Külsheim. "Ich geh mol schnell zum Lawo!" - Das war und ist in Külsheim über Generationen hinweg ein geflügeltes Wort, wenn es in der Stadtmitte Einkäufe zu erledigen galt oder gilt. Der Laden im Zentrum der Brunnenstadt hatte offen, wenn manche Lebensmittel fehlten, die im früher landwirtschaftlich geprägten Külsheim nicht zur Verfügung standen, oder sonstige Dinge des täglichen Bedarfs oder zuletzt eben Schreibwaren oder Bastelbedarf. Nach über 300 Jahren im Familienbesitz schließt eines der ältesten Geschäfte in Külsheim zum Jahresende.
Die Vorfahren der Familie Lawo kommen aus Savoyen und wurden im 17. Jahrhundert aus Glaubensgründen von dort vertrieben. Ein Mann mit dem Namen Sebastian Lavore landete schließlich in Küls-heim, die Kirchenbücher verraten, dass er sich 1688 verehelicht hat. Der Nachname wurde der deutschen Zunge angepasst und so entstand der Name Lawo.
Es ist davon auszugehen, dass die Träger dieser Linie Lawo allesamt Kaufleute waren. In den Kirchenbüchern steht auch, wie die Geschäftsinhaber nacheinander hießen, stets übernahm ein Sohn vom Vater: Sebastian, Franz Nicolaus, Johann Peter, Philipp (Stadtbürgermeister), Franz Joseph (Stadtrat), Philipp Carl (Bürgermeister), Franz Otto, Robert, Leo und schließlich ab 1981 Erich in der nun zehnten Generation derer mit dem Nachnamen Lawo, die in Külsheim auch ein Stück Heimat- und Kulturgeschichte schrieben.
In den Aufzeichnungen der Familie Lawo oder in anderen Publikationen lässt sich manch Interessantes zur Geschäfts- und/oder Stadtgeschichte lesen. So sind die Kaufleute Lawo Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Pferdefuhrwerk nach Würzburg gefahren, um Zucker, Salz und Sonstiges in Zwei-Zentner-Säcken zu kaufen. Dies wurde dann eben in Portionen pfundweise oder grammweise abgewogen und verkauft. Das Geschäft selbst nannte sich über Generationen hinweg Kolonialwarenladen, weil es Lebensmittel aus den Kolonien gab wie zum Beispiel Pfeffer, Nelken, Rosinen, Zitronen, Feigen oder Datteln.
Die Familie Lawo erlitt im Jahr 1865 einen schweren Schicksalsschlag, als in der Nacht vom 21. auf den 22. September das ganze Viertel im Bereich von Hauptstraße/Spitalstraße bis auf die Grundmauern niederbrannte, insgesamt 20 Gebäude. Schon in darauf folgenden Jahr baute der Kaufmann Philipp Lawo ein neues Haus an gleicher Stelle, so ist in Chroniken zu lesen "ein schönes Haus, zwei Stockwerke hoch, ganz aus Stein, mit neuer Scheuer, Stall und zwei gewölbten Kellern". Im Krieg von 1866 ließ der preußische General Edwin von Manteuffel sein Pferd an einer Stahlstütze im Laden anbinden, um dann im nahen Rathaus vorzusprechen.
Bei "Lawo", so steht es in der Familienchronik, gab es außer Lebensmittel diverse landwirtschaftliche Bedarfsartikel wie Striegel für Vieh und Pferde, Wagenschmiere, Lederfett, Maschinenöl, Stinköl als Fliegenschutz für die Tiere, Riemen und Baumwachs, "Strickli" für Kälber und Schweine, Erntestricke, Zugstränge, Peitschen und Treibschnur. Hinzu kamen landwirtschaftliche Geräte wie Rechen, Harken, Gabeln, Sicheln, Sensen, Platzen, Ketten, Drahtzaun, Kartoffeldämpfer, Maulkörbe, Nägel, Schrauben und noch vieles mehr.
Zuerst war der Laden ein größerer Raum mit dem Eingang hin zur Hauptstraße, der jetzigen Fußgängerzone. Dann ist ein Raum hinzugekommen, dann noch einer. Das Warenlager befand sich im oberen Stock. In das "Wor-Zimmer" (Warenzimmer im Sinne von Lager) haben die Lawos erst mal alles rauf getragen, dann wieder in den Laden herunter, um die Regale nachzufüllen. Robert Lawo, Großvater des jetzigen Geschäftsinhabers Erich Lawo, war mit dem eigenen Pferdefuhrwerk nach Tauberbischofsheim und Bronnbach gefahren, um am jeweiligen Bahnhof Ware abzuholen. Eine Generation später in den 1950er Jahren fuhr Leo Lawo mit dem Motorrad und Rucksack jede Woche nach Würzburg, um Haushalts-, Schreib- und Eisenwaren zu holen.
Die Ladenöffnungszeiten vor und nach dem zweiten Weltkrieg gingen bis abends um 21 Uhr, monatlich gab es einen verkaufsoffenen Sonntag. Dann holte man auch mal Heringe aus einem großen Fass, manche brachten gleich Suppenschüsseln mit, um zu den Heringen auch reichlich Brühe für die Kartoffeln mitzunehmen. Ganze Generationen von Waagen und Kassen haben das Geschäftsleben "beim Lawo" mit begleitet. Die Familie hatte auch eines der ersten Telefone in Külsheim, das Geschäft war ab den 1950er Jahren Mitglied bei Edeka.
Das Geschäft der Familie Lawo wurde mehrfach erweitert. 1979 kam es nach dem Kauf der Nachbarscheune zu einem Neubau mit einer Verbindung zum alten Laden. 1981 war Eröffnung mit Verkaufsräumen auf dann zwei Etagen mit neuen Fachabteilungen wie Schreibwaren und Bastelartikel und dem neuen Eingang von der Spitalstraße her, so eingerichtet zur Entlastung der engen Hauptstraße. Lebensmittel gab es bei Lawo keine mehr ab Ende des Jahres 2000, das Geschäft bestand seither nur noch im oberen Stockwerk. Und auch diese Ära endet am Samstag, 31. Dezember 2016.
Margarete Lawo sagt über ihren Mann: "Erich ist mit Leib und Seele Kaufmann. Er liebt seinen Beruf wie sein Vater Leo und wohl alle Kaufleute Lawo seit 325 Jahren." Sie alle haben über ein Vierteljahrtausend Stadtgeschichte von Külsheim mitgeprägt. hpw
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