Theater

In der Hollenbacher Gerüchteküche brodelt es gewaltig

In der Dreschhalle wird am Freitag, 20. Januar, die Premiere der Komödie „Nedd woahr“ von Arno Boas gefeiert. Zusatztermin am 3. Februar

Von 
Inge Braune
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Hollenbach. Es ist schon drei Jahrzehnte her, das sich FN-Redakteur und Theaterautor Arno Boas aus Finsterlohr des Themas Wahrheit annahm. Da war noch nicht die Rede von „alternativen Fakten“ und einer Fake-News-Pandemie, da dampfen die Gerüchteküchen noch recht friedlich bei Kaffeeklatsch und Frühschoppen, beim Einkauf und am Arbeitsplatz.

Inzwischen wird global gefaked, getwittert und gehackt – und es ist immer noch dieselbe Crux mit dem Nachgeplapper von Aufgeschnapptem. A propos aufgeschnappt: Der Autor, schon 1993, als das Stück erschien, Redakteur bei den Fränkischen Nachrichten, hat sein Ohr schon immer nah am Puls der Zeit und schaut den Leuten genau aufs Maul. Und damals machte im Altkreis Mergentheim ein übles Gerücht die Runde – welches, soll hier nicht verraten werden. Nur soviel: es war nichts dran. Arno Boas hat dieses Gerücht damals ins Stück eingebaut – um zu zeigen, wozu leichtgläubiges Nachplappern in letzter Konsequenz führen kann.

Das Theater Hollenbach hat die Komödie aus dem Jahr 1993 unter der Regie von Florian Brand nun neu aufgelegt. Brand, aus dem Nieder-stettener Ortsteil Dunzendorf stammend, hat schon einmal ein Boas-Stück inszeniert: 2017 die historische Komödie „Im Himmel kummt doch widder alles zamm“ im Geyer-Schloss Reinsbronn. Zum Inhalt von Nedd woahr“: Im abgeschiedenen Dörfchen ist man Gerüchten nicht abhold, und auch nicht Strippenzieher-Machenschaften für die in Kürze anberaumte Bürgermeisterwahl. Dass gleich zwei Fremde hier ein Zimmer suchen, Städter, einer ein Wissenschaftler gar, kommt dem Dorfvolk zwar etwas seltsam vor, aber erst mal ist man mit sich selbst beschäftigt. Dass einer der Gäste, ein schussliger Professor (Ulrich Hartmann), hier sein frisch erfundenes Wahrheitsserum erproben will und dass sich sogar eine Spionin (Jessica Ortner) auf seine Spuren gesetzt hat, können sich weder Dorfwirt Paul (Florian Gräf) noch der amtierende stellvertretende Bürgermeister Otto (Gerhard Sprügel) oder die Gemeinderätin Sylvia (Birgit Herrmann) vorstellen.

Auch den beiden Freundinnen Rosi und Elke (Margot Busch und Anne Schmidt) kommt der Professor zwar schrullig, aber ansonsten eher harmlos vor. Nur der Rentner Peter (Rudi Schlecht) riecht irgendwie Lunte. Das Serum wirkt – und wie . . .

Florian Brand feilt gemeinsam mit den Akteuren auf und hinter der Bühne am Feinschliff, damit bei der Premiere am Freitag, 20. Januar, alles sitzt: Noch ein paar Lichtkorrekturen sind zu gestalten, das Soundzuspiel bekommt mit Hilfe der Techniktruppe (Martin Ziegler, Jürgen Herrmann, Wolfgang Reiß, Jochen Renner und Hannes Oberndörfer) sein perfektes Timing.

Der dank Günter Scheppach, Tobias Weiß und Timo Scheu schon längst auf der Bühne gewachsene Dorfplatz mit Wirts- und Wohnhäusern wird hier noch mit dem Wirtshausschild aufgepeppt, da noch mit Blumenschmuck versehen. Aufgabenverteilung für die Requisite: Es sind noch Tische, Humpen, Kleinkram, dies und jenes zu besorgen, tauschen, umgestalten.

Und in der Maske, wo Anja Ziegler, Martina Sprügel-Wolfarth, Fabienne Hein und Desiree Gräf die Bühnen-Crew mit passender Frisur und dem entsprechenden Bühnen-Make-up ausstatten, werden Farbnummern für Rouge und Wimperntusche notiert, verworfen, umgruppiert. Mit den Akteuren geht’s um perfekte Gänge: Wer könnte wem versehentlich in den Weg geraten? Die Mimen spielen, testen und beraten. Auftritte, Abgänge, Betonungen, Denkpausen, gespielte Frage- und Ausrufezeichen müssen sitzen. Es gilt, die genau richtige Größenordnung von Erschrecken, Zorn, Entspannung, Heiterkeit auszutarieren, Blickkontakte, Gesten und Minen so zu gestalten, dass die Lichtcrew sie ideal illuminieren kann.

Wo ganz genau soll der Wäschekorb stehen – und welcher überhaupt? Es sind noch zwei zur Auswahl. Wie sind Buffet- und Wirtshaustische, wie Telefon- und Rednerpult zu stellen? Unauffällige Markierungen auf dem Bühnen-Dorfplatz sorgen für Klarheit.

Viel Feinarbeit und jede Menge Koordination steckt in so einer Inszenierung. Ja, es macht Mühe, kostet Zeit und Nerven. Und es macht Spaß, und und zwar in Mengen, nicht nur den Mimen, sondern auch dem Regisseur: Wenn er nach dieser vorläufig letzten Inszenierung in der Region seine Wirkungsstätte in den Raum Hildesheim verlegt, werden sie ihm fehlen, diese so engagierten Charaktere, die auch mit über 80 noch Theater spielen und schon vor Jahren die Enkel mit dem Schauspielvirus angesteckt haben. Sie wird ihm fehlen, diese so pickepackevolle und überaus lebendige Amateurtheater-Landschaft, mit der sich Niedersachsen einfach nicht messen könne. Auch seien über die Jahre enge Freundschaften gewachsen, die jetzt in den Langstreckenmodus wechseln werden.

Aber jetzt: noch mal ran! Die Wahlrede des Kandidaten, der Streit der Freundinnen, der Auftritt der Girls. Was hatte das Regieassistenzteam da noch notiert? Marleen Hofmann, Malin Abel und Jessica Ortner zücken ihre Notizen.

Ach ja, ganz wichtig, nicht vergessen: Schon jetzt ist das Interesse am ersten Hollenbacher Stück nach der Corona-Pause so groß, dass sich die Truppe gemeinsam mit dem veranstaltenden Gesangverein Liederkranz Hollenbasch auf eine Zusatzvorstellung am 3. Februar geeinigt hat.

Die „Nedd woahr!“-Premiere beginnt am Freitag, 20. Januar, um 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen folgen am Samstag, 21. Januar, und an den beiden folgenden Wochenenden (Freitag, Samstag und Sonntag, 27. bis 29. Januar sowie 3. bis 5. Februar).

Vorhang auf heißt es freitags und samstags jeweils um 19.30 Uhr, an den Sonntagen eine Stunde früher. Einlass ist immer anderthalb Stunden vor Vorstellungsbeginn.

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