Lauda/Füssen. Das Festspielhaus Neuschwanstein ist fast menschenleer. Alle Darsteller und Mitarbeiter sind in München, wo das Musical „Die Zauberflöte“ von Komponist Frank Nimsgern im Deutschen Theater kürzlich seine Welturaufführung feierte. Für den traumhaften Blick über den Forggensee auf das Märchenschloss von König Ludwig nimmt sich Raphaela Dürr an diesem Abend kaum Zeit. Die Kostümbildnerin hat seit mehreren Monaten ihren Arbeitsplatz genau gegenüber dieser Traumkulisse. Den Fränkischen Nachrichten gewährt die Laudaerin einen spannenden Blick hinter die Kulissen des Festspielhauses.
In der kleinen Nähstube warten die Nähmaschinen auf ihren Einsatz, wenn sich ab 4. Mai auf der Bühne im Festspielhaus der Vorhang hebt. Ab und an sitzt die Kostümbildnerin selbst dort. Doch für die Arbeit mit Nadel und Faden hat die 29-Jährige kaum noch Zeit. Sie zeichnet für die komplette Kostüm-Ausstattung des Ensembles dieses Musicals um Liebe, Verrat und Abenteuer verantwortlich.
Eng an Mozarts Vorlage
Komponist Frank Nimsgern schlägt eine Brücke zwischen der Musik der bekannten Oper und neuen Songs, ob Rock, Pop oder Latin-Einflüsse. Regisseur Benjamin Sahler hat sich eng an Mozarts Oper gehalten. Themen wie Emanzipation, Rassismus und Patriarchat werden hinterfragt und die Grenzen von Gut und Böse verschwimmen. Auch bei ihm machen sich Prinz Tamino und der Vogelfänger Papageno auf zu Sarastro, um Prinzessin Pamina aus den Händen des Priesters zu befreien. Der will das Mädchen vor der intriganten Mutter, der Königin der Nacht, beschützen. Die beiden Abenteurer müssen allerdings drei Prüfungen bestehen, bevor schließlich Tamino seine Pamina und Papageno seine Papagena in die Arme schließen dürfen.
Doch beim Musical tauchen noch weitere Figuren auf: das Orakelrad als Erzählerin und der weiße Kakadu.
Was Mozart mit seiner „Zauberflöte“ erschaffen hat und 1791 uraufgeführt wurde, ist für die junge Laudaerin mehr als nur eine Oper. „Es ist ein ikonisches Werk mit einer tollen Musik“, schwärmt Raphaela Dürr. Deshalb habe sie auch sofort zugesagt, als die Anfrage kam. „Das wollte ich unbedingt machen.“ Obwohl sie weiß, dass die Erwartungshaltung der Zuschauer und ihre eigene sehr hoch ist. Schließlich habe es schon viele Aufführung des bekannten Stücks gegeben.
Über die kreative Umsetzung der Kostüme hat sich die 29-Jährige viele Gedanken gemacht. „Ich wollte einen Bogen vom Original zur Moderne spannen.“ Eine Gratwanderung zwischen ursprünglichem Charakter und dem Vermeiden einer Kopie.
Eine Hilfe ist für die Kostümbildnerin die Musik. „Für bestimmte Szenen ist es wichtig, wenn ich die Melodien kenne.“ Etwa bei den Show-Nummern der Tänzerinnen und Tänzer, die ein bisschen burlesk daherkommen dürfen.
Dramatisch und grandios
Für das Kostüm der „Königin der Nacht“ hatte sie gleich eine Idee: Ein dunkles Kleid mit ausladendem Rock und Schleppe. „Es musste dramatisch wirken.“ Der Schulteraufsatz mit Federkragen entstand im weiteren Entwicklungsprozess. Natürlich erscheinen der Vogelfänger Papageno und seine Papagena umhüllt mit unzähligen Federn. Und die drei Damen erhalten eine Corsage in Gold, Silber und Kupfer.
Das Herzblut und die Visionen der 29-Jährigen stecken in den Entwürfen von wallenden Roben und prächtigen Anzügen, die diesem zauberhaften Märchenstoff Glamour verleihen. „Ich kann bei der Umsetzung immer aus dem Vollen schöpfen: Es darf glitzern und funkeln, wo es nötig ist.“ Ob Kopfschmuck, Kleidung oder Accessoires – gerade die Kleinigkeiten geben für Raphaela Dürr den Ausschlag. „Ich liebe es einfach, und das macht den Look aus.“ Wie auch Hüte, die für die Kostümbildnerin das Outfit erst perfektionieren.
Um die zahlreichen Kostüme entwerfen zu können, braucht die studierte Modedesignerin ein Gefühl für die Rollen. Schon beim Lesen des Textbuchs macht sie sich Notizen, führt Vorgespräche mit Intendanz und Regie und holt sich auch übers Internet Ideen. Manches Teil, das genau den Vorstellungen entspricht, sei „von der Stange“ gekauft worden. Bei der „Zauberflöte“ trifft das etwa auf die Waldszene zu. Das Tanzensemble choreographiert Blumen, die man in einer Kostümwerkstatt entdeckte und dort in Auftrag gegeben hat.
Neben dem Federgewand für Papageno sei allerdings kaum etwas in der Werkstatt im Festspielhaus entstanden. Um die Näharbeiten zu beaufsichtigen, ist sie sogar nach Thailand gereist. Denn aufgrund der Mehrfachbesetzung der Rollen werden auch die Kostüme in mehreren Größen – passend für die Darsteller – ausgefertigt, wie ein Blick in den Kostümfundus früherer Produktionen zeigt. Das Fitting, also die Anprobe der Outfits, und Änderungen erfolgten schließlich in Füssen. Auch dann ist Raphaela Dürr immer dabei.
Neue Erfahrungen hat die Laudaerin im vergangenen Jahr gesammelt, als sie bei verschiedenen Filmproduktionen gearbeitet hat. Bei einer Serie, bei der auch Heiner Lauterbach vor der Kamera stand, war sie mit am Set. Sie liebt die Abwechslung, wenn sie sich in Neues „reinfuchsen“ darf. „Die Mischung macht’s, Bühne und Film haben jeweils ihre Vorzüge“, will sie sich nicht festlegen lassen – auch wenn sie sich eher als Kostümbildnerin sieht. „Viel Spaß gemacht“ hat ihr aber das Entwerfen und Schneidern von Brautkleidern, was sie schon mal „dazwischengeschoben“ hat.
Heimat geworden
Für das Festspielhaus Neuschwanstein hat Raphaela Dürr bereits mehrere Produktionen ausgestattet. Das Haus ist für sie ein Stück Heimat geworden – selbst wenn die letzten Monate etwas turbulent waren und viel Aufmerksamkeit und Kreativität gefordert haben. „Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt sie dankbar, denn viel Arbeit laufe im Hintergrund. Und zur Entspannung kommt sie immer gerne zur Familie nach Lauda und genießt die Vorzüge des Taubertals.
Die Begeisterung der Zuschauer über die Aufführungen und vor allem für die Kostüme sorgt bei Raphaela Dürr für „ein bisschen Stolz“, sagt sie bescheiden. „Ich will einen Zauber erschaffen, pure Freude und Emotionen, damit der Zuschauer alles sonst vergessen kann.“ Mit den grandiosen Kostümen zur „Zauberflöte“ ist es ihr gelungen.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/lauda-koenigshofen_artikel,-lauda-koenigshofen-traumhaft-opulente-kostueme-von-raphaela-duerr-aus-lauda-_arid,2202165.html