Mulfingen. Kurzarbeit bei EBM-Papst seit Anfang des Jahres 2024: Obwohl die Stammbelegschaft durch die Maßnahme laut Unternehmensführung gesichert werden soll, führt die lange Phase auch zu Unruhe bei den Mitarbeitenden des Mulfinger Ventilatorenherstellers. Ein neues Werk im Rumänien macht der Belegschaft zusätzlich Sorgen: Befürchtet werden Verlagerung und Stellenabbau.
In dem rund anderthalb Jahren andauernden Zeitraum mit Kurzarbeit ist laut Insidern der Mitarbeiterpool „verschlankt“ worden. Von Gewerkschaftsseite ist zudem zu hören, dass in vielen Betrieben momentan durch verschiedene strategische Ansätze in unterschiedlichem Umfang „Arbeitskräfte eingespart“ werden. Wie stellt sich die Situation bei EBM-Papst aktuell dar? Die FN-Redaktion hat bei Pressesprecher Hauke Hannig nachgefragt.
Wieder Einstellungen in der Produktion
Seit wann genau setzt EBM-Papst Kurzarbeit an den hiesigen Standorten ein - und wie lange ist die Maßnahme noch geplant? Es war 2024 von einer „temporären“ Kurzarbeit die Rede. „Bei EBM-Papst Mulfingen wurde im Februar 2024 flexibel und bedarfsorientiert Kurzarbeit eingeführt“, so Hannig. Das Ziel sei immer die „Sicherung der Stammbelegschaft“ gewesen. Im Produktionsbereich „ist die Kurzarbeitsphase bereits seit vielen Monaten abgeschlossen und wir stellen dort aktiv neue Mitarbeitende ein.“
In Teilen der allgemeinen Verwaltung werde Kurzarbeit aber weiterhin an bis zu vier Tagen pro Monat umgesetzt, meist freitags. Teilzeitkräfte würden dabei anteilig berücksichtigt. Zusätzlich zum gesetzlichen Kurzarbeitergeld „zahlen wir unseren Mitarbeitenden einen freiwilligen Zuschlag von 15 Prozent.“ Die Produktion sei grundsätzlich wieder gut ausgelastet, man greife auch auf Leasingkräfte zurück. „Auch unsere kundennahen Bereiche arbeiten regulär“, sagt der Sprecher.
„Was unsere Auszubildenden und Studierenden betrifft, so gilt weiterhin, wie bei EBM-Papst Mulfingen üblich, die Übernahmegarantie und wir freuen uns auch, dass wir zum 1. September wieder neue Auszubildende und dual Studierende bei uns begrüßen durften.“ Die Ausschreibung für Ausbildungsplätze oder ein duales Studium für das Jahr 2026 laufe bereits und Interessierte – insbesondere in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) - könnten sich bewerben.
Konjunkturelle Schwäche hat vielfältige Gründe
Welche konkreten Ursachen sieht das Unternehmen hinter der phasenweise niedrigen Auslastung, insbesondere in Bezug auf das Gebäudeenergiegesetz und die konjunkturelle Lage? Hannig: „Die Nachfrage im vergangenen Geschäftsjahr wurde durch die konjunkturelle Schwäche in Europa, geopolitische Spannungen, die Unsicherheiten durch US-Zölle sowie hohe Energiekosten spürbar gebremst. Seit Beginn des neuen Geschäftsjahres im April 2025 verzeichnen wir wieder eine erfreuliche Entwicklung bei Umsatz und Auftragseingang, insbesondere am Standort Mulfingen.“
Auf mehreren Ebenen reagiert
Die FN haben auch nach der Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter gefragt – und ob es weitere Personalmaßnahmen wie Kündigungen oder Versetzungen gegeben habe. Hintergrund: Die Rede war Mitte 2024 von einem Stellenabbau im Bereich Leiharbeit und befristete Arbeitsverhältnisse. „In den letzten Monaten waren vor allem die allgemeinen Verwaltungsbereiche in Mulfingen betroffen, in denen aktuell rund 700 der insgesamt über 3.500 Mitarbeitenden beschäftigt sind. Weitere Maßnahmen umfassten laut Hannig unter anderem die Reduzierung von Leiharbeitsverhältnissen und befristeten Verträgen (dies gelte nicht mehr für den Produktionsbereich, in dem man wie oben formuliert wieder einstelle), Genehmigung von Einstellungen im indirekten/administrativen Bereich ausschließlich mit expliziter Genehmigung der Geschäftsführung, Einschränkung von Geschäftsreisen und Arbeitsangebote in der Produktion – permanent oder auch temporär anstelle von Kurzarbeit. Betriebsbedingte Kündigungen „wurden und sind ausgeschlossen“. Was die Auszubildenden und Studierenden betreffe, „so gilt die Übernahmegarantie wie bei EBM-Papst in Mulfingen üblich, weiterhin.“
Unternehmen will weiter Innovationskurs fahren
Welche Strategien verfolgt EBM-Papst, um langfristig wieder eine volle Auslastung der Produktionskapazitäten zu erreichen? Hannig: „Als globaler Technologieführer begegnen wir den wirtschaftlichen und geopolitischen Umbrüchen mit unserer klaren Strategie ‚Gemeinsam Zukunft machen‘ und setzen neue Maßstäbe für die Zukunft von Ventilatoren und Motoren. Unser Fokus liegt auf der Entwicklung effizienter und intelligenter Lösungen für ein besseres Klima. Wir sind in allen zukunftsrelevanten Märkten aktiv, beispielsweise im Wachstumsmarkt der Rechenzentren. Mit unserem digitalen Ökosystem ‚NEXAIRA‘ optimieren wir mittels KI und Vernetzung Ventilatoren und Kühlsysteme. Dadurch senken wir den Energieverbrauch und die CO₂-Emissionen, verlängern die Lebensdauer und schonen Ressourcen. Am Standort Mulfingen haben wir in den letzten Monaten hohe zweistellige Millionenbeträge in Innovationen investiert, unter anderem in die Highspeed-Technologie, und unser E-Drive Solution Lab eröffnet. Hier entstehen in interdisziplinärer Zusammenarbeit neue Konzepte für intelligente und maßgeschneiderte Lufttechniklösungen.“ Dies sei ein „klares Bekenntnis zum Heimatstandort“ und ein wichtiger Baustein hinsichtlich der Entwicklung intelligenter Technologielösungen.
Mit der Neuausrichtung auf intelligente und nachhaltige Lufttechniklösungen, der Strategie „Local-for-Local“, mit „der wir unsere Standorte in Amerika, Asien und Europa unabhängig voneinander aufstellen, sowie unserer globalen Präsenz in Schlüsselmärkten bei gleichzeitigem strategischen Ausstieg aus den Bereichen Automobil, Hausgeräte und industrielle Antriebstechnik verfolgen wir ambitionierte Wachstumspläne. Bis 2030 wollen wir den Umsatz unseres Kerngeschäfts auf 3,4 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.“
Wie schätzt das Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung für die nächsten Jahre ein, insbesondere natürlich im Bereich der für es relevanten Märkten? Hier charakterisiert der Pressesprecher die Lage in Europa als „herausfordernd“. Seit dem neuen Geschäftsjahr (April 2025) „sehen wir jedoch positive Signale bei den Auftragseingängen und dem Umsatz. Zudem investieren wir weiterhin in unsere Standorte.“
Mulfingen soll weiter Hightech-Standort bleiben
In einer Pressemitteilung von 2024 war auch die Rede von einem Lufttechnik-Werk in Rumänien. Die FN-Redaktion hat gefragt, wie dieser neue Standort für die Belegschaft in Deutschland auswirken wird. „Unser seit 2019 betriebenes Werk in Rumänien ist eine zentrale Säule unserer europäischen Produktionsstrategie. Seit Jahrzehnten setzen wir erfolgreich auf verlängerte Werkbänke in Osteuropa, beispielsweise in Ungarn. Nach dem Verkauf unseres Geschäftsfelds Antriebstechnik an Siemens inklusive der Gebäude und rund 300 Mitarbeitenden in Rumänien entsteht dort aktuell ein neues Produktionsgebäude, das im kommenden Jahr in Betrieb gehen soll.“ Damit stärke man „unsere Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere vor dem Hintergrund des durch den demografischen Wandel weiter zunehmenden Fachkräftemangels in Deutschland.“ EBM-Papst Mulfingen bleibe aber „unser Hightech-Standort und Zentrum für Technologie und Innovationsführerschaft“, hält Hauke Hannig fest.
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