75 Jahre Kriegsende - Messelhausen unter Feuer - Messelhausen galt bei den Amerikanern als „Widerstandsnest“ / Mit Vernichtung des ganzen Dorfes gedroht / Kloster war „Weltpostinstitut“

Heftige Kämpfe um den Ort kurz vor Kriegsende

Von 
Johannes Lippert
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In der Parkanlage des ehemaligen Adelssitzes der Freiherren von Zobel in Messelhausen forschten zum Kriegsende 20 Physiker der Universität Heidelberg nach einer Isolierungsschicht für U-Boote. © Erna Heer

Vor 75 Jahren wurde Messelhausen von den Amerikanern besetzt. Damals fanden auch Frauen und Kinder den Tod, Gebäude wurden arg in Mitleidenschaft gezogen.

Messelhausen. Es sind mittlerweile nun schon 75 Jahre her, dass die Wirren und Schrecken des Zweiten Weltkrieges nach der absoluten Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 ihr Ende fanden. Einige Einwohner der älteren Generation von Messelhausen können sich heute noch an die letzten Tage, in denen sich um den Ort deutsche Truppen gegen amerikanische Einheiten schwere Gefechte lieferten, erinnern.

Nachdem die deutschen Truppen unter dem starken Druck der dritten amerikanischen Armee von Oppenheim/Pfalz über den Odenwald bis in unseren Raum zurückgewichen waren und ihre Stellung von Deubach über die Sailtheimer Höhe, den Streitberg, an der Kützbrunner Straße entlang bis zur Schlossmauer neu aufbauten, kam es in den Ostertagen vom 1. bis 5. April 1945 noch zu folgenschweren Auseinandersetzungen beider Parteien.

Eine Werferbatterie, bestückt mit 15er und 21er Geschossen, zog zwar nach kurzem Aufenthalt (etwa ein Tag) wieder nach Neubronn/Württemberg (liegt zirka drei Kilometer östlich von Oberbalbach) weiter, jedoch hatte die Infanterie, etwa acht Kompanien zu je 100 Gewehren, den strikten Befehl, die Höhen von Messelhausen und das Dorf bis zum letzten Mann zu verteidigen.

Die Amerikaner, welche bereits aus westlicher Richtung bis Hof Sailtheim und Hofstetten vorgedrungen waren und im Nordosten die Nachbargemeinden Kützbrunn, Zimmern und Vilchband erreicht hatten, rückten nun langsam von allen Seiten auf das „Widerstandsnest“ Messelhausen vor, um es dann unter Beschuss zu nehmen. Nach einiger Zeit zogen sie sich jedoch wieder zurück, um dann am 3. April und besonders am 4. April das Feuer wiederholt, aber diesmal mit besonderer Heftigkeit, zu eröffnen.

Ohne Pausen heulten und zischten die Granaten (die Kaliber der Artillerie hatten meist zehneinhalb Zentimeter, die der Panzer siebeneinhalb Zentimeter Durchmesser, vereinzelt auch 15 Zentimeter) über das Dorf hinweg und schlugen in dieses ein. Die Zivilbevölkerung, vor allem Frauen und Kinder, suchten, sofern kein geeigneter Platz vorhanden war, im Zobelschen Weinkeller, Schutz vor dem Beschuss. Alle warteten sehnsüchtig auf das Eindringen der Amerikaner, um diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu bereiten.

Gegen Abend des 4. April 1945, kurz vor Einbruch der Dämmerung, drangen dann die Amerikaner mit Panzern und Infanterie in das Dorf ein. Sie kamen durch und um den Schlosspark herum die Straße von Zimmern herauf; zwei Panzer durchbrachen die starke nördliche Schlossmauer im Obstgarten. Andere stießen auf der Kützbrunner Straße vom „Simmelsberg“ herunter, auf das Dorf vor. Während des Angriffs zogen viele deutsche Soldaten sich in die nahe liegenden Waldstücke zurück oder ergaben sich.

Besonders am Dorfeingang, an der alten Straße nach Hofstetten, sowie im „Löhlein“-Wald und auf den angrenzenden Feldern kam es zum Nahkampf mit Handgranaten, Gewehren, Maschinenpistolen sowie -gewehren.

Am Tag nach der Einnahme von Messelhausen, am Donnerstag, 5. April 1945, hatte der amerikanische Kommandeur gedroht, durch Anforderung von Fliegern das ganze Dorf zu vernichten, falls der Widerstand der geflüchteten deutschen Truppen, die sich in den umliegenden Wäldern verschanzt hatten, nicht eingestellt würde.

Mut von Christoph Ziegler

Dem Mut und der Entschlossenheit des Einheimischen Christoph Ziegler, der sich freiwillig mit einer weißen Fahne auf den Weg machte, ist es zu verdanken, dass der Kommandeur seinen Befehl wieder zurückzog; wohl auch deshalb, weil der deutsche Widerstand merklich nachgelassen hatte.

Der Blutzoll nach Beendigung des Kampfes war erschreckend: Bei den Amerikanern gab es zehn Tote, die Deutschen hatten zwölf Soldaten zu beklagen. Einen außergewöhnlich hohen Tribut forderten die Kämpfe bei der Zivilbevölkerung: hier fanden fünf Erwachsene, sowie drei Kinder den Tod. Dazu kam noch eine große Anzahl an Verletzten. Unter den Opfern befand sich auch der von der Gemeinde hochverehrte Ortsbauernführer Georg Zehnter. Beim Eindringen der Amerikaner kam er in seinem Elternhaus durch tragische Weise ums Leben.

Was die Gebäulichkeiten betrifft, so wurden durch den Beschuss besonders die Dorfmitte, die Häuser an der Kirchholzstraße, der Gutshof, die „Zehnterscheuer“, das Schloss mit Park sowie die Kirche, die 15 Volltreffer erhielt, stark in Mitleidenschaft gezogen. Leider waren auch unter den Geschossen Phosphor-Brandgranaten, durch welche die Scheunen von Georg Zehnter, Heinrich Schweizer und Ludwig Krämer in Brand gesetzt und völlig zerstört wurden. Ebenso wurde der benachbarte Weiler Hofstetten übel zugerichtet. Es brannten insgesamt neun Wohnhäuser und neun Scheunen mit Stallungen ab. Eine Zivilperso kam dabei ums Leben.

Der Hof Marstadt blieb glücklicherweise vor Zerstörung und Brand bewahrt, obwohl sich dort der Bataillonsstab befand. Erwähnenswert ist vielleicht die Tatsache, dass gegen Ende des Zweiten Weltkrieges im ehemaligen Zobelschen Schloss – das einstige Augustinerkloster – das sogenannte „Weltpostinstitut“ (WPI) beheimatet war.

Unter dieser „getarnten Titulierung“ verbarg sich nichts anderes als eine Forschungsstätte des physikalischen Instituts der Universität Heidelberg, die kurzerhand im Herbst 1944 nach Messelhausen verlagert worden war, und in welcher zirka 20 Physiker fieberhaft an einer Isolierungsschicht für U-Boote arbeiteten, so dass diese nicht mehr geortet und versenkt werden konnten.

Der Leiter dieser Forschungsstelle war neben Dr. Wesch und Dr. Hirsch kein geringerer als der Nobelpreisträger und Mitentdecker der Röntgenstrahlen, Professor Philipp Lenard, der auch in Messelhausen seine letzte Ruhestätte fand. Die Kämpfe um Messelhausen sollen sogar, wie bei uns der Chronist überliefert hat, im Wehrmachtsbericht Erwähnung gefunden haben (Literaturnachweis: „Bericht um die Kämpfe bei Messelhausen“, Dietrich Samenfeld, Messelhausen, 18. Juni 1945).

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