Baugenehmigung abgelaufen

Elf Wohnungen, null Fortschritt: Warum in der Langen Gasse nichts passiert

Geplantes Wohnprojekt in Niederstetten liegt auf Eis – Widerspruch, Vorschriften und Preisexplosion stoppen Bau von Wohnungen in der Kernstadt.

Von 
Alexander Böltz
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Bauplatz, Biotop und Brache: In der Langen Gasse in Niederstetten bremste vor Jahren der Widerspruch eines Nachbarn ein Bauvorhaben mit elf Wohnungen und Geschäftsräumen über viele Monate aus. Das Projekt scheiterte schließlich. Seitdem liegt das Grundstück in der Stadtmitte brach. © Alexander Böltz

Niederstetten. Elf Wohnungen sollten in der Langen Gasse entstehen, plus eine Praxis. Aber seit Jahren liegt der Bauplatz im Niederstettener Stadtzentrum brach. Ein Fortschritt ist Sicht in Sicht.

Das Projekt war noch im vergangenen Jahrzehnt gestartet. Die Stadt Niederstetten als Besitzer der Immobilie ließ damals den ehemaligen Sparmarkt Nörr abreißen. Sie suchte und fand dann im Jahr 2020 einen Käufer und Investor für das Grundstück: Die in Niederstetten ansässige Hohenloher Wohnungsbaugruppe, kurz: HWG. Deren Tochterfirma HWG Baukultur plante auf den 750 Quadratmetern zwei Gebäude mit elf Eigentumswohnungen, Aufzug und Tiefgarage. Der Stadtrat stimmte dem Entwurf zu. Dem Projekt schien nichts mehr im Wege zu stehen.

Erst erfolgversprechender Start, dann Stocken

Das Bauvorhaben wurde daraufhin von der HWG auf ihrer Homepage beworben. Erste Interessenten und potenzielle Käufer meldeten sich. Ein Physiotherapeut, der bis dato im zweiten Stock eines Gebäude in der Hauptstraße praktizierte, wollte umziehen und seine Praxis ins Erdgeschoß verlegen. Mit weiteren vier Kunden war die HWG im Gespräch. Dann legte eine Anliegerin beim Kreisbauamt Widerspruch ein. Das Projekt stockte.

Das Kreisbauamt in Tauberbischofsheim lehnte den Widerspruch zwar zeitnah ab. Die Nachbarin ging aber in die nächste Instanz: Zum Regierungspräsidium nach Stuttgart. Es dauerte bis November 2022, als die Behörde zu diesem Urteil kam: Das Regierungs-präsidium lehnt den Widerspruch der Nachbarin ebenfalls ab. Da waren weitere neun Monate ins Land gegangen. Das Projekt hätte wieder Fahrt aufnehmen können. HWG-Chef Rafael Grups fasst es so zusammen: „Zu einem Zeitpunkt, an dem es gut zu vermarkten war, wurde es unnötig verzögert.“

Preise gingen inzwischen durch die Decke

Die Uhr lief, wie sich heute zeigt, weiter gegen das Projekt. Russland griff im Februar 2022 die Ukraine an. In Folge gingen die Preise für Baumaterial durch die Decke. Im Januar 2023 trat dann das neue Gebäudeenergiegesetz in Kraft. Es stellte deutlich höhere energetische Anforderungen an Neubauten. Vieles an den Plänen für die Gebäude in der Langen Gasse hätte geändert und neu berechnet werden müssen, so Architekt Grups im Rückblick.

Den Kunden lief die Zeit davon oder ihre Geduld war erschöpft. Der Physiotherapeut sprang ab und verlegte seine Praxis ins benachbarte Weikersheim, die potenziellen Käufer sahen sich nach anderen Wohnungen um. Fast zeitgleich liefen im Bund Förderprogramme aus und die Zinsen am Finanzmarkt explodierten. Das Projekt rechnete sich immer weniger, sowohl für den Investor als auch die Käufer.

Baugenehmigung bereits abgelaufen

Aus dem Bauplatz wurde eine Brache. Und daran wird sich wohl so rasch nichts ändern. Weil seit drei Jahren kein Stein bewegt wurde, ist laut Landratsamt die Baugenehmigung abgelaufen. Auch bei der HWG liegt das Projekt auf Eis. „Vermarktungspause“ nennt es der HWG-Geschäftsführer Grups.

Die Ironie der Geschichte: Die Gebäude könnten bereits stehen, elf beim bundesweit herrschenden Wohnungsmangel wichtige Wohnungen wären bezogen oder bezugsfertig. Bedenken hatten die Nachbarn, wie schon vorher Teile des Gemeinderats, unter anderem wegen der Anfahrt zur Tiefgarage über den steilen Brunnenberg, vor allem bei Eis oder Schnee. Weitere Begründungen des Widerspruchs bleiben ein Geheimnis. Aus „datenschutzrechtlichen Gründen bzw. des überwiegenden schutzwürdigen privaten Interesses“ äußert sich das Landratsamt dazu nicht.

Bauprojekt liegt jetzt auf Eis

Das Vorhaben der HWG liegt nun auf Eis. Da kommt selbst die große Reform der Landesbauordnung (LBO) in Baden-Württemberg zu spät. Sie ist Ende Juni 2025 in Kraft getreten und enthält Maßnahmen zur Optimierung und Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren. Die neue LBO schafft das Widerspruchsverfahren ab, zielt auf den Abbau baulicher Standards, vereinfacht das Bauen im Bestand oder die Abstandsregelung und führt eine Genehmigungsfiktion und eine Typengenehmigung ein. Ein Rückkauf der Fläche seitens der Stadt war übrigens nie vereinbart worden.

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