Junge Segelfliegerin - Flugschülerin steuert bereits im Alleingang ein Segelflugzeug / Leidenschaft von Eltern geerbt

14-jährige Marie geht in die Luft

Von 
Günter Reinwarth
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Marie Ostrowski ist erst 14 Jahre alt und sitzt bereits alleine im Cockpit eines Segelflugzeugs. Die Flugleidenschaft liegt bei ihr im Blut.

Altfeld. Über der Wiese am Rande des Eichholz-Waldes duftet es nach frisch gemähtem Gras. Am Himmel über dem Vorspessart „stehen“ dicke Cumulus-Wolken – Wolken, die Segelflugzeuge mit thermischen Aufwinden himmelwärts ziehen. Im Funkgerät am Flugleitertisch ist es relativ ruhig an diesem Schönwetter-Tag. Der Flugleiter musste bislang nur wenige Starts und Landungen beaufsichtigen.

„Bei Esselbach liegt ein Segelflugzeug auf dem Acker!“, meldet sich plötzlich eine Piloten-Stimme aus dem Äther. Fluglehrer Jürgen Denk wird hellhörig, als er die Nachricht von der Außenlandung hört und hofft im gleichen Atemzug: „Das wird doch nicht unsere Marie sein?“ Er hat die 14jährige Flugschülerin vor gut zwanzig Minuten in den Himmel geschickt. Ihr Auftrag: Sie soll in Flugplatznähe nach thermischen Aufwinden zu suchen.

„Delta drei-fünf von Altfeld, bitte kommen!“, ruft Denk die junge Pilotin über Funk und erkundigt sich nach der aktuellen Position. Als ihm Marie mitteilt, dass sie achthundert Meter über Esselbach kreist, ist der Fluglehrer erleichtert. Der Segler am Boden hat nichts mit der Atlfelder Flugschülerin zu tun.

Minuten später sieht das kleine Pilotenteam am Flugleiter-Tisch im Westen des Flugplatzes einen Segler unter einer dicken Wolke im Aufwind kreisen.

„Da ist ja unsere Marie!“, kommentiert Jürgen Denk zufrieden die Entdeckung. Im Stillen weiß er freilich, dass sein fliegender Schützling im Segler-Cockpit einen guten Job macht. Marie Ostrowski wurde quasi Fliegerblut in die Wiege gelegt. Sie durfte von klein auf mit Vater Horst und Mutter Katja an vielen Sommer-Wochenenden die Welt des Segelflugs hautnah miterleben.

Dass Frauen in die Luft gehen, ist hierzulande längst eine Normalität geworden – und zwar nicht erst, seit die Lufthansa auch das weibliche Geschlecht mit einem Kapitänspatent auf die Luftstraßen dieser Welt schickt. Es ist durchaus möglich, dass in einem Riesen-Airbus A 380 eine komplette weibliche Cockpit-Crew mit einer „Flugkapitänin“ am Sidestick sitzt.

Vater ist Fluglehrer

Bei der Bundeswehr fliegen zwei Frauen als Kampfpilotinnen den Eurofighter. Die russische Kosmonautin Walentina Tereschkowa hat bereits 1963 die Mutter Erde aus dem Weltall gesehen. Die US-Amerikanerin Amelia Earhart überquerte 1932 als erste Frau im Alleinflug den Atlantik, von Elly Beinhorn weiß man, dass sie 1932 den Erdball im kleinen Flieger umrundete.

Wen wundert es, dass zarte Frauenhände hierzulande auch dem Segelflug frönen. Dass eine erst 14-jährige Schülerin einmal zu den modernen Erben Lilienthals gehören möchte, gehört am bundesdeutschen Fliegerhimmel allerdings zu den „Raritäten“. Marie Ostrowski gehört zu dieser zahlenmäßig kleinen Gilde. Was bei ihr anders als bei ihren männlichen Flugschüler-Kollegen ist, ist der Umstand, dass bei ihr quasi der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen ist. Vater Horst und Mutter Katja haben schon vor 21 Jahren beim Aeroclub Tauberbischofsheim gemeinsam die (Flug)Schulbank gedrückt und den Luftfahrerschein für Segelflugzeug-Führer erworben.

Heute ist Horst Ostrowski als Fluglehrer und Ausbildungsleiter eine der Stützen beim Flugsportclub Altfeld und nebenbei stolzer Besitzer eines Motorseglers, dessen Tragflächen eine „sagenhafte“ Spannweite von 28 Metern haben. Runde 2 000 Stunden hat der selbstständige Unternehmensberater mittlerweile zwischen Himmel und Erde zugebracht.

Ostrowskis „bessere Hälfte“ Katja Hofmann ist ebenfalls in der ersten Reihe des 1972 gegründeten Flugsportclubs Altfeld zu finden, als Kassierer kümmert sich die gelernte Informatikerin um die Vereinsfinanzen. Die Ausbildung von Tochter Marie befindet sich bei Horst Ostrowski gemeinsam mit seinem Altfelder Fluglehrer-Kollegen Nils Eilbacher in guten Händen.

Mit elf Jahren begonnen

Marie Ostrowskis ernsthafte Segelflug-Vita begann bereits im Alter von elf Jahren – in dem Jahr, in dem sie selbst richtig Fliegerluft schnuppern durfte. Vater Horst erinnert sich noch heute an diesen Sommertag, als er ein doppelsitziges Segelflugzeug vom Typ ASK 21 von Tauberbischofsheim nach Altfeld überführte – mit der Tochter im Cockpit.

„Nach dem Windenstart hatten wir einen guten Bart (Aufwind), der uns auf eine gute Höhe brachte, ab da hat Marie das Flugzeug ganz allein nach Altfeld geflogen.“ Das habe mächtig Spaß gemacht, erinnert sich Marie an dieses himmlische Erlebnis vor drei Jahren.

Der Luftsprung vom Taubertal in den Vorspessart war quasi der Auslöser für den Erwerb des Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. Das Gesetz erlaubt den Ausbildungsbeginn ab dem 14. Lebensjahr. Den Flugschein selbst dürfen Schüler erst erhalten, wenn sie 16 Jahre alt geworden sind. Es kommt nicht allzu häufig vor, dass die Pilotenlizenz noch vor dem Führerschein möglich ist.

Die Pilotenlizenz erfordert für die theoretische Prüfung noch ein gehöriges Maß an Wissen rund um den Flugsport. Dazu gehören unter anderem Kenntnisse in den Fächern Technik, Meteorologie, Navigation, Verhalten in besonderen Fällen und Luftrecht. Ferner muss bis zum Ende der Ausbildung das Sprechfunkzeugnis für Flugfunk in deutscher Sprache erworben werden. Das Plazet der Eltern und die fliegerärztliche Tauglichkeit gehören zu den weiteren Notwendigkeiten.

Erster Alleinflug

Der erste Alleinflug ist für jeden Flugschüler ein besonderes Erlebnis. Mit diesem geht ein alter Fliegerbrauch einher, von dem auch weibliche Pilotenanwärter nicht „verschont“ bleiben. Die Rede ist von ein paar „Klopsen“ auf den „Allerwertesten“. Dass bei Marie die Geschichte nach 58 Starts und Landungen weniger heftig über die Bühne ging, lässt sich denken. Glückwünsche mit Blumen aus der Natur ergänzten dieses „Erlebnis“.

Dass die Flugschülerin, die das Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg besucht und als Lieblingsfächer Mathematik, Informatik und Physik angibt, neben dem Theorieunterricht vom gut geschnürten Wissenspaket des Vaters profitieren kann, liegt auf der Hand. Mit dem Umstand, dass sie in Altfeld oft „alleine unter Männern“ ist, hat Marie kein Problem. Sie versteht sich prächtig mit der zehnköpfigen Flugschüler-Gruppe, zu der auch einige Jugendliche zählen.

Seine Liebe zum Segelflug hat Vater Horst, als er zu den Führungskräften der Kurtz-Ersa-Gruppe gehörte, einmal im Firmenmagazin deutlich gemacht. Im Originalton Ostrowski ist dort zu lesen: „Lautlos durch die Luft zu gleiten und nur mit Hilfe der Thermik stundenlang zu fliegen, das macht das Segelfliegen für mich zum schönsten Hobby der Welt.“

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