Gottlob-Haag-Archiv - Findbücher erschließen Werk, Sekundärliteratur, Typoskripte, Film- und Tondokumente

Jetzt kann man Nachlass richtig nutzen

Von 
Inge Braune
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Große Freude in Niederstetten: Der Nachlass Gottlob Haags ist geordnet. Heide Ruopp (rechts, Bild oben) und Heinrich Eppe (Dritter von rechts) leisteten die Hauptarbeit. Die erhaltenen Typoskripte beweisen es: der Großteil der Texte Gottlob Haags entstand auf dieser Schreibmaschine (unten links). Mit viel Herzblut wurde der Nachlass erschlossen.

© Inge Braune

Niederstetten. Sie könne es ja mal probieren, Ordnung in den Nachlass Gottlob Haags zu bringen, hatte sich die Langenburgerin Heide Ruopp, seit 2011 Trägering des Gottlob-Haag-Ehrenrings, überlegt.

Der Nachlass lag brach seit dem Tod des Mundart-Lyrikers 2008 - und Heide Ruopp, die den Ring vom Hohenlohe-Fotografen Roland Bauer erhalten hatte, fühlte sich auch ihrer eigenen Langenburger Archiverfahrungen wegen herausgefordert, sich der Aufgabe anzunehmen.

2013 machte sie sich gemeinsam mit Niederstettens Kulturamtsleiter Norbert Bach, dem ehemaligen Kirchberger Bürgermeister und Vorsitzenden des Arbeitskreises Museen und Schlösser in Hohenlohe-Franken und Haag-Freund Walter Krüger ans Werk. Was die Arbeitsgruppe um Heide Ruopp in drei Jahren geleistet hat, ist immens, denn was Niederstettens Ehrenbürger Gottlob Haag der Stadt als Gabe und Aufgabe hinterlassen hat, ist ein reichhaltiger Fundus.

Werkverzeichnis lässt staunen

Allein das Werkverzeichnis des "Bankerts" (Titel des 2004 im Verlag Wilfried Eppe erschienenen autobiografischen Romans und zugleich Selbstbenennung Gottlob Haags), der in seiner Heimat bis ins hohe Alter "mit schtaawiee Schueh" (Titel des ebenfalls bei Eppe im Jahr 2000 erschienenen Gedichtbandes) viel unterwegs war, lässt staunen.

Haags eigenständige Veröffentlichungen komplett zu vereinigen und anhand von Findbüchern zu erschließen, war für die Gruppe um die Langenburgerin Ruopp und Niederstettens Kulturamtsleiter Norbert Bach eine der leichtesten Übungen. Zur Gruppe gesellten sich auch Friedrich König und Walter Krüger sowie seit dem Frühjahr auch mit enorm viel Engagement Heinrich Eppe, der Bruder von Haags Verleger. Die Bücher hatte Haag, der 2008 im Sommer 81-jährig verstarb, noch zu Lebzeiten der Stadt Niederstetten übergeben. Walter Krüger hatte diesen Schatz im Torhaus gehütet.

Eine wesentlich größere Herausforderung stellten die Archivalien dar, die Gottlob Haag in seiner Wohnung hinterlassen hatte: Sie wurden ab dem Frühjahr 2009 zunächst im Haus Schürger untergebracht, ehe sich ab 2013 Heide und Wilhelm Arnold Ruopp hier an eine Vorsortierung nach thematischen Abteilungen machten. Noch einmal zwei Jahre später gesellte sich ein dritter Überlieferungsstrang zum Konglomerat des von der "Stimme Hohenlohes" hinterlassenen literarischen Erbes. Es war Archivmaterial, das bis dahin Martin und Sabine Haag in Wildentierbach verwahrt hatten.

Einzelwerke des Autors sowie seine Publikationen in Sammelbänden und Zeitschriften galt es ebenso zu erfassen wie Ton- und Filmdokumente von und über ihn, Zeitungsausschnitte, Bücher aus Haags eigener Bibliothek, insbesondere solche mit Bezug zu Haags Werk und - neben den Ton- und Filmdokumenten - ein ganz besonderer Schatz: Haags eigenhändige Typoskripte seiner Lyrik- und Prosaarbeiten.

Erstmals in Datensätzen und damit für den einfachen Forschungszugriff erfasst wurde die komplette Publikationsbibliografie - und gleiches gilt für die Hörfunk-Aufnahmelisten der in den Archiven des Südwestrundfunks und des Bayerischen Rundfunks erhaltenen Tondokumente.

Wahre Goldgrube

Mittels der von Heinrich Eppe erstellten Excel-Dateien steht über Haag - und ganz generell Mundart-Forschern - eine bestens sortierte Schatzkammer zur Verfügung, die lockt, sich mit dem manchmal durchaus knorrigen Autor intensiv auseinanderzusetzen.

Eine regelrechte Goldgrube, nicht nur für Germanisten, findet sich in den Archivalien, die unter anderem die persönliche Korrespondenz Haag umfasst. Darunter sind etwa von Günter Eich kritisch gegengelesene und mit Anmerkungen versehene Gedichte Haags, ganz frühe Schreibversuche des Autors, Fotografien, Zeichnungen von Gottlob und Olaf Haag, Personaldokumente.

Weiter im Fundus des zumindest zunächst im Obergeschoss der ehemaligen Kochschule untergebrachten Gottlob-Haag-Nachlasses: Gerahmte Bilder, an denen Gottlob Haag viel lag - und etliche untrennbar mit dem Wildentierbacher verbundene Objekte wie seine alte Adler-Schreibmaschine, der Strohhut, mit dem er im Sommer stets zu sehen war, Korb und Reisigbesen, wie sie ihn von Kind auf begleiteten. Auch einige Steine finden sich im museal verwertbaren Objektnachlass, gesammelt vielleicht während seiner sinnierenden Wanderungen rund um Wildentierbach.

Pfeifen, Rauchzubehör gehörten ebenfalls zu Gottlob Haag: einiges ist erhalten und nun säuberlich erfasst, ermöglicht Nutzern des Nachlasses, den Dichter auch jenseits seiner Wort- und Gedankenhinterlassenschaft ein wenig fassbar zu machen.

Auch einen alten Sessel gibt es noch, den Besucher gut kennen: Der könnte, spekuliert Niederstettens Kulturamtsleiter Norbert Bach, vielleicht, wenn er eines Tages möglichst original aufgearbeitet sein sollte, in einer Gottlob Haag-Ecke in der Bücherei im "Kult" einen Platz finden. Das allerdings ist noch Zukunftsmusik.

Ebenfalls noch in der Zukunft im 90. Geburtsjahr Gottlob Haags liegt die Veröffentlichung eines neuen Heftes in der auf inzwischen weit über einhundert Publikationen angewachsenen Reihe "Spuren" des Deutschen Literaturarchivs Marbach: Helmut Böttiger legt im Jahr von Haags 90. Geburtsjubiläum einen Band zum Niederstettener Autor vor.

Feiner Eröffnungsakzent

Das kleine Gottlob-Haag-Jubiläumsjahr hat jedenfalls mit der offiziellen Übergabe des nunmehr geordneten und erschlossenen Haag-Nachlasses und der ersten Erläuterung der Möglichkeiten durch Heide Ruopp und Heinrich Eppe einen zwar kleinen, aber überaus feinen und sicherlich nachhaltigen Eröffnungsakzent erhalten.

Im Herbst, wohl in recht unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Gottlob Haags 90. Geburtstag, wird auch die Stadt Niederstetten "ihren" Poeten, den sie 1996 zum Ehrenbürger machte, feiern.

Niederstettens Bürgermeister Rüdiger Zibold trug sich als Erster ins Benutzerbuch des Gottlob-Haag-Nachlasses ein und dankte den Bearbeitern, insbesondere Heide Ruopp und Heinrich Eppe, sehr herzlich für ihr Engagement. Mit wieviel Herzblut besonders diese beiden sich an die Arbeit gemacht haben, ist auch am Übergabetag deutlich zu spüren: Kaum können sie lassen vom Nachschlagen und Gegenprüfen. "Archive sind die schärfste Waffe gegen Legenden und Mythen", so Eppe. "Wenn wir dazu etwas beitragen, haben wir unsere Arbeit gut gemacht."

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