Gerlachsheim. "Wo Arbeit das Haus bewacht, kann Armut nicht hinein": gilt dieses Sprichwort in der Arbeitswelt auch noch in 20 Jahren? Diese Frage stellte Professor Michael Hartlieb bei den Gerlachsheimer Mon(d)tagen.
KAB-Vorsitzende Dr. Ruth Hartmann freute sich, dass man den der Referenten von der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Würzburg für den Vortrag im Josefsaal hatte gewinnen können.
"Wahrscheinlich nicht", beantwortete Hartlieb direkt die Frage, denn die Arbeitswelt werde sich in den nächsten Jahren radikal verändern.
Was wird also das Problem der Zukunft sein: Gehe uns die Arbeit aus? "Nein", stellte der Referent fest, es werde eher einen Mangel an Arbeitskräften geben. Schon jetzt müssten Arbeitnehmer im Durchschnitt alle fünf Jahre umlernen, wenn sie auf dem Laufenden bleiben wollten.
Aus dem Mangel an Jobs werde künftig ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Bis zum Jahr 2025 ginge die Zahl der Erwerbsfähigen um 3,6 Millionen auf 41,1 Millionen Menschen zurück.
Schon 2015 werden in Deutschland etwa drei Millionen Arbeitskräfte fehlen: Hochqualifizierte wie Naturwissenschaftler und Ingenieure, aber auch Handwerker. Um die gleiche Menge Güter herzustellen, werde künftig mehr Arbeitszeit benötigt. Parallel zu diesem Strukturwandel bei uns schlössen die Schwellenländer wie Indien und China durch Bildungsanstrengungen und technologische Entwicklung auf.
Die Sorge besteht, dass die Industrieländer auch bei der Fertigung qualitativ hochwertiger Waren ihre bisherige Stärke verlieren und deshalb viele Arbeitsstellen - nicht nur im Niedriglohnsektor - verloren gingen. Auch Formen sowie Strukturen der Arbeit werden sich ändern. Nicht Fabriken und Büros und auch nicht die festen Arbeitszeiten würden die Arbeit der Zukunft bestimmen, sondern vielmehr Information und Wissen, vernetztes Arbeiten, Denken und Handeln.
Durch den technischen Fortschritt gingen Arbeitsplätze verloren, Maschinen machten vielerorts menschliche Arbeitskräfte überflüssig. Teamorientierte Projektarbeit sei auf dem Vormarsch, ebenso Arbeitsformen, die Beruf und Privatleben kombinieren.
Künftig würden sich die Menschen eher in Netzwerken als in traditionellen Interessenvertretungen organisieren. Dabei werde sich die Arbeitsmenge nicht reduzieren - nur die Art der Arbeit werde sich ändern.
In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland war es vor allem für die männliche Bevölkerung normal, dass das klassische "Arbeitsverhältnis" auf ein ganzes Arbeitsleben ausgelegt war. Seit den achtziger Jahren nehmen die sogenannten "prekären" Arbeitsverhältnisse zu, bei denen das Einkommen nicht mehr für das Leben reicht. Das Normalarbeitsverhältnis ist aber derzeit immer noch vorherrschend. Im Jahr 2000 waren circa 60 Prozent der Berufstätigen vollzeit- und unbefristet beschäftigt. Für 40 Prozent galten jedoch andere Arbeitsformen wie etwa Scheinselbstständigkeit, befristete Beschäftigung, geringfügig Beschäftigung, Teilzeit oder Leiharbeit.
Verlierer des Strukturwandels werden, so der stellvertretende Vorsitzende der KAB, Diakon Nenno, auf längere Sicht schlecht Ausgebildete, Kranke, ältere und behinderte Menschen und Familien mit mehreren Kindern.
Aus Sicht des Theologen, so Professor Hartlieb, sei die Zukunft aber immer auch offen und gestaltbar. Bei aller Flexibilisierung der Arbeitswelt müsse den Familien und dem Einzelnen genug Raum bleiben, damit er für sich den notwendigen Platz findet.
Wie unterschiedlich die Sichtweise über die "Zukunft der Arbeit" ist, zeigte zum Abschluss des Vortrages die kontroverse Diskussion. "Bei allen Studien", so Dr. Ruth Hartmann, "wird oft vergessen, wie der Mensch 'tickt'. Der soziale Aspekt des Menschen als Sozialwesen kommt zu kurz."
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