Bioenergiedorf Rüsselhausen - Niederstetten stellt mit seinem Ortsteil bereits die zweite Selbstversorger-Gemeinde in der H-O-T-Region

Partner arbeiten perfekt Hand in Hand

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Inge Braune
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Damit man zeigen kann, was unterirdisch Wärme verteilt, überreichte Daniel Lindorfer dem Reinhold Pflüger von der GbR ein Stück Originalrohr.

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Rüsselhausen. 24 Haushalte und das Dorfgemeinschaftshaus beziehen ihre Wärmeenergie aus der örtlichen Biogasanlage. Jetzt ist die Ortschaft mit ihren rund 140 Einwohnern ganz offiziell zum "Bioenergiedorf Rüsselhausen" ernannt worden.

Damit ist Rüsselhausen bereits das zweite Niederstettener Bioenergiedorf, im gesamten Main-Tauber-Kreis das fünfte und in der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber (H-O-T), Bioenergiedorf Nummer 9, wie Geschäftsführer Sebastian Damm bei der Einweihung des Nahwärmenetzes erläuterte.

Hoch zufrieden ist das Geschäftsführer-Trio Reinhold Pflüger, Annette Schindler und Herbert Wolfart, das die im Marz 2014 gegründete "Bioenergie Rüsselhausen GbR" mit ihren 24 Gesellschaftern leitet. Der Weg zum Bioenergiedorf bedurfte eines Kraftaktes der gesamten Ortschaft: 1670 Meter Leitungen wurden verlegt, dazu rund vier Kilometer Datenkabel und zwei Kilometer Leerrohre, um schon mal vorzubauen für den erhofften Anschluss an die Datenautobahn.

Wärmenetz in 85 Tagen

"In 80 Tagen um die Welt, das schaffen wir zwar nicht - aber dass wir in 85 Tagen ein Nahwärmenetz legen können, das haben wir gezeigt," so Bernd Andörfer von der Firma Steinbrenner, die die Leitungstrassen verlegte. Perfekt Hand in Hand gearbeitet hat die Firma mit dem Sanitär- und Heizungsbaufachbetrieb Schülke, der etliche Hausanschlüsse realisierte.

Rolf Schülke und Bernd Andörfer schwärmten gemeinsam mit ihren Teams regelrecht von der reibungslosen Kooperation und den Mittagspausen im Bauwagen. Und sie ergänzten, dass der ganze Ort die Mitarbeiter aufgenommen habe. Irgendwie wird es seltsam sein, wenn die Firmen nicht mehr im Ort arbeiten: "Man hätte die Jungs fast adoptieren können", so Ortsvorsteherin und GbR-Geschäftsführerin Annette Schindler, in deren Privatwohnzimmer immer wieder Besprechungen bei Kaffee und Kuchen stattfanden.

Der Ort scheint seit den ersten Vorgesprächen im Niederstettener Rathaus und in Rüsselhausen selbst enger zusammengewachsen zu sein - und das trotz anfänglicher Sekpsis, wie sich H-O-T-Geschäftsführer Damm erinnert. Wie es gelang, die Einwohner mitzunehmen auf dem Weg zum Bioenergiedorf, begeisterte auch Daniel Lindorfer von der Rehau AG. Der Rohrwerkstoff- und Dimensionierungsspezialist überreichte einen Rohr-Abschnitt: Damit kann man anschaulich machen, was ansonsten, da in der Erde steckend, nicht mehr zu sehen ist.

Blick zurück: Auf die erste Bürgerversammlung im November 2011 folgte eine Fragebogenaktion zur Ermittlung des Energiebedarfs im Ort. Ein Glücksfall war es, dass Fördermittel der Bioenergieregion die Finanzierung der Machbarkeitsstudie ermöglichten. Als die vorlag, sei die ehrenamtliche Arbeitsgruppe nicht mehr zu bremsen gewesen: Wie hier die Ärmel hochgekrempelt wurden, verdiene "ganz große Anerkennung", so H-O-T-Geschäftsführer Damm. Keineswegs selbstverständlich sei es, dass sich eine Ortsgemeinschaft in der heutigen Zeit einer solchen Aufgabe stelle, die ja einige Jahre in Anspruch nehme.

Stolz auf den neuen Titel

Damms Fazit: Rüsselhausen habe "alles richtig gemacht, indem der Ort auf die Nutzung der Abwärme setzte." Wärme verbrauche immerhin rund zwei Drittel der Energie, es sei also ein sehr effizienter Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes geleistet worden. "Glück auf" wünschte der Geschäftsführer der H-O-T-Region dem frisch gebackenen Bioenergiedorf, ehe er das neue Ortsschild "Bioenergiedorf Rüsselhausen" offiziell überreichte.

Auf diesen Titel ist auch Bürgermeister Rüdiger Zibold stolz: "Mit der Gründung der Bioenergie Rüsselhausen GbR wurde ein Meilenstein gesetzt." Dass die Kommune selbst nicht Gesellschafter werden konnte, liegt an der komplizierten kommunalrechtlichen Gemengelage, die Städten zwar die Möglichkeit zur Mitgliedschaft in einer GmbH gibt, Mitgliedschaften in Gesellschaften bürgerlichen Rechts jedoch skeptisch beurteilt."Es war uns wichtig, das Dorfgemeinschaftshaus ans neue Nahwärmenetz anzuschließen, auch um als Vorbild voranzugehen", so Zibold, Bürgermeister einer Kommune, die als Modellstadt des Landes für ganzheitliche Gemeindeentwicklung ein besonderes Augenmerk auf erneuerbare Energien setzt: Schule, Sporthalle und Kult werden mit Hackschnitzeln, das Rathaus mit Pellets beheizt, eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit Bürgerbeteiligung und die energiesparende Umrüstung der öffentlichen Beleuchtung markieren ebenso wie das nun zweite Bioenergiedorf Entwicklungsschritte. Auch die Sparkasse, die als Finanzierungspartner den Umbau zum Bioenergiedorf begleitete, überbrachte Glückwünsche: Regionaldirektor Aleksander Dino Trslic gratulierte zum Unternehmermut. Gern unterstütze man als Bindeglied zwischen Gesellschaftern und Förderinstituten bei Vorhaben, die die Wertschöpfung in der Region halten.

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