Külsheim
Am Arbeiten sind die Teilnehmer einer Arbeitsgemeinschaft (AG) der Pater-Alois-Grimm-Schule (PAGS), ihr Lehrer Matthias Christ und Kreisforstmann Hans-Peter Scheifele. Ihm haben die Jugendlichen diesen Unterrichtstag der anderen Art zu verdanken. Denn der Forst-Experte hat für den Landkreis Main-Tauber ein Waldpädagogikkonzept ausgearbeitet. Mit dem wiederum werden in der Region die Vorgaben der Landesregierung umgesetzt. Demnach sollen ein Drittel aller Kinder im Laufe ihres Schullebens zweimal an einem waldpädagogischen Angebot teilnehmen.
Erfahrungen sammeln
„Der Landkreis unterstützt diese Initiative gerne“, betont Forstamtsleiter Karlheinz Mechler. Das Land sorge auch für die Finanzierung des Projekts. Voll des Lobes ist der Amtsleiter für das von Scheifele ausgearbeitete Angebot. Nun müsse man Erfahrungen sammeln. Eine Ausweitung auf weitere Kommunen wäre zwar wünschenswert. Aufgrund begrenzter Finanzmittel sei die Aktion momentan allerdings auf drei Schulwälder begrenzt.
„Der Wald ist ein faszinierender Lernort“, schwärmt der zertifizierte Waldpädagoge Hans-Peter Scheifele im Gespräch mit den FN. Damit Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene diesen altersgemäß kennenlernen und erforschen können, hat er ein eng mit dem Lehr- und Bildungsplan verzahntes Konzept erarbeitet.
Dieses ist in drei Ebenen eingeteilt: Für die Kleinsten bildet der Waldpädagoge des Landkreises in Zusammenarbeit mit der Schule für Ernährung, Pflege und Erziehung in Bad Mergentheim sowie der Euro-Akademie in Tauberbischofsheim Erzieherinnen und Erzieher in zwei Workshops zu Multiplikatoren aus. Die Grundschüler werden von den Revierleitenden betreut. Die dritte Ebene umfasst Haupt-, Real-, Gemeinschafts-, Förder- und Berufliche Schulen sowie Gymnasien. Hier ist auch eines der „Leuchtturmprojekte“ der Waldpädagogik des Landkreises angesiedelt: der Schulwald. In den Genuss solch eines „Freiluft-Klassenzimmers“ kommen vorerst Achtklässler der PAGS und der Realschule in Creglingen. Die Einrichtung eines weiteren Schulwalds ist mit dem Lernhaus Ahorn vorgesehen. Somit sind Schulen im Norden, Süden und in der Mitte des Landkreises in das Projekt einbezogen.
Das Bewusstsein für den Wald bei den Kindern zu stärken, ist Ziel von Scheifeles Konzept. Vermitteln möchte er zudem, dass „man eine Sache nicht ausplündert, sondern sie pflegt und schätzt“. Kurzum: Sie sollen „Nachhaltigkeit lernen“.
Verantwortung für die Zukunft
Der Kreisforstmann: „Bei dem Projekt haben die Schüler eine große Entscheidungsfreiheit, aber auch Verantwortung für die Zukunft.“ Sie erhalten den Wald überantwortet und müssen ihn im nächsten Schuljahr an ihre Nachfolger „in einem guten Zustand“ weitergeben. Scheifele: „Dabei steht über allem das große Wort Nachhaltigkeit. Das heißt, ich entnehme aus einem System nicht mehr, als nachwächst.“ In der Theorie sei alles oft ganz leicht, betont der Waldpädagoge. Wenn man das Gelernte aber in der Praxis ausprobieren könne, „dann hat das eine ganz andere, bessere Qualität.
Damit die Schüler das Ganze in der Natur umsetzen können, hat zur Freude Scheifeles die Stadt Külsheim der PAGS ein drei Hektar großes Waldstück im Distrikt „Taubenloch“ übereignet. Bürgermeister Thomas Schreglmann steht voll hinter der Aktion. Denn es sei wichtig zu sehen, wie theoretisches Wissen im echten Leben angewendet wird. Zudem sei gut, dass die Schüler den Wald in all seinen Formen intensiv kennenlernen. Dadurch ergebe sich eine Wertschätzung der Natur. Das Konzept passe gut zur PAGS, zumal es hier bereits ab der fünften Klasse „zur Vorbereitung aufs Leben“ Berufspraktika gebe.
Spaß an der Arbeit
Wie auch im Berufsalltag wird von den Achtklässlern in der Arbeitsgemeinschaft einiges gefordert. Denn neben den wöchentlichen beiden AG-Stunden stehen für sie in diesem Schuljahr noch sieben „Waldtage“ im „Taubenloch“ auf dem Stundenplan. Der Stoff, den sie dabei im „normalen“ Unterricht versäumen, müssen sie nachholen. Doch das macht der agilen Truppe nichts aus, wie drei der Jungs versichern. Und auch die anderen sehen beim ersten „Waldtag“ nicht so aus, als hätten sie keinen Spaß an der Arbeit.
Die „Waldtage“ des pädagogischen Projekts
Das von Kreisforstmann Hans-Peter Scheifele gemeinsam mit Achtklässlern der Külsheimer Pater-Alois-Grimm-Schule umgesetzte waldpädagogische Projekt sieht vor, dass die Schüler sieben „Waldtage“ absolvieren. Die dabei zu bearbeitenden Aufgaben haben stets eine „Verbindung zum Lernen in der Schule“, betont der Initiator.
Im Oktober steht der so genannte „Inventurtag“ auf dem Lehrplan. Es geht es um die Vermessung des Schulwalds und die Bestandsaufnahme. Dabei sind Mathematik-Kenntnisse gefragt.
Der „Durchforstungstag“ im November ist quasi ein kleines Berufspraktikum. „Da wird gearbeitet“, betont Scheifele. Dabei können die Schüler sehen, ob ihnen „das Zupacken liegt“ oder ob sie gerne mit Holz arbeiten. Die Jugendlichen müssen angesichts von Vitalität, Stabilität und Wert entscheiden, welcher Baum weichen muss, damit der „Zukunftsbaum“ besser wachsen kann. Dann legen die Achtklässler beim Fällen Hand an.
Im Januar bringt die Gruppe das Holz zur Schule, um daraus im Fach Werken und Technik beispielsweise eine Bank, Stuhl oder Zaun zu bauen.
Beim „Forschertag“ im März werden die im Fach Physik theoretisch erlernten Hebelgesetze beim Bewegen eines Baumstamms in die Praxis umgesetzt.
Kunstunterricht der etwas anderen Art gibt es beim „Kreativtag“ im Mai. Dabei schaffen die Schüler verschiedene Skulpturen aus Holz.
Beim „Wunschtag“ im Juni dürfen sich die Jugendlichen aussuchen, was getan und mit welchem Fachlehrer dabei zusammengearbeitet wird. Das Spektrum, so Scheifele reiche vom Rezitieren von Gedichten beim Waldbaden bis zum „Bau“ eines Steinbruchs im Forst.
Im Juli ist der große „Übergabetag“ geplant. Dabei werden die Schüler der AG den Staffelstab symbolisch an die nächste Gruppe weitergeben und der ganzen Schulfamilie die in den vergangenen Monaten erstellte Projekt-Dokumentation vorstellen.
Nach den Sommerferien beginnt der „Waldtag“-Kreislauf von vorne. „So geht das dann immer weiter. In zehn Jahren kann man zurückblicken und sagen, der Schulwald der PAGS hat sich entwickelt.“ su
„Ich find’s super. Man kann selbst was anpacken und lernt unheimlich viel“, sagt Tim Niethammer und strahlt dabei. Als Downhill-Fahrer sei er öfters im Wald unterwegs. Der Forst interessiere ihn, betont er. „Wir wollen raus in die Natur. Hier kann man etwas erforschen“, begründet Niklas Martin seine Teilnahme an der AG. Hier sehe man, dass man das theoretisch Gelernte in der Praxis brauchen kann. „Der Einsatz rentiert sich.“ Tobias Borst, dessen Familie selbst ein kleines Waldstück besitzt und die Arbeit im Wald mag, gefällt es, selbst anpacken zu können. Schön sei „abends zu sehen, was man geschafft hat“.
Begeistert ist auch Matthias Christ, Lehrer für Mathematik und Geografie. „Es ist etwas Einmaliges, dass man einen Schulwald hat“, freut er sich für die PAGS und seine AG. Beeindruckt ist er auch vom Engagement der Schüler und davon, wie geschickt sie beim Vermessen des Schulwald-Areals mit Maßband und Markierungsstäben umgehen.
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