Niederstetten. Mit einer vom Publikum begeistert aufgenommenen Premiere des Kammerspiels "Hotel zu den zwei Welten" startete der Theaterverein Niederstetten am Wochenende seine Saaltheater-Saison.
Das Ensemble unter der Regie von Hannes Hirth hat kein leichtes Spiel. Das Hotel zu den zwei Welten des Belgiers Éric-Emmanuel Schmitt ist Theater mit Tiefgang. Es geht darin um Liebe, den Tod, um Angst, Glaube und Hoffnung, Leid und Mitleid. Im Hotel zu den zwei Welten treffen Menschen und Meinungen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein können. Aber eines verbindet sie: Die Ungewissheit. Geht es im Fahrstuhl zurück auf die Erde oder geht die Reise nach oben? Hier sind alle gleich. Irdische Privilegien, Reichtum oder Erfolg zählen nicht.
Sie alle führen hier ein Leben auf Abruf. Alle sind sie Opfer eines Unfalls oder einer Krankheit. Unten, auf der Erde, liegen ihre Körper im Koma, kämpfen Ärzte in der Klinik um ihr Leben. Im Hotel zu den zwei Welten sind sie ihre Schmerzen los - aber nicht ihre Vergangenheit. "Das Leben ist eine Komödie für die, die denken, und eine Tragödie für die, die fühlen", sagte der irische Schriftsteller Oscar Wilde. Das zeigt sich an Präsident Delbec. Bernd Mink, langjähriges Ensemblemitglied der Bad Mergentheimer Studiobühne, mimt glaubhaft den ebenso konservativen wie korrupten Geschäftsmann. Er poltert im grauen Anzug gegen politische Gegner, beruft sich auf seine finanzielle Macht und seine gesellschaftlichen Beziehungen im elitären Tiger-Club. Die Tatsache, dass er von seinem Hotelzimmer aus wehrlos verfolgen muss, wie seine Söhne ("diese kleinen arroganten und versnobten Scheißer") sein Kapital zum Fenster rausschmeißen, macht ihn rasend.
Witzig-ironische Seitenhiebe
Was noch stört: Er, der erfolgsverwöhnte und machtbewusste Herr über zwei Firmen, muss sich das Hotel mit Leuten aus dem Volk teilen, in seinem Fall mit Marie Martin. "Ich weiß, dass mein Kopf für große Gedanken zu klein ist", meint die quirlige Gestalt. Christel Wittmann haucht der Figur der Putzfrau gewaltig Leben ein. Sie schenkt mit ihrem Geplapper dem Stück komödiantische Leichtigkeit und zusammen mit Axel Wieczorke dem Publikum zahlreiche Lacher. Wieczorke legt seinen Magier Radschapur zynisch, aber auch warmherzig an und würzt die Szenen mit witzig-ironischen Seitenhieben: "Wenn Sie nur mit etwas verkehren wollen, das von Dauer ist, sollten Sie mit Felsen sprechen, Steinen, Bergen."
Liebe von kurzer Dauer
Auf dieses Trio stößt Julien Portal bei seiner Ankunft im Hotel. Er versteht seine Situation nicht und versucht, zum Amüsement der anderen, Herr der Lage zu werden. Für Niko Schlecht eine ideale Rolle. Julien geistert durch die Flure, will fliehen, sucht nach Wegen zurück in seine nur durch Alkohol erträgliche Existenz. Aber es steht nach einem Autounfall schlecht um ihn, den Sportjournalisten und Lebemann. "Die meisten Frauen, die ich traf, wollten keine Liebe, sondern Liebesgeschichten", behauptet er. Bis mit Laura ein neuer und doch bekannter Gast auftaucht.
Sandra Fink spielt die feenhafte junge Frau. Lauras Unbeschwertheit und Optimismus spenden den anderen Freude und machen ihnen Mut.
Julien verliebt sich in Laura. Sie, die im Leben keine Gesundheit kennt, lehrt ihn ihre Sicht des Lebens und nimmt ihm die Angst vor dem Tod.
Doch ihre Liebe ist von kurzer Dauer. Dr. S. ruft zum Fahrstuhl und damit zur Fahrt ins zunächst Ungewisse. Marianne Keim spielt die Rolle der Wächterin dieses Wartesaals zwischen den zwei Welten souverän.
Sie ist in einem Moment eiskalter Fährmann zwischen Leben und Tod und im nächsten Augenblick verletzbare und gefühlvolle Frau. Ihr zur Seite stehen Paul Schlecht sowie Cathleen Fink und Franziska Trotzer als Hotelangestellte. Sie sprechen zwar keinen Satz, sind aber durch ihre Mimik und Gestik stets präsent.
Denn: Ein Blick, so heißt es, spricht manchmal mehr als tausend Worte. Wer also eine Alternative zum seichten Serien- und Komödien-Einerlei sucht, der sollte das Hotel zu den zwei Welten buchen.
Das Kammerspiel im Kult bietet in der Inszenierung des Niederstettener Theatervereins hochklassiges Amateurtheater.
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