Der Begriff „einstimmig“ scheint sich in Niederstetten zu einer festen, jedoch anderen Größe zu verfestigen: Den Haushalt 2024 segnete das Gremium bis auf Bürgermeisterin Heike Naber mit Enthaltung ab - und das trotz mehrfacher Vorberatung.
Niederstetten. Bereits Anfang Oktober hatte sich der Verwaltungsausschuss in öffentlicher Sitzung mit dem Haushaltsplan auseinandergesetzt, Vorberatungen im Gemeinderat fanden bereits in den öffentlichen Sitzungen vom 6. und 20. Dezember sowie am 17. Januar statt – wie Bürgermeisterin Heike Naber klarstellte, zumindest teilweise auch mit Ja-Stimmen aus dem Gemeinderat. Jetzt passierte der gut 600 Seiten starke Haushaltsplan 2024 ebenso wie die Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, sowie den beiden GmbH-Gesellschaften Flugplatz Niederstetten und Wirtschaftsförderungsgesellschaft das Gremium ohne Stimmen der Mitglieder der Fraktionen AWV, CDU und SPD.
Für ihr Fernbleiben entschuldigt hatten sich vorab die Stadträte Volker Brenner (CDU), Harald Dietz (AWV), Georg Keim (CDU),Anastasia Meinikheim (AWV) sowie Renate Streng-Scheu (SPD). Der Beschlussfähigkeit des Gremiulms tat das keinen Abbruch.
Zahlenwerk vorgestellt
Stadtkämmerin Stefanie Olkus-Herrmann stellte das Zahlenwerk kurz vor und mahnte dringend weitere Konsolidierungsmaßnahmen an. Dennoch sei auf wichtige Investitionen nicht ganz zu verzichten – etwa auf den 1. Bauabschnitt der Sanierung des Bildungszentrums (600 000 Euro), die Stadtsanierung, bei der für private Maßnahmen, vorrangig das Projekt „Hirschen“, 676 000 Euro angesetzt sind, die Errichtung der Krippengruppe in Vorbachzimmern (150 000 Euro), die Bearbeitung von Niederstettener Weg und Flurweg (733 100 Euro), die Lkw-Beschaffung für den Bauhof (gut 260 000 Euro) und – dickster Posten, der sich allerdings durch Verkaufe amortisieren sollte – den Grunderwerb (1,18 Millionen Euro). Insgesamt belaufen sich die „wichtigen zukunftsweisenden Investitionen in die kommunale Infrastruktur“ auf 4,2 Millionen Euro.
Pro-Kopf-Verschuldung steigt
Steigen wird die Pro-Kopf-Verschuldung zeigen, die im Kernhaushalt auf über 800 Euro steigt (im Vorjahr waren es noch rund 163 Euro bei allerdings noch knapp 70 Einwohnern mehr. Legt man den Gesamthaushalt inklusive aller Eigenbetriebe zugrunde, stehen Niederstettens Bürger mit fast 1.850 Euro in der Kreide. Dennoch bleiben die Grund- und Gewerbesteuersätze 2024 unverändert. Insgesamt wächst der Ergebnishaushalt mit allen Eigenbetrieben um gut drei Millionen Euro an, der Finanzhaushalt liegt mit 6,8 Millionen um 1,7 Millionen über dem des Vorjahrs.
Glücklicherweise kann Niederstetten noch von den 2020 bis 2022 erzielten Überschüssen wirtschaften, muss sich aber in den Jahren 2023 bis 2027 mit Defiziten arrangieren. Das geplante Defizit fürs Haushaltsjahr 2024 liegt bei satten 1,4 Millionen Euro. Mit 35 Prozent des Gesamtaufwendungen schlagen die Personalaufwendungen am massivsten zu Buche, gefolgt von Transferauswendungen (27 Prozent) und Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen (25 Prozent). Auf deutlich unter 14 Prozent belaufen sich die sonstigen ordentlichen Aufwendungen, Abschreibungen und Zinsen. Dem gegenüber stehen Einnahmen aus Zuwendungen und Zuschüssen (35 Prozent), Einkommens- und Umsatzsteueranteile (und dergleichen, die insgesamt rund 30 Prozent beisteuern sowie die Gewerbesteuer, die rund 15 Prozent der Einnahmen generieren dürfte.
Gut eine Million neue Kredite müssen im Gesamthaushalt aufgenommen werden – nicht allzu weit von einer Verdoppelung der Aufnahmen des Vorjahrs entfernt. Nachdem die Stadt im vergangenen Jahr ohne Netto-Neuverschuldung ausgekommen ist, ist für 2024 mit einer Netto-Neuerschuldung im Gesamthaushalt von annähernd 2,9 Millionen Euro zu rechnen.
Nachdem bereits 2023 die Aufwendungen die Erträge überstiegen, sei das auch für das angelaufene sowie die kommenden drei Jahre zu erwarten, so die Kämmerin.
Kritische Haushaltsreden
Deutliche Kritik am vorgelegten Haushaltsplan äußerte Klaus Lahr (SPD). Nur in wenigen Bereichen, so Lahr, fände das Gremium den Willen des Gemeinderats wieder. „Es ist kein Haushalt, welcher zwischen Gemeinderat und Bürgermeisterin in einem gemeinsamen positiven Prozess ausgearbeitet wurde“, so Lahr. Statt der „augenscheinlich seitens der Bürgermeisterin nicht gewünschten“ gedeihlichen Zusammenarbeit habe es in den Vorberatungen „Unterlagenchaos und Schuldzuweisungen“ gegeben. Bezüglich des verlorenen Vertrauens des Gemeinderates zur Bürgermeisterin formulierte Lahr harsch: „Darum ist es heute müßig auf dieses Zahlenwerk näher einzugehen.“ Erneut mahnte er schnelle Entscheidungen der anhängigen rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Bürgermeisterin an.
„Schwierige Geburt“
Vorbachzimmerns Ortsvorsteher Gerhard Hauf beklagte, dass es auch nach der „schwierigen Geburt“ der Haushaltsaufstellung noch an Transparenz und Klarheit, die viele der ehrenamtlichen Mandatsträger „vor mehr Fragen als Antworten“ stelle, mangele.
Noch problematischer als die Haushaltsstreitigkeiten seien jedoch „der Schwebezustand, das Klima, die Arbeitsatmosphäre.“ Man frage sich, so Hauf weiter, ob es „es eine Lex Spezialis Niederstetten“ gebe, die diesen offenen Zustand absichere und Niederstetten am ausgestreckten Arm verhungern lasse. Niederstetten, so Hauf weiter, sei ein Paradebeispiel für schwindendes bürgerschaftliches Vertrauen in politisches Handeln. Angesichts dieser Situation zeigte er sich bezüglich der anstehenden Kommunalwahl besorgt, wie man neue Ehrenamtskräfte für den Gemeinderat gewinnen oder Mandatsträger zum Weitermachen animieren solle.
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