erhobenen Zeigefinger und mit Bezug zur Gegenwart. Das will der Niederstettener „Tacheles-Pfad“ sein. Er wird am 14. Oktober eröffnet.

Von 
Bettina Semrau
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1945 wurde es durch Bomben vollständig zerstört, ab Oktober kann man es zumindest im Modell wieder in Augenschein nehmen: Eine 80 mal 80 Zentimeter große Nachbildung des einstigen Niederstettener Rathauses steht im Mittelpunkt einer der Stationen des Tacheles-Pfads. © Storz Medienfabrik

Niederstetten. Wie weit ist das Projekt vorangeschritten, welche Veranstaltungen sind zur Einweihung geplant und wie hoch sind aktuell die Kosten? Diese Fragen wollten die Macher des Tacheles-Pfads bei einer Pressekonferenz im Sitzungssaal des Rathauses klären. Der Arbeitskreis wird vertreten von Pfarrer Roland Silzle und dem ehemaligen Bürgermeister Rüdiger Zibold, von der Stadt sind Bürgermeister-Stellvertreter Harald Dietz und Sandra Neckermann vom Kulturamt dabei.

Erinnerung an die dunkle Zeit der Nazi-Diktatur, an Widerstandskämpfer, die ein trauriges Ende nahmen und an eine blühende jüdische Kultur auf deutschem Boden, die vollständig vernichtet wurde: so wichtig diese Themen sind, so schwer sind sie auch. Umso höher ist es dem Arbeitskreis, der sich mit der Umsetzung des Projekts beschäftigt hat, anzurechnen, dass er einen neuen, zeitgemäßen Weg der Geschichtsdarstellung gefunden hat. „Interaktiv, modern, multisensual“, so wird der Pfad mit seinen sechs Stationen in einem städtischen Flyer bezeichnet. Das wird erreicht mit Elementen wie Touch-Panels, beleuchteten Computeranimationen, Glasstelen, Spiegeln oder Stationen, bei denen man erst suchen und ausprobieren muss, bis sich die Botschaft erschließt.

Sind vom Konzept des Tacheles-Pfads überzeugt (von links): Ex-Bürgermeister Rüdiger Zibold, Bürgermeister-Stellvertreter Harald Dietz, Sandra Neckermann vom Kulturamt und Pfarrer Roland Silzle an der Station in der Langen Gasse. © Bettina Semrau

Mit diesem aktuellen Ansatz will man ganz bewusst auch junge Menschen ansprechen und ihnen zeigen, dass Themen wie Rassismus, Ausgrenzung und Zivilcourage die Menschen damals ebenso beschäftigten wie heute. „Wir wollten dabei nicht mit dem moralischen Zeigefinger kommen“, sagt Pfarrer Silzle. Besserwisserei habe man bewusst vermeiden wollen, stattdessen würden sich „alle Seiten widerspiegeln“. Um das Themenfeld weiter fassen zu können, sei man bald von dem Arbeitsnamen „Umfrid-Gedenkpfad“ weggekommen, erläutert Silzle.

Der Name „Tacheles-Pfad“ sei zum einen gewählt worden, weil Hermann Umfrid in seiner Predigt Tacheles geredet hätte, zum anderen, weil man auch mit dem Pfad „Tacheles“ reden und aufzeigen wolle, was damals passiert ist und wie die Themen von damals heute in Form von Mobbing oder in den sozialen Medien wieder auftauchen.

Der Pfad nimmt neben der Geschichte Umfrids vor allem das Leben der jüdischen Bevölkerung in Niederstetten in den Blick. Nach Jahren der Planung und zuletzt aufgrund der Pandemie schwierigen Umsetzungsvorbereitung sei man inzwischen auf der Zielgeraden, berichtet Silzle weiter. Die Vorarbeiten, die der Arbeitskreis zu erledigen hatte, waren umfangreich, erzählt Rüdiger Zibold. Bei Karl Fink, der einen schier unerschöpflichen Fundus an alten Fotos besitzt, wurde man gleich mehrmals vorstellig, weil ein Teil der vom Arbeitskreis ausgesuchten Bilder von der beauftragten „Medienfabrik Storz“ nicht verwendet werden konnte.

Daneben gab es viel Recherchearbeit. So wurde etwa für die Station in der Rathausgasse ein 80 mal 80 Zentimeter großes, originalgetreues Modell des im Zweiten Weltkrieg zerstörten mittelalterlichen Rathauses erstellt. Zwar gibt es Fotos von dem Gebäude, doch sind diese in Schwarzweiß. Bei der Festlegung der Fassadenfarbe war man auf das gute Erinnerungsvermögen und ein im Privatbesitz befindliches Gemälde einer Niederstettener Bürgerin angewiesen.

Finanziell ist man auf einem guten Weg, auch wenn bei den Spenden nach wie vor noch „Luft nach oben“ sei, wie Zibold hervorhob. Der Arbeitskreis hofft hier weiter auf die Bevölkerung. Aktuell belaufen sich die Gesamtkosten für den Pfad auf 185 000 Euro. Das „Leader“-Programm deckt mit 92 000 Euro rund 60 Prozent der Kosten. Die Spenden von Privatpersonen und Firmen summieren sich auf 24 000 Euro, 23 000 Euro steuert die Evangelische Kirche bei. Damit liegt der städtische Anteil bei 46 000 Euro. Die technischen Vorarbeiten wurden vom städtischen Bauhof in rund 200 Arbeitsstunden geleistet, in der ersten Septemberhälfte wird der Pfad fertiggestellt. Pfarrer Silzle wird im Rahmen der jüdischen Kulturtage Taubertal bei einem Stadtrundgang am Mittwoch, 6. Oktober, um 18 Uhr ab dem Rathaus „Auf den Spuren jüdischer Mitbürger“ einen ersten Einblick in den Pfad geben. Die offizielle Eröffnung ist aber für Donnerstag, 14. Oktober geplant. Am Wochenende darauf wird ein ökumenischer Gottesdienst stattfinden, außerdem sind Führungen geplant. Dann wird sich zeigen, wie die Bürger ihn annehmen. Pfarrer Silzle hofft jedenfalls, dass er als Hilfestellung zum Verständnis der jüdischen Lebensweise dient und vielleicht auch „eine gewisse Außenwirkung auf die Bevölkerung um uns herum“ hat.

Redaktion Redakteurin bei den FN

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