Schwarzhumorige Komödie „Letzter Wille“

In Oberstetten fliegen diesmal Fetzen und sogar mal die Fäuste

Die Theatergruppe ho-ho-hoffentlich setzt Erfolgsstück von Fitzgerald Kusz unter der Regie von Hannes Hirth perfekt um

Von 
Inge Braune
Lesedauer: 

Oberstetten. Au weia, was für ein Gewitter! Und das ausgerechnet zur Beerdigung – wo Tante Martha doch immer so viel Angst vor Gewittern hatte. Pitschnass kommen die Erben in der Wohnung der Erbtante zusammen, beäugen entsetzt den Blutfleck auf dem Perserteppich, mustern genau, was zu erwarten ist.

„I will nix“, postuliert Marthas Schwester Olga (Petra Hub): Zu groß – und ihrer Tochter Ursel (Hanna-Marie Leyrer) sichtlich peinlich – ist der lange aufgestaute Zorn auf die so viel reichere Verstorbene. Rein gar nicht mit der „will nix“-Haltung seiner Mutter einverstanden ist ihr Sohn Kurt (Tobias Weihbrecht), der eine kräftige Finanzspritze nur allzu gut für die Erweiterung seines Blumenhandels gebrauchen könnte. Auf seine einen Parkplatz suchende Frau Siggi (Marie Klemmer) wollen die Versammelten eigentlich gar nicht mehr warten.

Fast noch gieriger als Kurt wartet Marthas anderer Neffe Heinz Pöhlmann (Frank Dimler) auf die Erbschaft. Der umtriebige Versicherungsvertreter träumt vom ganz großen Geld, denn Martha besaß immerhin ein großes Mietshaus, um das sich schon seit Jahren Hausmeister Rau (Gerhard Stahl) kümmert. Auch Pöhlmanns Frau Karin (Bärbel Reinhard) hätte prinzipiell nichts gegen einen gewissen Geldsegen.

Den würde auch Klaus Schneider nehmen, Pöhlmanns verwitweter Schwager (Patrick Schürger), der als schwarzes Schaf der Familie gilt: Ein Musiker! Unmöglich! Dass der die Frechheit hatte, an Marthas Grab zu spielen! Fast sicher ist sich der Rest des Clans, dass der die Schuld trägt am frühen Tod von Pöhlmanns Schwester…

Die brenzlige Situation geschaffen hat der Nürnberger Theater-, Hörspiel- und Buchautor Fitzgerald Kusz, dessen schwarze Komödie „Letzter Wille“ seit gut einem Vierteljahrhundert mit ihrer bitterbösen Ironie das Publikum begeistert. Dass beim Publikum wirklich zündet, was Kusz an Fiesheiten, Intrigen und Streitigkeiten getextet hat, ist die zentrale Herausforderung für den Regisseur: Mit Hannes Hirth, dem regionalen Publikum aus Arbeiten mit der Werkstattbühne Würzburg, dem Theater Sommerhaus, bei den Röttinger Festspielen und den Kreuzgang-Festspielen in Feuchtwangen ebenso bekannt wie durch seine Regie bei den Amateurbühnen in Hollenbach und Reinsbronn, arbeitet die Oberstettener Theatergruppe in dieser Saison erstmals zusammen - und er gestaltet ein wahres Feuerwerk an Bosheit, Gier und ihren Folgen. Da zofft sich jeder mit jedem, da bändigen weder Versprechen noch heilige Schwüre die Zungen und – eskalierend – die Fäuste. Da wird geschimpft, getrickst, gefälscht, gelogen und betrogen in einem Tempo, das Martha leicht veranlassen würde, sich wie ein Kreisel in ihrem Grab zu drehen. Dem Publikum auf jeden Fall raubt’s fast den Atem. Ganz wunderbar mimt Petra Hub die grenzenlose Unversöhnlichkeit der zu kurz Gekommenen. Entsetzen über die Blutlache wird Pikiertheit, der Fleck zum Hassobjekt, aus dem anfänglichen „I will nix!“ wird schnell ein Tag und Nacht währender Kampf um kleinste Kleinigkeiten. Wie Frank Dimler die Geldgier des Versicherungsvertreters auf die Spitze treibt, darüber selbst Frau und Kinder erst zu vergessen droht, sie dann als Hindernis für seine Ambitionen behandelt; wie Tobias Weihbrecht als Blumenhändler seine Frau, die längst aus Frust zur Flasche greift, herunterputzt; wie beide Ehefrauen und auch Olgas Tochter Ursel (Bärbel Reinhard, Marie Klemmer und Hanna-Marie Leyrer) auf die Zuspitzungen reagieren, Entwicklungen und emotionale Wechselbäder auf der Bühne umsetzen: Das ist, man kann’s nicht anders sagen, bis in die Finger- und Zehenspitzen gekonnt. Perfekt auch Gerhard Stahl als allseits herum gescheuchter Hausmeister Rau, der schlitzohrig viel mehr durchschaut, als den emsig ums Erbe Streitenden lieb sein kann.

Hut ab für Hirths Feingefühl bei der perfekten Besetzung der Rollen. Fast schon beängstigend treffsicher greift Marie Klemmer als Siggi zu Glas und Flaschen, perfekt trifft Ursel, die von Hanna-Marie Leyrer als etwas nervenschwache Friedensstifterin den Ton; und Patrick Schürger als der verfemte Musikus, an dem nicht nur Pöhlmann und Wolz ihr Mütchen kühlen, präsentiert seinen Klaus Schneider gekonnt als Opfer der Intrigen. Fetzen fliegen, Bücher, auch schon mal Fäuste: Es geht gewaltig rund auf der Oberstettener Bühne. Für die perfekte Ausstattung der Bühne sorgte Hans-Dieter Weihbrecht, für die gekonnte Maske Verena Weihbrecht, ins rechte Licht setzen Marc Dimler und Martin Scheu die teilweise wilden Szenen. Mit Susanne Stürnkorb und Siabel Purschwitz steht nicht nur Hirth ein verlässliches Regieassistenz-Team zur Seite, sondern auch dem Spieler-Team ein eingespieltes, wenn auch bei der Premiere in dieser Funktion nicht gefragtes Soufflage-Duo. Prädikat: Absolut sehenswert!

Weitere Aufführungen gibt es am Freitag, Samstag und Sonntag, 5., 6. und 7. Januar sowie an den beiden folgenden Wochenenden jeweils Samstags und Sonntags (12., 14., 20. und 21. Januar).

Die Sonntags-Aufführungen beginnen und 16.30 Uhr, alle anderen jeweils um 20 Uhr. Einlass ist freitags und samstags eine, sonntags anderthalb Stunden vor Beginn der Aufführungen.

Kartenreservierung ist ratsam: Die Bestell-Hotline (07932-606284) ist montags, mittwochs und freitags ab 18 Uhr geschaltet.

Freie Autorin Berichte, Features, Interviews und Reportagen u.a. aus den Bereichen Politik, Kultur, Bildung, Soziales, Portrait. Im Mittelpunkt: der Mensch.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke