Creglingen. Manchmal gibt es Glücksfälle: Dass sich eine Möglichkeit findet, die Glasplatten zu restaurieren, auf denen der Creglinger Fotograf Georg Schaffert nicht nur das Meisterwerk von Tilman Riemenschneider ins rechte fotografische Licht rückte, ist so ein Glücksfall.
Dass die Aufnahmen überhaupt entstanden, ist ein weiterer: Welche Kirche hatte schon einen solchen "Hausfotografen", der mit seiner Kunst bereits in den 30er Jahren mit immensem Einfühlungsvermögen unendlich viele Details des Altars auf die Platten bannte?
Ein dritter Glücksfall ist es, dass die Glasplatten überdauert haben: Eigentlich, berichtet Brigitte Zink, zuständig unter anderem für die Kirchenpflege, hätte schon längst leicht das letzte Stündlein der Fotoplatten geschlagen: Die Nichte des Fotografen verwahrte den kompletten fotografischen Nachlass - und hatte schlicht keine Verwendung mehr für den zumindest ideellen Schatz.
In Heiligenbronn auf dem Speicher standen die Dinge herum, wären, hätte nicht Brigitte Zink die Kisten in einer schnellen Spontanaktion abgeholt, im Container gelandet.
So kam die Kirchengemeinde in den Besitz eines fast schon unglaublichen Fundusbestandes: Sicher um die 300 Glasplatten sind es, die erst einmal im Gemeindehaus eingelagert wurden, ebenso wie Abzüge und Postkarten aus der Schaffert-Werkstatt, wie Rollfilmnegative und Dias.
Der Fotograf Georg Schaffert stammte aus Schmerbach. Dort erblicke er im Juni 1888 das Licht der Welt. Licht wurde sein Medium. Mit unendlicher Geduld konnte er, ausgerüstet mit der schweren Plattenkamera, Stativ und Dunkeltuch warten, bis die Lichtstimmung passte, um die von Riemenschneider geschaffenen Gesichter, Figuren, Hände und Rankendetails richtig aufzunehmen. Über Jahrzehnte setzte er sich immer wieder mit dem Altarbild auseinander, hob plastische Details hervor wie kaum ein anderer: Bis heute werden seine Aufnahmen hoch geschätzt, bis heute sind es seine Fotos, die in der Herrgottskirche verkauft werden.
1970 verstarb der Lichtbildner in Creglingen. Seine Frau Anna, rund ein Jahrzehnt jünger als er, war bereits im Vorjahr verstorben. Beigesetzt sind beide unter schmucklosem Denkmal ganz in der Nähe des Chores der Herrgottskirche, der zeit seines Lebens Schafferts große Liebe galt.
Wie geht man um mit einer derartigen Hinterlassenschaft, die nicht nur Kirchen-, sondern auch Fotogeschichte ist - noch dazu als Kirchengemeinde, die gar nicht die Möglichkeiten hat, den ideellen Schatz auch nur gründlich auszuwerten? Man tat, was sich tun ließ, suchte zunächst einmal die Möglichkeit zur sicheren Verwahrung, so trocken und gleichmäßig temperiert, wie es sich eben einrichten ließ. Perfekt sei es nicht, gestehen der Pfarrer und die Kirchenpflegerin: Die alten Abzüge, Postkarten, aber auch Großformate, neigen dazu, sich zu rollen - typisch für Fotopapier.
Ein Traum geht für die Kirchengemeinde in Erfüllung mit der Möglichkeit, mit Hilfe des Denkmalamtes zumindest den Kernbestand der Sammlung digitalisieren und somit erhalten lassen zu können. Von kundiger Hand sollen die Fotoplatten, wo erforderlich, restauriert werden, um den Schatz für künftige Generationen zu erhalten.
Stundenlang hat sich der Kirchengemeinderat jüngst daran gemacht, den Bestand an Fotoplatten überhaupt erst einmal zu sichten und für die Fachsichtung durch die Restauratoren grob vorzuordnen. Die Begeisterung über den beinah verlorenen Schatz, der jetzt seine Würdigung findet, ist Pfarrer Burk und Brigitte Zink deutlich anzumerken. Ob das zur Verfügung stehende Finanzvolumen - rund 13 000 Euro stehen für die fachgerechte Sanierung vorderhand zur Verfügung - ausreichen wird? Für alles sicherlich nicht, schätzen die Vertreter der Kirchengemeinde. Aber immerhin: Ein Anfang werde gemacht.
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