Pfarrkirche Heilig Kreuz

Ein Schmuckstück des Barock

Neubau im April vor 300 Jahren verkündet. Dank erfolgreicher Kirchenrennovation strahlt das kunsthistorische Juwel auch im 21. Jahrhundert

Von 
Dr. Andrea Decker-Heuer
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Gerlachsheim. „Eine der schönsten und sehenswertesten Kirchen des daran sicher nicht armen Taubertales ist die ehemalige Klosterkirche des früheren Prämonstratenserklosters Gerlachsheim. Sie wurde am 17. September 1730 durch den aus Lauda stammenden Würzburger Weihbischof Dr. Bernhard Mayer geweiht und ist heute Pfarrkirche der katholischen Kirchengemeinde Gerlachsheim“– so der ehemalige Laudaer Bürgermeister Jürgen Ansel im Jahr 1990, in seinem Grußwort zum Abschluss der letzten umfassenden Kirchenrennovation (1976 bis 1990), zur „Einweihung des neuen Altars in der katholischen Pfarrkirche Heilig-Kreuz in Gerlachsheim am 9. September 1990“.

Kunstwerk braucht Pflege

Dank dieser Kirchenrenovierung unter der Leitung der Gerlachsheimer Restauratorenfamilie Bronold ist die Kirche Hl. Kreuz heute, wie vor 300 Jahren, ein Schmuckstück, ein Juwel, dessen Erhalt aber auch verpflichtet. Dr. Martin Ritter, im Jahr 1990 Pfarrer in Gerlachsheim, formulierte dies gegen Einwände folgendermaßen: „Eine so wertvolle Barockkirche, wie die unsere, muss auch so gehegt und gepflegt werden, dass sie ihren Wert behält und ausstrahlt. Wer würde einen wertvollen Diamanten in einfaches Blech fassen wollen?“ Die Last der Renovierung hätte sein Vorgänger Pfarrer Bruno Hennegriff (1975 bis 1989), zusammen mit der Pfarrgemeinde, getragen. Er jedenfalls wäre „unverhofft in den Genuss dieser schönen Kirche gekommen“, die nicht als Kunstwerk, sondern vor allem als ein Ort des Gebetes gebaut worden sei.

Bereits im Mittelalter hatte es an dieser Stelle eine Kirche für das dem Kloster Oberzell zugehörige Prämonstratenserinnenstift und die Gemeinde gegeben. Spuren dieser romanisch-gotischen Kirche waren bei der Kirchenrenovierung zutage getreten, man konnte erkennen, dass Fundamente und alte Steine für den Neubau wiederverwendet worden waren. Im Restaurierungsbericht heißt es dazu: „(Es) konnte bei der Abnahme des teilweise schadhaften Putzes festgestellt werden, dass beim Bau der barocken Kirche die Steine der romanischen Kirche und des gotischen Seitenschiffes mit verwendet wurden. So konnten farblich gefasste Teile von Gesimsen, Kapitellen, Gewölberippen . . . funden werden und sogar die Vierung des romanischen Baukörpers“. Wohl als einziges Überbleibsel der Ausstattung im Kircheninnenraum ist der mit einem Rundbogenfries geschmückte romanische Taufstein aus dem 13. Jahrhundert im rechten, südlichen Querhausarm anzusprechen, vielleicht einmal ein Säulenkapitell der mittelalterlichen Vorgängerkirche. Außerhalb der heutigen Kirche, an der Südseite, findet sich dann auch noch ein kreuzförmiger Schlussstein des Vorgängerbaus ausgestellt.

Die Dimensionen der Vorgängerkirche werden im Restaurierungsbericht ebenfalls angegeben: „Die romanische Kirche hatte zwei runde Westtürme von rund acht Metern Durchmesser. Die Türme standen im Bereich der heutigen Westfassade bzw. im Bereich unter der heutigen Orgelempore. Zwischen den Türmen nach Westen, etwas vorgelagert, eine kleine Vorhalle (Paradies). Die romanische Kirche bestand aus dem Mittelschiff, zwei Seitenschiffen, einem kleinen Querschiff, einer Ostapsis (Presbyterium) und zwei Nebenapsiden. Die romanische Kirche hatte eine Länge von etwa 38 Metern und eine Breite von rund 14 Metern, das gotische Seitenschiff (Süden) eine Breite von rund sechs Metern. Die Ostwand des linken Querschiffes ist noch aus romanischer Zeit.“

Auf den ersten Blick sind damit von außen die wesentlichen Unterschiede zur heutigen barocken Hl. Kreuz Kirche klar erkennbar: Die beiden barocken Türme flankieren heute im Osten die Choranlage und stehen nicht mehr im Westen, wo auch keine Vorhalle mehr zu finden ist. Stattdessen bildet dort eine typisch barocke Schaufront den Abschluss der Kirchenfassade im Westen. Auch der Apsisraum im Osten hat sich verändert. Es gibt einen langgestreckten Chorraum und keine zwei Nebenapsiden mehr wie noch bei der romanisch-gotischen Kirche.

Gründe für den Neubau

Angesichts dieser doch recht großen Vorgängerkirche stellt sich die Frage, warum im Jahr 1723 eine noch größere Kirche gebaut werden sollte. War sie baufällig geworden oder zu klein? Oder gab es noch andere Gründe für den Neubau? Im Pfarrarchiv Lauda findet sich eine wichtige Quelle, überwiegend in Latein, die diese Fragen zu beantworten scheint, das sogenannte Protocollum des Oberzeller Priors Christoph Hönniger (hier übersetzt): „Im Jahr 1723, am 2. April, hat der hochverehrte Herr Sigismundus, unser Abt, nach vielen Beratungen, eröffnet, dass er von Grund auf eine neue, sehr große Gerlachsheimer Kirche bauen wolle, weil die alte Klosterkirche der Prämonstratenser zu eng sei, kaum die Gerlachsheimer aufnehmen könne und, hinzugezählt, auch nicht die Kützbrunner. Der große Kirchenraum sei dann auch notwendig für die Oberzeller Religiosen in dem Priorat, das gleich daneben errichtet werde“ (S. 306). Am Rand der Seite findet sich der ergänzende Hinweis, dass noch im gleichen Monat mit dem Bau begonnen worden sei.

Abt Sigismund Hauck von Oberzell verweist hier also als Begründung für den Neubau auf die zu geringe Größe der alten Kirche, sowohl für die Pfarrgemeinde Gerlachsheim – die Kützbrunner wurden seelsorgerlich mitbetreut – als auch für das von Oberzell abhängige Priorat Gerlachsheim, das 1723 noch in jeder Hinsicht im Aufbau war. Erst ein Jahr später, am 18. April 1724, werden in einem Mandat des Abtes zur Errichtung des Priorats die Namen der ersten zehn Gerlachsheimer „patres et fratres“, der Priestermönche und Laienbrüder, genannt. Im Frühjahr 1721 hatte man in Gerlachsheim mit dem Neubau des Klosters begonnen, nachdem man zuvor über 20 Jahre lang beim päpstlichen Gericht in Rom gegen die Würzburger Bischöfe um die Rückgabe des Klosters prozessiert hatte, letztendlich erfolgreich. Diese Prozesse in Rom können als Höhepunkt eines seit 1558/1563 andauernden Streites der Oberzeller mit den Würzburger Bischöfen angesehen werden, als nämlich letztere sich die Rechtstitel gesichert und das zumindest bis zum Bauernkrieg (1525) prosperierende Gerlachsheimer Prämonstratenserinnenstift aufgelöst hatten. Die Einkünfte aus Gerlachsheim aber flossen weiterhin, jetzt allerdings in den bischöflichen Haushalt.

Angesichts der hohen Prozesskosten und der lange entzogenen Einkünfte aus Gerlachsheim erscheint die Entscheidung von Abt Sigismund Hauck, auf Anraten von Pater Georg Fasel, zu der Zeit Verwalter des Oberzeller Klosters in Gerlachsheim, sehr erstaunlich: Er wolle für den Kirchenneubau keine Abgabe von den Gerlachsheimer Untertanen fordern, vielmehr auf den „zukünftigen göttlichen Segen“ vertrauen, „zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen“. Im Raum stand offenkundig „eine ordentliche Summe Geld“ für die „neue kostspielige Kirche“ Diese Summe sei für die Gerlachsheimer zu hoch, so Pater Fasel, vor allem sei auch „ Protest und Widerstand der Untergebenen“ zu erwarten, „der vielleicht sogar von kirchlichen Autoritäten unterstützt würde, zu unserem großen Verdruss und Schaden.“ Diese letzte Bemerkung erweckt den Anschein, als sei die Stellung der Oberzeller in Gerlachsheim immer noch nicht hundertprozentig gesichert, trotz der in Rom gewonnenen Prozesse. Um so mehr musste jetzt ein Zeichen gesetzt werden, ein architektonisches Siegeszeichen. Und dies war bereits nach fünf Monaten sichtbar. Schon am 8. September 1723 konnte nach Oberzell gemeldet werden, dass „mit göttlicher Hilfe“ der Neubau der Kirche sehr gut vorangeschritten sei, dass „der Tagstuhl auf der neuen Kirche schon de facto seye aufgeschlagen und alsobald daß völlige Tag werde bedeckt werden“.Nach diesen guten Anfängen scheint es dann aber doch zu Bauverzögerungen gekommen zu sein, denn die Weihe der Kirche erfolgte erst sieben Jahre später, im Jahr 1730.

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