Külsheim. Die großen Türen des Hauptportals von Sankt Martin stehen an diesem Morgen weit offen. Der Teppich, der sonst in der Kirche liegt, hängt über dem Steingeländer vor dem Eingang. Im Innern der Külsheimer Stadtkirche riecht es nach Möbelpolitur und zitronenfrischem Wischwasser. In einer Ecke stehen mehrere Besen und Mops. Einmal im Jahr wird Sankt Martin so richtig auf Vordermann gebracht.
Ein Dienst an der Gemeinschaft
An diesem Donnerstag sind Conny Steinbach, Emma Pahl und sieben weitere Frauen schon seit 8 Uhr aktiv. Bänke werden abgewaschen, Steinfiguren von Spinnweben befreit, Teppiche abgesaugt. Es wird gekehrt und gewischt und die Bänke werden neu eingeölt. Die Buntglasfenster sollen an einem anderen Tag gereinigt werden. Alle Frauen haben sich freiwillig bereit erklärt, an dieser Putzaktion teilzunehmen. Einige Tage vorher erfolgte ein Aufruf im Külsheimer Stadtblatt und im Pfarrblatt. Und doch sind es meist dieselben Frauen, die der Gemeinschaft einen Dienst erweisen, indem sie ihre Freizeit opfern, um unentgeltlich zu putzen. Die meisten von ihnen gehören der Kirchengemeinde oder der Frauengemeinschaft an, oder sie besuchen oft die Kirche.
Auffällig ist, dass es sich bei den Freiwilligen ausschließlich um Frauen handelt. „Es waren noch nie Männer dabei“, ruft eine der Damen. Die anderen müssen lachen. Dabei wäre es gar nicht schlecht, wenn für manche beschwerliche Arbeit ein Mann dabei wäre, ist sich das Grüppchen einig.
Hoch oben auf der Leiter
Sandra Wollny ist es, die an diesem Morgen hoch auf die Leiter klettert, um den Seitenaltar von Staub zu befreien. Hin und wieder muss sie sich ganz schön strecken, um alle Stellen zu erwischen. Sie ist mit Abstand die Jüngste in der Runde. Um an dieser Putzaktion teilnehmen zu können, hat die junge Frau extra Urlaub genommen. „Meine Mutter und die anderen Frauen trauen sich halt nicht mehr, so hoch auf die Leiter zu steigen. Deshalb hat mich meine Mama gebeten, zu helfen. Das war vor drei Jahren. Seitdem bin ich immer dabei, fühle mich wie ein Youngster und freue mich vor allem, wenn ich die Frauen bei dieser Arbeit unterstützen kann“, erzählt die Külsheimerin. Über ihre Motivation sagt sie: „Ich gehe häufig zur Kirche und habe vor einem halben Jahr den Lektorendienst von meiner Mama übernommen.“ Als man sie um Unterstützung gebeten hat, war für Sandra Wollny klar, sie hilft. Ihre Mutter Emma Pahl arbeitet nur wenige Meter entfernt. Sie wischt gerade den Boden im Altarraum.
Im Kirchenschiff hantiert Conny Steinbach mit einem großen Lappen. Sie ölt die Bänke ein. „Ich mache schon viele Jahre mit. Früher war ich im Vorstand der Pfarrgemeinde, da war es ein Anliegen, einmal im Jahr die Kirche zu putzen. Diesen Dienst mache ich nun einfach weiter.“ Nach einem kurzen Moment setzt sie fort: „Ich bin jeden Sonntag hier in dieser Kirche und möchte eine saubere Kirche haben. Deswegen bin ich dabei geblieben.“ In einer sichtbar gepflegten Kirche fühle man sich schließlich wohler, sagt sie. Aus diesem Grund ist die Putzaktion in ihren Augen wichtig. „Einmal im Jahr kann man sich doch die paar Stunden Zeit nehmen“, sagt Conny Steinbach mit etwas Nachdruck in ihrer Stimme. Meist wird bis 12 Uhr zügig gearbeitet. Eine kleine Vesperpause darf trotzdem nicht fehlen.
Mit Herzblut dabei
Auf die Frage, ob sie nicht Angst haben, bei den vielen wertvollen Devotionalien, die gesäubert werden, etwas kaputtzumachen, lacht eine der Frauen. „Wir passen schon auf“, winkt sie ab und widmet sich wieder ihrer Arbeit. „Außerdem sind wir über die Pfarrgemeinde versichert“, weiß Emma Pahl.
Ein paar Bänke hinter Conny Steinbach arbeitet Gisela Trunk. Auch sie ist in der Frauengemeinschaft und seit Jahren schon dabei. „Ich mache das zur Ehre Gottes“, sagt sie und kippt dabei wieder etwas Öl auf den Lappen. Doch dann schaut sie noch einmal auf: „Wir werden immer weniger, die an der Putzaktion teilnehmen. Aber die, die mitmachen, die machen es mit Herzblut“, sagt Steinbach. Die Frauen ringsherum nicken und arbeiten weiter.
Die katholische Stadtkirche Sankt Martin
- Das Turmuntergeschos s war Teil der Stadtmauer und stammt aus dem 13. Jahrhundert.
- Der Chor ist spätgotisch mit einem Netzrippengewölbe und Schlussstein von 1497.
- Reich geschmückte Haupt- und Nebenaltäre zieren das Innere der Kirche.
- 1953/54 erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg der Neubau des Langhauses .
- Ein Gedenkstein erinnert an den Jesuitenpater Alois Grimm , der am 11. September 1944 vom NS-Regime hingerichtet wurde.
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