Rechtsextremismus - Das „Jugendheim“ des „Bundes für Gotterkenntnis“ im Kirchberger Ortsteil Herboldshausen ist beliebter Treffpunkt für Rechtsextreme

Engagement gegen Nazi-Zentrum zeigen

Mehr als 50 Bürger sind nach Lendsiedel zu einem Vortrag über das „Jugendheim“ Herboldshausen gekommen. Das Haus gehört dem rassistischen und antisemitischen „Bund für Gotterkenntnis“.

Von 
Sebastian Unbehauen
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Das „Jugendheim“ im Kirchberger Ortsteil Herboldshausen gehört dem rassistischen „Bund für Gotterkenntnis“. © Zigan

Lendsiedel/Kirchberg. Klare Kante zeigen – das war die Aufforderung, die am Ende von Timo Büchners Vortrag stand: Es sei wichtig, zu demonstrieren, „dass es nicht gewollt ist, dass es hier ein Nazi-Zentrum gibt“. Lauter Applaus im Gemeindesaal des Kirchberger Ortsteils Lendsiedel.

Büchner ist Politologe und Journalist. Er gehört der Gruppe „Recherche Nordwürttemberg“ an, die die rechte Szene in den Landkreisen Hohenlohe, Main-Tauber, Neckar-Odenwald und Schwäbisch Hall beobachtet. Unweigerlich ist er dabei auch auf das alte Bauernhaus des Vereins „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff)“ in Herboldshausen gestoßen. Denn: Es handelt sich um die einzige Immobilie in Baden-Württemberg, die fest in der Hand der extremen Rechten ist und von verschiedenen Gruppen ohne größere Hürden genutzt werden kann.

Geheime Vernetzungstreffen

Vor allem in den 80er- und 90er-Jahren gab es fast an jedem Wochenende Treffen im „Jugendheim“. Zweimal im Jahr hält der BfG in der Umgebung Sonnwendfeiern ab, zuletzt am 19. Juni. Gleichwohl agierten die Rechten bisher meist im Verborgenen, von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Und so fühlten sich im August 2020 die „Jungen Nationalen“ – der Nachwuchs der NPD – sehr sicher, als sie sich zum „Gemeinschaftstag Süd“ in Herboldshausen einquartierten, Wehrsportübungen abhielten und Initialisierungsrituale im Fackelschein absolvierten.

Gleiches gilt für prominente, teils militante Neonazis, die im Oktober 2021 zum geheimen Vernetzungstreffen in Hohenlohe zusammenkamen. Büchner und seine Mitstreiter deckten beides auf, berichteten darüber.

„Seither hat es an jedem Wochenende Treffen in dem Gebäude gegeben“, sagte Büchner in Lendsiedel. Die nächste Sonnwendfeier sollte nach Informationen des Referenten übrigens just stattfinden, während er seinen Vortrag hielt.

Letztlich blieb das Feuer zwar aus, aber ein Treffen gab es sehr wohl: Autos mit Kennzeichen aus ganz Süddeutschland standen in Herboldshausen. Büchners Ziel bei seinem Vortrag war es, die Anwesenden über die Hintergründe zu informieren: Was ist der „Bund für Gotterkenntnis“? Wo liegen seine historischen Wurzeln? Wie wirkt er in Hohenlohe? Welche Personen gehören ihm an? Welche Bedeutung hat das „Jugendheim“? Und, ganz wichtig: Was kann die Zivilgesellschaft nun tun?

Der BfG, der tief im völkischen Antisemitismus und Rassismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurzelt, hat seinen Hauptsitz im bayerischen Tutzing und laut Büchner rund 250 Mitglieder in Deutschland, darunter mehrere Dutzend in Baden-Württemberg.

Man sieht sich als „Weltanschauungsvereinigung“ und will laut Satzung „die religionsphilosophischen Einsichten der Gotterkenntnis Mathilde Ludendorffs unter allen Menschen, die dafür aufgeschlossen sind“ verbreiten. Hinter dieser verschwurbelten Formulierung steckt eine krude Rassenlehre, die „den Juden“ als Hauptfeind des deutschen Volkes betrachtet. Offiziell weist der Verein freilich zurück, antisemitisch, rassistisch oder NS-nah zu sein. Der BfG ist Teil eines Ludendorffer-Netzwerks, zu dem Vereine, GmbHs, Verlage und Magazine gehören. Die BfG-Bundesvorsitzende, Gudrun Klink, lebt in Ingelfingen im Hohenlohekreis. Büchner zeigte ein Standbild eines Videos aus dem Internet: Darauf ist Klink im Gespräch mit dem selbst ernannten „Volkslehrer“ und Holocaust-Leugner Nikolai Nerling zu sehen. Gudrun Klinks Ehemann Dr. Hartmut Klink ist ebenfalls BfG-Aktivist und betreibt eine Augenarztpraxis. Die gemeinsame Tochter Sonnhild Sawallisch trat 2015 mehrmals in Öhringen als Rednerin auf, als unter dem Motto „Hohenlohe wacht auf“ gegen die damalige Flüchtlingspolitik demonstriert wurde.

Was kann die Stadt tun?

„Was kann die Stadt tun? Was kann der Gemeinderat tun?“, fragte Büchner in den Saal und bedauerte es, dass Bürgermeister Stefan Ohr kurzfristig seine Teilnahme am Vortragsabend abgesagt hatte. Es gelte zu überlegen, welche Möglichkeiten man habe, dem BfG das Leben in Herboldshausen schwerer zu machen. Ganz wichtig sei die öffentliche Aufklärung. Büchner nannte das Beispiel Pfedelbach: Dort brachte er eine Broschüre über den Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim vor fünf Jahren heraus. Die Gemeinde unterstützte das, indem das Heft jedem Gemeindeblatt beilag und an alle Haushalte verteilt wurde. Der Bürgermeister gab Büchner ein Interview.

Zentrale Akteurin

Der politische Wille soll jetzt auch in Kirchberg ausgelotet werden. Büchner bot ein internes Treffen mit Verwaltung, Rat und Bürgern aus Herboldshausen an. Stadtrat Max Botsch (Aktive Bürger) nahm das Angebot auch im Namen seiner beiden anwesenden Fraktionskollegen spontan an: „Wir wollen das Gespräch unbedingt führen, die Broschüre unterstützen und auch bei der Verteilung helfen.“

Mathilde Ludendorff (1877 bis 1966) war eine der zentralen Akteurinnen der völkischen Bewegung in Deutschland. In ihrem Buch „Triumph des Unsterblichkeitswillens“ begründete sie die so genannte „deutsche Gotterkenntnis“. Im Kern geht es um eine Rassenlehre, wonach es „Lichtrassen“ mit der Fähigkeit der Gotterkenntnis (vor allem das deutsche Volk) gibt, denen „Schattenrassen“ mit der Unfähigkeit zur Gotterkenntnis (vor allem das jüdische Volk) gegenüberstehen. Vermischen sich Licht- und Schattenrassen, führt das in diesem Weltbild zum „Volkstod“.

Mathildes Ehemann Erich Ludendorff war ein berühmter deutscher General des Ersten Weltkriegs – und am Marsch auf die Münchner Feldherrnhalle 1923, dem „Hitler-Putsch“, beteiligt.

Die gemeinsamen Schriften der Ludendorffs waren in ihrem antisemitischen Furor kaum weniger radikal als Hitlers „Mein Kampf“. Das Ziel „des Juden“ sei die Enteignung und Versklavung aller Völker der Erde mithilfe seiner Verbündeten, den Christen und Freimaurern. Die Lösung sei „volksrettender Antisemitismus“.

Von den Alliierten verboten

Den „Bund für Gotterkenntnis“ gründete Mathilde Ludendorff 1937, mit der Erlaubnis der Nationalsozialisten. Vorläufer hatte er im Tannenbergbund (gegründet 1925) und im „Deutschvolk“ (1930). 1945 wurde der BfG von den Alliierten verboten, 1951 gründete Mathilde Ludendorff ihn wieder. Es folgte ein weiteres Verbot zehn Jahre später, das 1977 wegen Verfahrensfehlern aufgehoben wurde.

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