Dörzbach. Wer die Vorbereitungen für die große Reise des kleinen Dorfgefängnisses von Anfang bis zur Abfahrt nach Wackershofen erleben will, muss viel Zeit mitbringen. Gut fünf Stunden dauert das Verladen.
Kurz vor 16 Uhr am Mittwoch biegt der Kranwagen in die Drehergasse. Dort ist schon alles für die Reise vorbereitet. Der Dachstuhl des ehemaligen Ortsarrests wurde schon vor einigen Wochen abgebaut und ins Freilandmuseum nach Wackershofen transportiert. Nur der gemauerte Kamin, den ein Lattengerüst umgibt, ragt noch in den strahlend blauen Spätsommerhimmel.
Ihn auf den Tieflader zu setzen, ist für die Firma Fischer aus Enslingen eine leichte Übung. Der Kraftakt ist das Fachwerkgebäude. Die Beschäftigungsgesellschaft "inab" aus Schwäbisch Hall hat es für seine Reise fachgerecht vorbereitet.
Michael Loos und Jonathan Krauß gehören zum Team, das die Vorbereitungsarbeiten gestemmt hat. Beide sind sich sicher, dass der Transport gut über die Bühne geht. Auch beim Aufbau in Wackershofen werden sie wieder mit Hand anlegen.
Millimeterarbeit ist von den Transportprofis zu leisten, um das Gebäude in einem Stück auf den Tieflader zu setzen. Allein bleiben sie dabei nicht. "So etwas bekommt man sonst nur im Fernsehen zu sehen", meint Sebastian Grübel, der bei den vielen Zuschauern steht, die den Abtransport miterleben.
Bernhard Müller verfolgt ihn mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es sei schade, dass das historische Gebäude nicht in Dörzbach erhalten worden sei. Allerdings freut es den Dörzbacher, dass der ehemalige Ortsarrest nun in Wackershofen vielen Besuchern zugänglich wird.
Dass das fast 200 Jahre alte Gebäude erhalten bleibt, freut auch Fritz Marek und Kurt Teuke. Sie wissen, dass die Zellen angeblich in den 50er Jahren zur Ausnüchterung zum letzten Mal genutzt wurden. Peter Hepp erinnert sich an einen Spruch aus seiner Kindheit. Den Kindern, die nicht brav waren, sei damit gedroht worden, dass sie in den "Duere", in den Ortsarrest kommen.
Aus der Ortsgeschichte ist auch bekannt, dass durchziehende Handwerksburschen in den Zellen übernachteten.
So manches Geheimnis wird dem Ortsarrest beim Restaurieren in Wackershofen noch entlockt werden können. "In den Zellen hat sich so mancher Insasse an den Wänden verewigt", sagt Museumsleiter Konrad Bedal, der mit dem Ortsarrest aus Dörzbach ein weiteres wichtiges historisches Gebäude für Wackershofen erhält, das seit langem auf seiner Wunschliste stand.
Denn ein Ortsarrest gehörte wie das Gemeindebackhaus, die Schafscheune oder das Spritzenhaus zu einem württembergischen Dorf. Das Freilandmuseum habe seit Beginn seiner Aufbauplanung nach so einem original erhaltenen Beispiel gesucht.
"Wir sind dankbar, dass das Gebäude für nachfolgende Generationen erhalten bleibt", sagt Bürgermeister Willi Schmitt. Die Restaurierungsarbeiten werden im Frühjahr abgeschlossen sein, so dass ab April/Mai die Besucherinnen und Besucher in Wackershofen auch Gefängnisluft schnuppern können.
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