Lauda-Königshofen/Tauberbischofsheim. "Guten Tag, ich bin Frau Doktor Esma", stellt sich die zehnjährige Esma Ciloglu in weißem Kittel und mit Stethoskop um den Hals einem Patienten im Kreiskrankenhaus Tauberbischofsheim vor, der im Behandlungsraum auf seine Ultraschall-Untersuchung wartet. Etwas aufgeregt, aber voller Konzentration lauscht sie den Anweisungen der Ärztin Nuran Koc und beginnt mit dem Ultraschall.
Ganz begeistert ist sie, als plötzlich auf dem Monitor die Leber oder das schlagende Herz des Patienten zu sehen sind. "Es ist alles in Ordnung, wir haben nichts Auffälliges gesehen", beruhigt Esma den Patienten, bevor es zur Visite bei Frau Bauer geht.
Eine Dort darf die Viertklässlerin der Grundschule am Schloss in Tauberbischofsheim das Herz der Patientin mit dem Stethoskop abhören. "Du musst ganz leise und konzentriert sein, um etwas hören zu können", erklärt Nuran Koc liebevoll. Und tatsächlich kann Esma nach anfänglichen Schwierigkeiten den regelmäßigen Herzschlag der Patientin wahrnehmen. Frau Bauer (74 Jahre) aus Külsheim, die bald wieder entlassen wird, scheint sichtlich zufrieden mit der Untersuchung. "Es war eine sehr angenehme Visite, ich glaube, du könntest eine gute Ärztin werden."
Esma ist eines von drei ausgewählten Kindern im Main-Tauber-Kreis, die für kurze Zeit Berufe von Erwachsenen übernehmen dürfen. Diese Tradition liegt dem türkischen Kinderfest zugrunde, das jedes Jahr am 23. April gefeiert wird. "Bereits im letzten Jahr haben drei Kinder aus dem Main-Tauber-Kreis die Rolle von Arzt, Lehrer und Bürgermeister übernommen, was sehr gut angenommen wurde", erklärt Azmi Ciloglu, Esmas Vater. Ausgewählt würden die Kinder von Türkischlehrer Mehmet Kargi, "unter anderem nach Kriterien wie Sprachvermögen oder Selbstbewusstsein", wie der Lehrer erzählt.
Ins Leben gerufen wurde das Kinderfest von Mustafa Kemal Atatürk, erster Präsident der Türkei. Er soll gesagt haben: "Die Kinder von heute sind die Großen von morgen", wusste auch Esma.
Michael Raditsch, erster Hausoberer des Krankenhauses, findet diese Idee eines Rollentauschs ebenso schön wie wichtig. Das Tolle sei, dass Kindern nicht einfach irgendetwas von Berufen erzählt werde, sondern dass sich derartige Erfahrungen "direkt am Leben" abspielen. "Da kann auch Interesse wachsen", betont er. Im Grunde gebe es auch einige Dinge, die Kinder genauso gut oder sogar besser machen können als Erwachsene. "Kinder gehen offener, unbedarfter und eher spielerisch an neue Dinge heran und haben ein großes Interesse an Berufen."
"Erst einmal die E-Mails checken", heißt es für die neunjährige Sila Dogan, deren ehrenvolle Aufgabe es ist, Thomas Maertens, Bürgermeister von Lauda-Königshofen, zu repräsentieren. Stolz sitzt sie am Schreibtisch des Bürgermeisters und begutachtet aufgeregt die ungewohnte Situation, während Thomas Maertens seine Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche erklärt und ihr an seinem Computer einige spannende Einblicke in den Alltag eines Bürgermeisters gibt.
"Zum Spielen habe ich leider nichts auf dem PC", stellt er schmunzelnd fest, "aber Internet, denn es gibt Sachen, von denen auch ich keine Ahnung habe." Des Weiteren erklärt er, was es heißt, Bürgermeister zu sein und wie man sich auf ein solches Amt vorbereitet. "Wenn du Bürgermeisterin werden willst, musst du Zeitung lesen, denn du musst wissen, was die Menschen um dich herum bewegt."
Sila, die die dritte Klasse der Grundschule Mitte in Lauda besucht, hat sich ebenfalls vorbildlich auf den Termin vorbereitet und mithilfe einiger Klassenkameraden darüber nachgedacht, was in Lauda und Umgebung verbessert werden könnte. "Wenn ich Bürgermeisterin wäre, würde ich ein großes Jugendhaus bauen, in dem sich alle Menschen verschiedener Länder und Kulturen begegnen können und einen riesigen Markt mit vielen Ständen und Spielmöglichkeiten für Kinder wie Trampoline."
Maertens gibt ihr Recht, dass ein richtiges Jugendhaus fehlt: "Wir suchen schon längere Zeit nach einer unkomplizierten Lösung." Bürgermeisterin zu sein, gefällt Sila nach eigener Aussage sehr. Thomas Martens steht dem traditionellen Rollentausch von Kindern und Erwachsenen ebenfalls positiv gegenüber. Außerdem fügt er hinzu: "Es gibt so viele Berufe. Ich finde es wichtig, Begabungen zu finden und zu fördern."
Ein weiterer Beruf, nämlich der einer Rektorin, wurde von Melike Yildirim (9), Schülerin der Grundschule am Schloss in Tauberbischofsheim, erkundet. Esma findet es toll, "Kranken zu helfen", möchte dann aber doch lieber Anwältin werden. Sila könnte sich durchaus vorstellen, einmal Bürgermeisterin von Lauda-Königshofen zu sein.
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