Erinnerung

Angesehener Kaminfegermeister

Konrad Ziegler starb vor 100 Jahren in Gerlachsheim

Von 
Manfred Beger
Lesedauer: 
Kaminfegermeister Konrad Ziegler war ein angesehener Bürger. Er starb vor 100 Jahren in Gerlachsheim. © Sammlung Manfred Beger

Gerlachsheim. An Heiligabend 1924: Vor 100 Jahren starb in Gerlachsheim der Kaminfegermeister Konrad Ziegler. Er war ein der Gemeinde angesehener Bürger.

Ein Blick auf seine Lebensgeschichte: In der Mühlengasse in Gerlachsheim kommt 1847 Konrad, der erste von fünf Söhnen, der Eheleute Josef Ziegler und dessen Frau Maria, geborene Diehm, zur Welt. Die Familie lebt in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Das karge Einkommen verdient sich Josef Ziegler als Häcker. Nebenbei bewirtschaftet er eine eigene Landwirtschaft. Diese reicht jedoch nur für die Selbstversorgung.

Als Josef Ziegler 1866 im Alter von 46 Jahren stirbt, erstellt das „Grosherzogliche Amtsgericht Gerlachsheim“ die Teilungsurkunde. An dieser ist abzulesen, in welchen Vermögensverhältnissen die Familie lebte. Denn in besagter Urkunde findet sich unter Punkt 1 „Kleider des Erblassers“ nur 17 Kleidungsstücke und wie zum Beispiel „1 dunkelgrauer Rock, 1 alter Hut, 2 Socken, 1 Halstuch, 1 Sacktuch, 1 Paar Schuhe, 1 Paar Stiefel“ usw.

Mehr zum Thema

Kirchengemeinden Kembach und Dietenhan

„Stallweihnacht“ der besonderen Art war ein Erlebnis

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Der älteste Sohn, Konrad Ziegler, lebt zu diesem Zeitpunkt in Walldürn. Er hat das Kaminfeger-Handwerk gelernt und hat somit ein geregeltes Einkommen. 1868 tritt Konrad Ziegler in Mannheim einen dreijährigen Militärdienst an. Dann kommt das Jahr 1870/71 und er zieht mit in den Krieg gegen Frankreich. Der Krieg, der von Deutschland rasch gewonnen wird, beschert ihm Anerkennung und Orden.

Zurück in seinem Beruf, macht Konrad Ziegler nun die Kaminfeger-Meisterprüfung. Mit einem ordentlichen und geregelten Einkommen beschließt er, 1874 eine Familie zu gründen. Aber er, der als Kind die Armut erlebt hatte, möchte kein unvermögendes Mädchen heiraten. Mit der Unterstützung eines „Schmüsers“ heiratet der inzwischen 27-Jährige die 17-jährige Maria Walburga Schürer aus Königshofen. Diese bringt eine ordentliche Mitgift mit in die Ehe.

1877 zieht Konrad Ziegler mit seiner Familie von Walldürn wieder nach Gerlachsheim. Er bekommt in Gerlachsheim einen eigenen Kehrbezirk, der auch viele Nachbargemeinden beinhaltet. Durch Handel, den er neben seiner Berufstätigkeit zusätzlich betreibt, verdient er weiteres Geld.

Um 1900 wächst auch in Gerlachsheim das Interesse an den neu erfundenen Nähmaschinen. 1903 bekommt Konrad Ziegler vom Großherzoglichen Amtsgericht Tauberbischofsheim die Eintragung seiner Nähmaschinenhandlung. Mit diesen und weiteren Einnahmequellen erarbeitet er sich ein ansehnliches Vermögen.

Auch Schiffspassagen für Auswanderer nach Amerika kann man bei Konrad Ziegler erwerben. Er hat nun genügend Geld, das er auch verleihen kann. Seine Frau Maria bekommt nach 22 Ehejahren das 13. Kind. Es wird auf den Namen Maria getauft. Bei der Geburt des Mädchens stirbt die Mutter im Alter von 41 Jahren.

Ein halbes Jahr später heiratet der inzwischen 51-jährige Witwer die 21-jährige Emma Leitz, die Tochter seine Nachbarn, Lindenwirt Otto Leitz. Bis zum Jahr 1900 kommen drei Kinder des Paars zur Welt.

Der wohlhabende Konrad Ziegler hatte auch viel Geld auf die hohe Kante gelegt. Allen seinen Kindern gab er bei deren Hochzeit eine ordentliche Mitgift.

Die Entscheidung, die er 1914 trifft, sollte allerdings gravierende Folgen nach sich ziehen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, glaubt der 66-Jährige an den Staat und an die Versprechen der Obrigkeit. Er gibt dem deutschen Kaiser fast seine ganzen Geldrücklagen als „Kriegsanleihen“. Er rechnet wie viele andere mit einer guten Verzinsung. Im November 1918, einen Monat vor Konrad Zieglers 71. Geburtstag, ist ihm jedoch klar, dass es keine Zinsen geben und sein Geld nicht wiedersehen wird.

Ziegler ist immer noch Kaminfegermeister mit dem Bezirk Gerlachsheim. An Ruhestand ist jetzt nicht mehr zu denken. Es liegen noch mühsame Arbeitsjahre vor ihm. Anfang 1924 macht sein Körper nicht mehr alles mit. Ziegler hat einen Gehilfen eingestellt, der jetzt die Kamine kehrt. Im Frühsommer bekommt der 76-Jährige eine Grippe und danach eine Folgeerkrankung in den Beinen. Er kann wochenlang die Arbeit seines Gehilfen nicht überwachen. Das Badische Bezirksamt Tauberbischofsheim will ihm deshalb die Kaminfeger-Zulassung entziehen.

„Die Zwangsinnung für das Kaminfegergewerbe in Mannheim“ stellt sich jedoch hinter Konrad Ziegler. Sie widersprechen der Behauptung, dass dieser die Arbeit seines Gehilfen nicht vorschriftsmäßig überwache. Weiter erklärt sie: „Meister Ziegler ist wohl auch seiner früher gemachten Ersparnisse verlustig geworden und er wäre an seinem Lebensabend existenz- und brotlos“. In einem anderen Schreiben vom November 1924 erklärt die Innung, dass sie eine Beschwerde an das Staatsministerium richten werde, wenn ihre Sichtweise bezüglich Konrad Ziegler nicht Berücksichtigung findet.

Am 24. Dezember 1924 stirbt Konrad Ziegler, vier Tage nach seinem 77. Geburtstag.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten