Gesundheitswesen

Geburtshilfe-Abteilung der Klinik Rothenburg wird zum 30. Juni geschlossen

Starker Rückgang der Geburten und Personalnöte sorgen für Millionendefizit. Überwiegend auf Verständnis gestoßen. Info-Veranstaltung war schwach besucht

Von 
Dieter Balb
Lesedauer: 
Anregiomed-Vorstand Dr. Gerhard Sontheimer (links) erläuterte die Schließungsgründe der Geburtshilfe-Abteilung. Neben ihm die kaufmännische Direktorin Amelie Becher, Landrat und Verwaltungsratsvorsitzender Dr. Jürgen Ludwig, die Rothenburger Verwaltungsrätin Gabriele Müllender und Stellvertreter Johannes Schneider. © Dieter Balb

Rothenburg. Eine „bittere Pille, die wir schlucken mussten”, nennt die Vorsitzende des Krankenhaus-Fördervereins Mediroth, Michaela Ebner, die Schließung der bisher für das Rothenburger Krankenhaus so wichtigen Gynäkologie- und Geburtshilfeabteilung zum 30. Juni. Es sei bei minus drei Millionen Euro nicht anders gegangen, betonte Anregiomed-Chef Dr. Gerhard Sontheimer und sprach von „der defizitärsten Abteilung im gesamten Anregiomed-Verbund”.

Auf dem schwach besuchten öffentlichen Informationsabend in der Reichsstadthalle war bei vereinzelter Kritik überwiegend Verständnis für den dramatischen Leistungs-Abbau am Klinikstandort Rothenburg zu vernehmen.

Nach Geburtshilfe-Schließung stärker?

Nach dem nun vorgesehenen Einschnitt preist man das noch Vorhandene am Krankenhaus Rothenburg zur stationären und ambulanten Versorgung inklusive der MVZs als Stärke an.

Die Chirurgie in ihren Facetten mit Neurochirurgie, die Innere Medizin (mit Kardiologie), die Intensivmedizin und Anästhesie, Orthopädie und Notaufnahme. 165 Betten weist der Krankenhausbedarfsplan auf dem Papier aus, für Dinkelsbühl sind es 130 und für Ansbach 360.

Noch stehen 44 Ärzte (davon 14 Teilzeit) auf der Gehaltsliste der Klinik Rothenburg, dazu 139 Pflegekräfte (88 davon Teilzeit). Ansbach hat 135 Ärzte und 321 Pflegekräfte, Dinkelsbühl 40 Ärzte plus 123 Pflegekräfte. Hinzu kommt im Verbund die Praxisklinik in Feuchtwangen. diba

Wie schnell sich Zeiten und Interesse ändern können, das zeigte sich augenfällig am Bild, das die jetzige Mediroth-Aufklärungs-Veranstaltung im Vergleich zu jener vom 21. November 2019 abgab: damals sah man das einstige hospitälische Rothenburger Krankenhaus ernsthaft bedroht und fragte, ob es künftig nur noch ein Anregiomed-Gesundheitszentrum sein werde. In der Halle reichten die 550 Sitzplätze nicht. Jetzt waren es kaum hundert Besucher und abgesehen von ein paar kritisch-fundierten Einwänden zeigte sich viel Verständnis für den Schließungsbeschluss von Politik, Verwaltung und Management. Vorstandsvorsitzender Dr. Gerhard Sontheimer erläuterte mit Grafiken, Zahlen und Beschreibungen die Gründe.

Der Klinik-Verwaltungsrats-Vorsitzende Landrat Dr. Jürgen Ludwig sowie die aus Rothenburg stammende Verwaltungsrätin Gabriele Müllender und Stellvertreter Bürgermeister Johannes Schneider (Adelshofen) verdeutlichten am Podium ihre Zustimmung zum Schließungsbeschluss, wenngleich „unter großem Bedauern“. Letztlich müsse man bei allen Emotionen die Fakten sehen. Die kaufmännische Klinik-Direktorin Amelie Becher äußerte sich am Podium nicht weiter dazu.

Oberbürgermeister Dr. Markus Naser saß nicht auf dem Podium, sondern in der ersten Reihe. Er meinte, es herrsche ein guter Zusammenhalt an der Klinik, deren Stärken man herausheben müsse, zur Defizit-Finanzierung seien die Träger Stadt und Kreis bereit. Er hatte sich schon vor Wochen öffentlich geäußert: Die Schließung der Geburtshilfe sei die „letzte Kröte”, die man schlucken werde, es dürfe nicht der Auftakt zu weiterer Aushöhlung des Hauses sein. Das Stadtoberhaupt will aber die Diskussion um eine langfristig befürchtete Klinik-Schließung nicht befeuern, weil sich sowas nur nachteilig auswirke.

Sontheimer sprach davon, dass der Neuaufbau des Hebammenteams und ein neuer Oberarzt im letzten Herbst die Abteilung nicht retten konnten. Trotz aller Versuche hätten sich Facharztstellen nicht besetzen lassen, so dass manchmal „teuere Vertretungsärzte beschäftigt werden mussten, um die Bereitschaft aufrecht erhalten zu können”. Zeitweise habe man den Kreißsaal schließen müssen, was dann zum Geburtenzahlrückgang mit beitrug.

Rekord lag bei 606 Geburten

Nach einem Rekordhoch mit 606 Geburten im Jahr 2017 sind die Zahlen stetig gesunken, 2021 waren es nur noch 414 Geburten in Rothenburg und 2022 gerade mal 175 ohne Aussicht auf Verbesserung im laufenden Jahr 2023, erläuterte Sontheimer. Die schönsten PR-Aktionen vom Fotoshooting bis zur Kreißsaalführung hätten nichts gebracht. Ist-Stand sind laut Sontheimer 2,8 Millionen Personalkosten plus 1,2 Millionen Honorarkosten ärztlicher Dienst und derzeit nur zwei Fachärzte in der Abteilung. Um Soll-Werte zu erfüllen, brauche man jedoch 1000 Geburten für eine attraktive Facharztausbildung und wirtschaftliche Abteilungsführung.

Dr. Sontheimer verwies auf die Vergleichssituation bundesweit, wo von 622 Geburtshilfe-Abteilungen nur vier Häuser weniger als 200 Geburten verzeichnen. Etwa die Hälfte der Abteilungen bewältige jeweils 1000 bis 3000 Geburten jährlich. Generell gebe es auch nur in Bayern und Baden-Württemberg noch kleinere Krankenhäuser.

Bei der Feststellung, dass es ringsum mehrere Geburtshilfe-Möglichkeiten gebe und der Weg ins Klinikum nach Ansbach im Schnitt nur 30 Minuten dauere, kam Gelächter im Saal auf. Eine Karte verdeutlichte, dass die Geburtshilfe in Bad Mergentheim oder Crailsheim auch nicht weit weg ist und es auf den tatsächlichen Wohnort im Kreis ankommt. Bislang war aber die Rothenburger Gynäkologie und Geburtshilfe für viele aus dem Hohenlohischen schon immer erste Adresse. Schließlich bremse das hohe Abteilungs-Defizit „den Klinik-Standort Rothenburg in seiner insgesamt guten Entwicklung”, stellte der Vorstandsvorsitzende fest.

Laut Dr. Sontheimer setzen Unternehmensführung und Träger des Kommunalunternehmens Anregiomed „alles daran die Klinik Rothenburg für die Zukunft gut aufzustellen”, man wolle alle Standorte im Verbund erhalten solange dies möglich sei angesichts der landesweiten Reformen im Krankenhaus- und Gesundheitswesen. Die Politik müsse aufwachen, denn die ärztliche Versorgung verschlechtere sich zunehmend, kam in der Diskussion zur Sprache. Schon die letzten Jahre hatten niedergelassene Ärzte und Klinikärzte aus der Tauberstadt vor einem schleichenden Leistungsabbau gewarnt.

Vor Sontheimer war das Krankenhaus bereits gefährdet, häufiger Führungswechsel und der politisch bestehende Interessenszwist zwischen den Landkreisgemeinden und der kreisfreien Stadt Ansbach mit ihrem eigenen Krankenhaus, in das bis dato Millionen investiert werden, wirkten sich aus.

Da mag es ein Erfolg sein, dass es bis heute überhaupt ein noch funktionierendes Klinik-Verbundgebilde gibt – als ein 2013 gegründetes Kommunalunternehmen bestehend aus der Stadt Ansbach und dem Landkreis; inklusive aller widerstrebenden Interessen. Politisch hat Rothenburg dabei noch nie im Kreis und in Gremien eine so schwache Rolle gespielt wie heute, der OB der einzigen Großen Kreisstadt gehört nicht einmal dem Verwaltungsrat an.

„Kahlschlagkonzept“

Die Sorge, Rothenburgs Krankenhaus könne weiter geschwächt werden, kam in der Reichsstadthalle ebenso zur Sprache wie der Hinweis auf das Problem der Versorgung mit Notärzten und Hausärzten: „Es brennt an allen Ecken!” Dr. Sontheimer meinte dazu, dass grundlegende Kritik vorrangig die Reformpläne des Bundes und der Kassen betreffe. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte mit einem Kahlschlagkonzept geschockt, wonach bis zur Hälfte aller Krankenhäuser bedroht sein könnten.

Was komme seien Leistungsgruppen, weg von bisherigen Fallpauschalen, die großen Kliniken würden dann immer mehr Leistung übernehmen und wachsen, für die kleinen Häuser werde es schwieriger. Sontheimer: „Wir erfahren eine weitere Spezialisierung in der Medizin, das bedeutet immer mehr Fachgebiete”. Der Patient hat freie Krankenhaus- und Arztwahl, aber allzu oft findet er schon kein freies Bett mehr.

Dr. Gerhard Sontheimer wusste, warum er der Zusage die Standorte zu halten den Nebensatz „solange es geht” hinzufügte. Das klassische Kleinkrankenhaus ist schon tot, es wird darauf ankommen, mit welchen Angeboten das Rothenburger Haus im Anregiomed-Verbund mit seinen 2300 Beschäftigten längerfristig und marktgerecht bestehen kann. Das geschätzte Anregiomed-Defizit für 2022 steht bislang mit 19,9 Millionen im Wirtschaftsplan, aber es soll erfreulicherweise deutlich niedriger ausfallen. Genaue Zahlen sind im Juli zu erwarten.

Autor Redakteur, Wort- und Bildjournalist, Video

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten