Lauda. „Es ist eine tolle Gegend hier, ich fühle mich sehr wohl. Die Menschen begegnen mir mit großer Offenheit.“ Marie-Louise Scheuble krault ihren Terrier hinter den Ohren. Mit dem vierjährigen Hund Henry, der ruhig unter dem Konferenztisch liegt, hat die Pfarrerin schon viele Spaziergänge zwischen Tauber und Weinbergen unternommen. Im März ist sie ins „Pfarrhaus mit Charme“ eingezogen. Die Umzugskartons sind ausgepackt, der Pfarrgarten mit seinem Obstbäumen und Pflanzen ist von Henry und ihr begeistert in Besitz genommen.
Die junge Frau ist häufig in der Stadt anzutreffen. „Ich will mit den Menschen ins Gespräch kommen, mir Zeit für sie nehmen. Davon lebt Seelsorge.“ Mit dem Hund klappt das immer, man hat sofort einen Anknüpfungspunkt. „Wenn ich unterwegs bin, ist Henry meistens dabei.“ Und dann geht sie häufig durch die Wohngebiete, um bewusst Menschen zu treffen und sie kennen zu lernen. Für rund 2000 Gläubige aus Lauda, Gerlachsheim, Heckfeld und Oberlauda ist die gebürtige Pforzheimerin zuständig.
Beim Gottesdienst dabei
Auch bei den Gottesdiensten ist der Vierbeiner gern in ihrer Nähe. Dann liegt Henry im Altarraum. Ungewohnt wirke das auf so manchen Gottesdienstbesucher, gesteht die Pfarrerin. Dass das Tier gerade bei schwierigen Themen wie Trauergesprächen helfen oder bei einem Taufgespräch für eine entspannte Atmosphäre sorgen kann, habe sie aber auch schon oft erlebt.
„Hier zu sein, ist ein Geschenk: Gemeinsam den Neuanfang wagen, Altes loslassen, sich zusammen auf den Weg machen.“ Die evangelische Pfarrerin will den Gläubigen nach den vielen Wechseln in der Pfarrstelle und nach der Pandemie aufzeigen, dass Kirche da und vor allem lebendig ist, dass Kirche kein Museum ist, in dem man nur zu Gast sein kann. „Ob mir das gelingt, wird sich zeigen“, sagt sie mit einem zuversichtlichen Lächeln.
Durch Corona hätten viele Veränderungen eingesetzt, die Gesellschaft hinterfrage mehr, sehne sich nach Stabilität und Sicherheit. Das überträgt sie auf die Beziehung zu Gott. Auch Kirche müsse sich verändern. „Ich versuche, meinen Beitrag zu einer modernen Kirche zu leisten“, betont Scheuble.
Deshalb sei ihr der Beruf der Seelsorgerin so wichtig. „Ich darf die Menschen von der Geburt bis zum Ende des Lebens begleiten, und dabei von der Lebendigkeit des Glaubens berichten.“ Kleinigkeiten, wie etwa den Taufbaum in der Kirche, führt sie dabei gern an. Mehrere Papier-Äpfel hängen bereits. Neben einem Foto des Täuflings steht das Taufdatum. Ein Jahr lang bleiben diese Äpfel für jeden sichtbar hängen.
Vor dem Altar steht ein Tisch mit kleinen Schälchen und bunten Steinen. Jede Farbe symbolisiert ein anderes Anliegen, für das die Menschen Gott danken oder ihn um etwas bitten wollen. In der großen Schale werden diese Anliegen – ob Sorgen und Nöte oder Freude und Erleichterung – dann vor Gott gebracht. „Kirche soll kein totes Gebäude sein“, erläutert die Pfarrerin ihre Intension dieser Gebetsstation. Sie weiß, dass sich viele Menschen aktuell Gedanken machen, wegen des Kriegs in der Ukraine und dessen Folgen, die auch hier viele belasten. „Die Sorge um die Zukunft, etwa bei den steigenden Energiekosten, ist ein häufiger Anlass fürs Gebet.“ Ein Büchlein mit vielen schönen Gedanken liegt aber auch im Gotteshaus aus. Zusammen mit ihrer Pfarrsekretärin will Marie-Louise Scheuble, die selbst gern kreativ ist und bastelt, noch so manche Idee für die Christen entwickeln.
„Kirche kann stark machen und darf kein Zwang sein. Jeder einzelne darf seine Freiheit leben und sich auf die Gemeinschaft verlassen, wenn er sie möchte“, verdeutlich die Pfarrerin. Sie freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem sehr engagierten Kirchengemeinderat, der in ihren Augen genau diese evangelischen Freiheiten zulässt und offen für Neues ist. Der Abendgottesdienst ist für sie ein gutes Beispiel dafür.
In ihrer neuen Wirkungsstätte ist Marie-Louise Scheuble gerne. „Es ist ein sehr schönes Gebäude, hell und lichtdurchflutet, von den Erbauern sehr durchdacht konzipiert“, findet sie und verweist auf die Besonderheit am Altar: eine Altarschranke. Auf dem steinernen Tisch thront Christus als Lamm mit der Siegesfahne – eine Seltenheit in evangelischen Kirchen. Auch die Mosaik-Fenster mit den Darstellungen von Luther und Melanchthon haben es ihr angetan. „Die Kirche strahlt das Ursprüngliche des Glaubens aus: Die Menschen können zu Gott kommen und sind immer willkommen.“ Dass das Gebäude als Radwegkirche immer offen für Besucher ist, freut sie sehr.
Stärkender Glaube
Diese Offenheit ist der Pfarrerin sehr wichtig – Offenheit und Zusammenarbeit. Mit ihrer Kollegin aus Königshofen, Laura Breuninger, gibt es für die ehemalige Jugendpfarrerin viele gemeinsame Anknüpfungspunkte. „Da erwächst sehr viel.“ Der gemeinsame Gottesdienst am fünften Sonntag im Monat ist nur ein Zeichen dafür. Ein Gottesdienst für Jugendliche und Junggebliebene ist für den Herbst geplant, am vierten Advent gestalten die Kinder die Feier mit.
Die Jugendlichen liegen ihr am Herzen, was sie nicht nur im Religionsunterricht aufzeigen will. Sie hat einen guten Draht zur jüngeren Generation, der sie ihre positiven Erfahrungen mit Glaube mitgeben will. Gerade in der Konfi-Zeit habe sie den Glauben als etwas Stärkendes und Gutes erfahren.
„Kirche und Glaube sind modern, individuell und lebendig und keine verstaubte Institution“, sagt die 33-Jährige. Das versucht sie auch den älteren Christen zu vermitteln, mit denen die begeistere Chorsängerin gerne Kirchenlieder singt. „Musik ist mir sehr wichtig.“ Dass viele die katholischen Lieder genauso gut können, ist für sie ein Aspekt einer gelebten Ökumene, die sie in Lauda gefunden hat. „Wir schauen, wo wir uns gegenseitig ergänzen können“, hebt sie die bereichernden Erfahrungen hervor. Eine davon ist, dass ihr Einführungsgottesdienst in der katholischen Pfarrkirche stattfand.
Wie charakterisiert sich Marie-Louise Scheuble selbst? „Flexibel und unerschrocken, aus jeder Situation das Gute herausholen.“ Das will sie auch zusammen mit Terrier Henry, mit dem sie als Rettungshund gearbeitet hat. Der liegt dösend unter dem Tisch und wartet geduldig, bis es zum nächsten Spaziergang in Richtung Tauber geht.
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