Heckfeld/Main-Tauber-Kreis. Eine beginnende Serie schwerer Straftaten an der Autobahn 81 beschäftigte die Polizei ab Sommer 1990. Ein Mord auf Heckfelder Gemarkung sorgte für Entsetzen. Die Ermittler unternahmen große Anstrengungen, den Täter zu fassen, der bald schon eine zweite Frau attackierte. Ein dritter, aktenkundiger Vorfall entlarvte den mutmaßlichen Mörder, einen Brummi-Fahrer, Anfang 1991. Er wurde festgenommen und gestand die Taten. Wenige Wochen später setzte er seinem Leben in der Zelle auf den Prozess wartend ein Ende.
Genau einen Tag nachdem Deutschland am 8. Juli 1990 zum dritten Mal Fußball-Weltmeister geworden war, geschah es. Die Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei, die erfolgten Medienberichte und Informationen aus Ermittlerkreisen zeichnen heute ein immer noch erschreckendes Bild der damaligen Ereignisse.
Claudia G. (38), Kosmetikerin und Schulungsleiterin, war 1,57 Meter groß, hatte rotbraunes, mittellang gelocktes Haar und lebte in Neuhausen/Fildern. Urlauber machten am Dienstag, 10. Juli, gegen 6 Uhr „eine grausame Entdeckung“, wie die Fränkischen Nachrichten berichteten, denn sie fanden auf dem A 81-Parkplatz „Löchle West“ (Fahrtrichtung Heilbronn), nahe der Muckbachtalbrücke, ihre Leiche.
Unbekleidet und erdrosselt
Das Opfer wurde unbekleidet und erdrosselt hinter einem Gebüsch liegend entdeckt. Schaut man sich in diesen Tagen den Parkplatz an, so ist er von der Autobahn gut einsehbar, zum Wald abgezäunt und bis auf ein paar Bäume ohne jedes Gebüsch gestaltet. Gleiches gilt auch für den gegenüberliegenden Parkplatz „Löchle Ost“, der damals auch schnell in den Fokus der Ermittler geriet.
„Tatort und Fundort dürften nicht identisch sein“, hieß es schon in einer ersten Nachricht der Polizei am 10. Juli. Das Fahrzeug der Ermordeten, ein roter zweitüriger BMW der 3er Serie mit Hamburger Kennzeichen (ein Geschäftswagen), stand auf dem Parkplatz „Löchle Ost“ (Richtung Würzburg).
Die Polizei bat die Bevölkerung zügig um Mithilfe. Am 19. Juli startete eine große Plakat- und Handzettelaktion. Monate später erweiterte man diese Art der Öffentlichkeitsarbeit noch über den Würzburger und Heilbronner Raum hinaus.
Man wusste anfangs, dass Claudia G. am Montag, 9. Juli, frühs in Stuttgart weggefahren war und um 13 Uhr einen geschäftlichen Termin in Würzburg hatte, zu dem sie nie erschien. G. hielt nach Mitteilung der Polizei auf dem Parkplatz Richtung Würzburg an: „Dann verliert sich ihre Spur. Umstände legen die Annahme nahe, dass das Opfer gegen ihren Willen in ein möglicherweise größeres Fahrzeug gebracht und abtransportiert wurde.“ Für zielführende Hinweise wurde von der Staatsanwaltschaft eine Belohnung in Höhe von 5000 DM ausgesetzt, die eine Woche später von privater Seite auf 8000 DM erhöht wurde.
Ähnlicher Vorfall
Am 20. August 1990, gegen 10.30 Uhr, befuhr eine 28-jährige Frau mit ihrem weißen Golf die A 81 ebenfalls in Richtung Würzburg. Nachdem sie zwischen den Anschlussstellen Ahorn und Tauberbischofsheim einen Lastzug überholt hatte, gab ihr der Fahrer unter dem Vorwand eines Defektes Zeichen mit seiner Lichthupe, so die Polizei: „Die Frau fuhr daraufhin auf den nächsten Parkplatz bei Kilometer 479 (Löchle Ost). Der Fahrer des Lastzuges machte sie dort auf das angebliche Problem aufmerksam und bot ihr Hilfe an. Plötzlich schlug er die Frau, würgte sie und versuchte sie gewaltsam in sein Führerhaus zu bringen. Sie konnte sich aber losreißen und mit ihrem Pkw flüchten.“
Die Ermittler entdeckten Parallelen zum Mordfall Claudia G., der sich Wochen zuvor auf dem selben Parkplatz ereignet haben musste, und hatten in der 28-Jährigen nicht nur ein weiteres Opfer, sondern auch eine sehr gute Zeugin. Später erhielt sie 2000 Mark Belohnung. Denn: Ihre genauen Beschreibungen des Täters führten zu einem sehr guten Phantombild und einer späteren Verhaftung.
Die Polizei suchte also fortan mit Fahndungsplakaten, die vornehmlich an Autobahn-Raststätten angebracht wurden, gezielt nach dem Täter und klärte auch über sein perfides Vorgehen auf.
Der Mann wurde wie folgt beschrieben: Mitte 30, 172 bis 174 Zentimeter groß, gedrungen, kräftige, fast dicke Statur, dunkelblonde, glatte, kurz geschnittene Kopfhaare, Mittelscheidel, Oberlippenbart, graublaue Augen, helle Brustbehaarung, deutsche Sprache, trug weiße Bermudashorts mit bunten Farbflecken.“ Zum Lkw mit Anhänger hieß es: „älteres Fahrzeug mit grünem Fahrgestell, grauen Planenaufbauten, dunkelbraunen Sitzpolstern“.
Am 11. Januar 1991 wurde der Mann bei Bamberg von der Polizei mit seinem Lkw gestoppt und verhaftet. Zuvor hatte er auf der A 3 in Richtung Nürnberg eine allein fahrende Studentin nach dem Überholen in auffälliger Weise längere Zeit „angeblinkt“. Diese Zeugin reagierte darauf aber nicht, denn sie kannte die Fahndungsplakate und verständigte mit weiteren Hinweisen umgehend die Polizei, die danach zugriff.
Am 13. Januar verkündeten Staatsanwaltschaft und Polizei, dass der Mordfall Claudia G. (Juli) und eine versuchte Vergewaltigung (August), die auffällige Parallelen verbanden, aufgeklärt seien. Als mutmaßlicher Täter sei ein 24 Jahre alter Kraftfahrer aus dem oberfränkischen Raum Kronach/Bayern vorläufig festgenommen worden: „Der entscheidende Hinweis kam von einer Autofahrerin, die auf der Autobahn bei Geiselwind unterwegs war.“ Die Studentin bekam später 3000 Mark Belohnung für ihre wertvolle Unterstützung.
Den Tatverdächtigen, der in beiden Fällen ein Geständnis ablegte, schickte der Haftrichter in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft teilte zum Mordfall Claudia G. danach noch mit, dass der Täter am 9. Juli 1990 „unter Drohungen und unter Anwendung körperlicher Gewalt“ sein Opfer in seinem Lastwagen sexuell missbrauchte. „Um eine Anzeige zu verhindern, erdrosselte er dann die 38-Jährige und legte die Leiche in der Nacht von 9. auf 10. Juli am späteren Fundort auf dem Parkplatz der A 81-Gegenrichtung nach Heilbronn ab.“
In der Zelle erhängt
Warum der mutmaßliche Täter sein Opfer noch auf dem Lkw mitnahm und erst Stunden später hinter einem Gebüsch an der A 81 versteckte, kam öffentlich nicht mehr zur Sprache, denn die Polizei und Staatsanwaltschaft gaben am 18. März bekannt, dass sich der Beschuldigte tags zuvor in seiner Zelle in der Vollzugsanstalt Adelsheim erhängt hatte. „Er hinterlässt eine Frau und eine einjährige Tochter“, so die damalige Mitteilung.
Der Staatsanwalt lobte abschließend die Aufmerksamkeit und guten Hinweise der beiden Zeuginnen und die ausgezeichnete Arbeit der ermittelnden Beamten. Konkrete Hinweise für weitere Sexualstraftaten des 24-Jährigen ergaben sich nicht.
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