Gissigheim. Im Main-Tauber-Kreis gibt es bisher nur einen Kuhstall ,der Teil der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP )ist. Besucher können diesen innovativen Stall der Familien O. und R. Schreck GbR in Gissigheim genauer kennenlernen. Steffi und Rainer Schreck zeigen auf, dass das Ziel der EIP erreicht werden kann, durch bauliche Lösungen Zielkonflikte, insbesondere zwischen Tierwohl und Emissionsminderung aufzulösen. Mehr Tierwohl, gleichzeitig weniger Emissionen, zunehmende Forderungen von Seiten des Handels bei gleichzeitig geringen Erzeugerpreisen? Die Rinderhalter in Deutschland bewegen sich in einem Spannungsfeld. Hierfür bedarf es praxistauglicher Lösungen. Dies wurde in Gissigheim vorbildlich erreicht.
Das sind die betrieblichen Besonderheiten
Was sind die betrieblichen Besonderheiten des Bauvorhabens, welches 2018 umgesetzt wurde? Es ist die Aussiedlung und der Neubau eines Milchkuhlaufstalles für rund 220 melkende Kühe mit Weiternutzung des Altgebäudes. Die Umstellung auf ökologische Betriebsweise ist vorgesehen, jedoch momentan nicht wirtschaftlicher. Der Sechsreihige Milchkuhstall mit Laufhof bietet eine Option für eine Joggingweide, die auch genutzt wird. Es ist eine mehrhäusige, aufgelöste Bauweise.
Das umgesetzte Haltungskonzept leistet mit einer Vielzahl an innovativen Verfahren einen Beitrag zum Handlungsfeld Verbesserung des Tierwohls. So stehen der Herde ganzjährig integrierte Laufhöfe zur Verfügung. Diese befinden sich an den Fressachsen (75 m + 60 m, 3,1 m Breite (6,4 m abzüglich 3,5 m für den Fressgang) als Laufhof anrechenbar (= 418,5 m) und in der brandlastfreien Zone vor dem Vorwartebereich (20,6 m mal 6,25 m = 128,5 Quadratmeter). Das gesamte Flächenangebot ergibt 547,25 Quadratmeter und übersteigt somit mit 2,7 Quadratmeter/Kuh die Anforderung des AFP-Premiumprogramms.
Die Anforderungen des ökologischen Landbaues für den Freigeländezugang, in diesem Fall mindestens 10,5 Quadratmeter nutzbare Stallfläche je Kuh und davon 1,125 Quadratmeter nicht überdachte Fläche, werden gleichzeitig erfüllt. Insbesondere im Fressgang steht den Tieren durch die integrierten Laufhöfe im meist frequentierten Stallbereich mit 6,4 Meter Breite deutlich mehr Platz zur Verfügung, von dem besonders die rangniederen Tiere profitieren könnten, da genügend Ausweichmöglichkeiten bei agonistischen Verhaltensweisen verfügbar sind . Im Stall herrscht Außenklima. Niedrige Temperaturen entsprechen den Ansprüchen und Thermoregulationsmöglichkeiten von Milchkühen. Die Bedürfnisbefriedigung der Tiere hinsichtlich des Erlebens von Klimareizen wird durch diese Stallgeometrie grundsätzlich gefördert .
Auch ökologisch wird gepunktet, denn es wurde mit heimischem Holz gebaut. Die Liegeboxen werden mit eigenem Stroh bewirtschaftet. Die Bepflanzung rund um das Bauprojekt erfolgte mit Bienenweidepflanzen, wobei bei der Auswahl der Pflanzen besonders darauf geachtet wurde, ein möglichst kontinuierliches Blühangebot und ein ausgewogenes Spektrum an Nektar und Pollen anzubieten.
Konzept der mehrhäusigen, offenen Bauweise
Aufgrund der mehrhäusigen, offenen Bauweise ist wenig Energie zur Klimatisierung notwendig. Durch die großen, integrierten Freiflächen wird natürliches Tageslicht genutzt und Energie für das elektrische Lichtprogramm eingespart. Die Beleuchtung besteht aus einem energieeffizienten LED-Lichtsystem. Das Konzept arbeitet mit einer Anlage zur Regenwasserrückgewinnung mit UV-Entkeimung. Das Wasser kann für Reinigungszwecke und zur Laufgangbefeuchtung genutzt werden.
Durch die Integration des Altgebäudes in das Gesamtkonzept ergibt sich eine sinnvolle Nutzung der Sonderbereiche der Milchviehhaltung, so für Trockensteher, Abkalben und Jungtieraufzucht. Der Aufwand für den Neubau wurde dadurch reduziert. Das Konzept des mehrhäusigen Stallkomplexes war kostengünstiger als eine große Halle und leistet durch die niedrige Firsthöhe (landschaftsgebundenes Bauen) einen guten Beitrag zur Landschaftsästhetik. Eine Umstellung auf die ökologische Wirtschaftsweise ist stallbauseitig jederzeit möglich, da das Konzept alle Anforderungen an die ökologische Tierhaltung erfüllen kann . Dies gilt für den Laufhof und das Platzangebot. Es müssten lediglich zusätzliche Fressplätze ergänzt oder der Tierbestand geringfügig verringert werden.
Spontane Besucher haben jederzeit die Möglichkeit, einen Lehrpfad mit Informationstafeln zum Haltungskonzept zu begehen. Hier besteht kein direkter Tierkontakt, so dass keine Maßnahmen zur Biosicherheit ergriffen werden müssen. Ein Besucherraum oberhalb des Melkkarussells ermöglicht einen guten Überblick über das Melksystem.
Beim Besuch auf dem Hof an einem heißen Spätsommertag freuen sich einige Gäste , dass sie keine Kuh sind. Nicht wegen des tiergerechten Stalls, sondern weil Menschen im Gegensatz zu Rindern schwitzen können. Während die meisten Menschen bei 20 Grad Außentemperatur sich besonders wohl fühlen, fängt für Rinder da schon der Hitzestress an.
Kuh , Kalb und Bulle mögen es lieber kühl. Zwischen minus fünf und plus 16 Grad liegt bei ihnen die Wohlfühltemperatur. Wenn das Thermometer wie in den Sommerwochen in sommerliche Höhen steigt, wird es kritisch für die behaarten Vierbeiner. Der Appetit und die Abwehrkräfte lassen nach , das Euter und die Klauen entzünden sich leichter.
Weil auch die Geschlechtslust unter der Hitze leidet, nimmt die Fruchtbarkeit ab. Was der Landwirt bei der Hitze sofort bei der Milchgeldabrechnung merkt, die Milchleistung lässt nach in Menge und Qualität. Wie hilft man sich auf dem Heuwiesenhof der Familie Schreck? Durch die Hanglage und die offene Bauweise ist eine gute Durchlüftung und Beschattung gegeben. Zudem können die Kühe eine Dusche nutzen.
Ein Ballen Stroh genügt für ein frisches Bett
Otmar Schreck hat jahrzehntelang im alten Stall gearbeitet, der jetzt für die Kälber und das Jungvieh genutzt wird . Was gefällt dem Senior am Besten im neuen Stall? „Ein Ballen Stroh genügt, damit alle Kühe wieder ein frisch eingestreutes Bett vorfinden. Der erhöhte Fressplatz sorgt für saubere Kühe, dies war im alten Stall nicht der Fall. Auch werden schwächere Tiere nicht abgedrängt.“
Die „Müttergenesungsbucht“ mit weicher Liegefläche ist besonders tierfreundlich nach dem Geburtsstress, dies danken die Jungmütter durch rasche Erholung. Erst bei Temperaturen von Minus 18 Grad Celsius ist der Mist angefroren und musste mit dem Radlader entfernt werden.
Das etwaige Enthornen der Kälber entfällt, seitdem die Kühe mit Sperma von Bullen besamt werden, die genetisch hornlos sind. Zum Glück wurde noch gebaut, als ein Kuhplatz 10 000 Euro kostete, jetzt ist mit dem doppelten Preis und unwirtschaftlichen 20 000 Euro zu kalkulieren.
Das mehrhäusige Stallsystem wurde auch um 100 000 Euro günstiger als ein einhäusiger Stall. Mit der 100 KW Biogasanlage im Jahr 2019 wurde auch den explodierenden Energiekosten ein Schnippchen geschlagen.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/koenigheim_artikel,-koenigheim-ein-einmaliger-und-innovativer-kuhstall-im-main-tauber-kreis-_arid,2268639.html