Langenburg. Ringlein, Ringlein, du musst wandern. An das alte Kinderlied erinnerte der Ehegatte von Heide Ruopp, die am Sonntag den Gottlob Haag-Ehrenring weiterreichte. Ihre Wahl fiel auf den in Coburg lebenden Autor Manfred Kern. Kennengelernt hat sie ihn vor recht genau einem Jahr bei der Waldhausführung. Wenn einer dabei ist, der Gedichte macht, ist in munterer Runde klar, dass man den auffordert, etwas vorzustellen. Und für Ruopp war damit klar, wer als nächster den Ehrenring tragen würde.
Gestaltet hat den Ehrenring der Mergentheimer Goldschmied Helmut Frauenberger. Mit dem Lyriker, Epiker und Dramatiker Haag, der der Landschaft und den Menschen Hohenlohes eine Stimme gab, verband ihn, der mit leicht österreichischem Zungenschlag spricht, die Liebe zum Dialekt, dazu intensive und nachdenkliche Gespräche über den Zustand der Welt, darüber, was aus den Menschen geworden ist in all diesem Wohlstand. Den Ring gestaltete der Goldschmied weniger als persönliches Geschenk, sondern als ein Stück, das fortbesteht, von Hand zu Hand gereicht wird, nicht nur, um an den Wildentierbacher zu erinnern, sondern auch, um zu ermutigen, der jeweils eigenen Schöpferkraft zu vertrauen.
Gottlog Haag verlieh den Ring an Arno Boas, der mit seinen Mundartstücken den Dialekt lebendig macht; der gab ihn weiter an den im Niederstettener Kulturamt verantwortlichen "Kultur-Ermöglicher" Norbert Bach, der wiederum mit seiner Wahl ein weiteres Feld erschloss: Roland Bauer setzte Hohenlohe in seinen Fotoarbeiten ein Denkmal. Bauer gab dem Ring in Langenburg bei Heide Ruopp ein neues Zuhause - und die sorgte jetzt mit ihrer Wahl dafür, dass man dem 1956 in Rothenburg geborenen, in Wettringen aufgewachsenen und in Coburg lebenden Autor Manfred Kern Aufmerksamkeit widmet.
Sein Fachabitur legte Kern in Ansbach ab, in Würzburg versuchte er sich als Architekturstudent, fand dann aber in der Ausbildung zum Buchhändler etwas, das ihm viel näher lag, denn schon als Kind notierte er märchenhafte Geschichten im Schulheft. Eine Herzmuskelentzündung - existentiell bedrohend, die rund ein halbes Jahr ans Bett fesselte - verstärkte den Drang zum Schreiben, öffnete Wahrnehmungstüren, schärfte den Blick für Seiendes, sich Entwickelndes, in Veränderung begriffenes. Zehn Bücher in Hochsprache und Mundart hat er seit 1989 veröffentlicht, dazu gemeinsam mit dem Rothenburger Gitarristen Harry Düll eine CD. Gedichte in Mundart, auf Hochdeutsch, Erzählungen, teilweise zweisprachig zählen zu seinen Werken, das jüngste Buch "Meine Oma" (Wiesenburg-Verlag Schweinfurt 2013, 17,80 Euro), zeichnet in alten Dokumenten, Briefen, Berichten auf, was Kerns 1884 geborene, 1971 verstorbene Großmutter erlebte. Es schüttelt einen regelrecht, wenn man liest, wie die NS-Frauenschaft auf ihren Austrittswunsch reagiert. Kern lässt sich ein auf "Offene Wunden", die Gedichtimpulse geben, etwa anlässlich des Todes des Vaters, auf Fragen vom Scheitern am und im Dorfleben, formt sie zu Lyrik, Erzählungen, Kalendergeschichten, Notizen.
Dass Kern eng verwandt ist mit Gottlob Haag, obwohl sie sich nie trafen, obwohl Kern erst jetzt auf Haags Werke stieß, wurde auf Anhieb spürbar für die rund 60 aufmerksamen Teilnehmer der Übergabe-Veranstaltung in Langenburg: Martin Blümke, SWR-Redakteur, der Anfang der 70er Jahre den Hohenloher Mundartdichter in der Sonntags-Sendung "Land und Leute" immer wieder Sendezeit eingeräumt hatte, zitierte in seinem Vortrag etliche Texte des Dichters, nahm die Gäste mit auf einen Streifzug durchs Leben Haags.
Und dann hörten die Gäste einige Texte von Kern: Innig verwandt in der genauen Beobachtung, eng verbunden in der literarischen Zweisprachigkeit, nah beieinander in der Nachdenklichkeit wie, der Musikalität der Texte, die der Autor gemeinsam mit dem Rothenburger Gitarristen Harry Düll zu einem schwingenden Ganzen gestaltet. Bereits 2009 hatten Besucher der Hohenloher Musik- und Kleinkunsttage Gelegenheit gehabt, das Wort- und Klangduo bei einer Matinee im "Kult" zu erleben. Nah sind sich Gottlob Haag und der neue Ringträger in ihrer genauen, liebevollen Beobachtung der Natur, im feinen Ohr, das nicht nur die Stimmen, sondern auch die Stimmungen wahrnimmt. Dass Haag den Coburger als würdigen Wahrer seines Ringes sehen und ins Herz schließen würde, kann keiner bezweifeln, der anwesend war bei der Übergabe in Ruopps literarischer Stube.
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