Külsheim. Der Große Markt ist seit jeher ein Höhepunkt im Festkalender der Stadt. Am Sonntagvormittag stand beim traditionellen politischen Frühschoppen die große Politik im Mittelpunkt. Rund um Weißwürste, Brezeln und ein zünftiges Frühschoppenbier lauschten zahlreiche Besucherinnen und Besucher im Festzelt der Rede von Dr. Achim Brötel, Präsident des Deutschen Landkreistags und Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises. Seine klaren Worte zu den Problemen der öffentlichen Haushalte und der Rolle der Kommunen trafen den Nerv der Zeit.
Bürgermeister Thomas Schreglmann begrüßte die Gäste und sprach offen über die finanzielle Lage der Stadt. „Auch wir in Külsheim stehen vor großen Herausforderungen in ziemlich unruhigen Zeiten. Unsere Stadtkasse ist endgültig leer“, so der Rathaus-Chef. Man habe die Rücklagen der vergangenen Jahre vollständig aufgebraucht und auch diesmal wieder Schulden machen müssen. Gleichwohl seien die Investitionen der vergangenen Jahre gut angelegt gewesen, „doch die kommenden Jahre werden mager werden.“ Angesichts von drei Jahren Rezession in Deutschland, Rekorddefiziten bei Städten, Kreisen und Gemeinden und einer alternden Gesellschaft seien die Kommunen doppelt gefordert.
Kein Erkenntnisproblem, sondern Handlungsproblem
Dr. Achim Brötel griff diese Vorlage auf. „Wir wissen alle sehr genau, wo die Probleme liegen. Aber wir handeln zu wenig. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem“, betonte er gleich zu Beginn. Besonders kritisch äußerte er sich zur wachsenden Bürokratie. „Wir versinken in einer Flut von sinnlosen Verordnungen. Laut ifo-Institut kostet uns die Bürokratie jährlich 146 Milliarden Euro – Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht wird.“
Ein Schwerpunkt seiner Rede waren die kommunalen Finanzen. Seit 2022, so Brötel, gebe es nur noch negative Entwicklungen. 2024 habe das Defizit der Kommunen bereits bei 24,8 Milliarden Euro gelegen, in diesem Jahr werde es voraussichtlich 35 Milliarden betragen. „Das merken wir hier vor Ort gewaltig“, sagte er. Seit 27 Jahren sei er kommunalpolitisch aktiv, und „seitdem ist es für die kommunale Seite eigentlich immer schlechter geworden – aktuell ist es besonders dramatisch.“
„Die Bundespolitik schönt ihren Haushalt“
Brötel machte deutlich, dass die Finanzlage der Kommunen kein Randthema sei: „80 Prozent aller Verwaltungsdienstleistungen werden in Rathäusern und Landratsämtern erbracht. Wenn wir nicht handlungsfähig bleiben, spürt das jeder Bürger.“ Er kritisierte die zunehmende Verlagerung von Aufgaben durch den Bund: „Die Bundespolitik schönt ihren Haushalt, indem sie Leistungen auf Städte und Gemeinden abwälzt.“
Seine Forderung war eindeutig: eine nachhaltige Stärkung der kommunalen Finanzen. „Eine Verdreifachung der Einnahmen aus der Einkommenssteuer für die Kommunen wäre notwendig. Es wird nicht reichen, wenn wir Kosten nur umverteilen“, so Brötel. Auch eine Reform des Sozialstaates sei überfällig. „Würde die Welt wirklich untergehen, wenn wir bei der integrierten Teilhabe etwas mehr pauschalieren?“, fragte er provokant. Mit Blick auf das Bürgergeld erklärte er: „Nicht die Totalverweigerer sind das Problem, sondern die Terminverweigerer.“
Stadt Külsheim hat deutliches Zeichen gesetzt
Besondere Sorgen bereitet Brötel die Entwicklung im ländlichen Raum. Viele Wohnungen stünden leer und müssten endlich bewohnbar gemacht werden. Zugleich begrüßte er ausdrücklich die Bemühungen Külsheims, erneut Bundeswehrstandort zu werden: „Das ist ein wichtiges Signal und zeigt, dass man hier die Chancen sieht und anpackt.“ Damit habe die Stadt Mut bewiesen und ein deutliches Zeichen gesetzt.
Unterstützung erhielt Brötel von Landtagsvizepräsident Professor Dr. Wolfgang Reinhart. „Ich kann jeden Satz von Achim Brötel unterstreichen. Es ist wichtig, dass wir handlungsfähige Kommunen haben. Wir müssen uns wieder auf unsere Stärken besinnen“, erklärte er. Viele Besucher nickten zustimmend und machten deutlich, dass die Botschaften im Festzelt Gehör fanden.
Die Gäste quittierten die Worte mit kräftigem Applaus. Manche diskutierten anschließend angeregt weiter, andere genossen das Weißwurstfrühstück. In den Gesprächen wurde deutlich, dass die finanziellen Sorgen der Kommunen auch die Menschen in Külsheim direkt bewegen.
Für die musikalische Begleitung des Frühschoppens sorgte die Musikkapelle Külsheim unter der Leitung von Christoph Wolpert. Sie schaffte eine festliche, aber zugleich lockere Atmosphäre. Passend zu den Worten Brötels, der den Gästen abschließend „weiterhin so einen fröhlichen Großen Markt bis Mitternacht“ wünschte, kam sogar die Sonne heraus. Viele nahmen das als gutes Omen, dass nach ernsten Debatten auch die heiteren Seiten des Lebens ihren Platz haben.
Richtigen Worten müssen Taten folgen
Im Schlusswort brachte Bürgermeister Thomas Schreglmann die Stimmung auf den Punkt: „Dr. Achim Brötel hat die richtigen Worte gefunden – jetzt müssen nur noch die Taten folgen.“ Damit endete ein politischer Frühschoppen, der den Gästen die Ernsthaftigkeit der Lage vor Augen führte, zugleich aber auch Hoffnung auf Veränderungen weckte. Der Große Markt in Külsheim zeigte sich damit einmal mehr als Ort der Begegnung – nicht nur für Freunde und Familien, sondern auch für die politische Debatte mitten in der Gesellschaft.
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