Gissigheimer Schutzengelfest mit langer Tradition - Schutzengelkapelle präsentiert sich mit restaurierter Innenausstattung in neuem Glanz

Bürger standen mit Herzblut hinter Arbeiten

Von 
Edgar Münch
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Der strahlende Altar mit dem Bild des Erzengels Raphael. © Edgar Münch

Eine lange Traditionen hat das Schutzengelfest der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in Gissigheim. In diesem Jahr kann es auf ein 280-jähriges Bestehen zurückblicken.

Gissigheim. Im Mittelpunkt des Schutzengelfestes der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul steht die Schutzengelkapelle, deren Bau 1710 als herrschaftliche Gruftkapelle vom damaligen Ortsherren, dem Adeligen Johann Philipp von Bettendorff, veranlasst wurde. Da er die Nichte seiner 1702 verstorbenen Gemahlin von Frankenstein heiraten wollte, brauchte er wegen des Ehehindernisses die Dispens von Rom, die er erhielt. Als Gegenleistung wollte er eine Kapelle in Gissigheim errichten.

Familiengruft

Leider konnte der Erbauer die Fertigstellung der Kapelle nicht mehr erleben, denn er starb 1711 als General der pfälzischen Truppe auf einem Feldzug in Schlesien. Sein Herz aber wurde in einer silbernen Kapsel in der Familiengruft der Kapelle, die dem heiligen Philipp Neri geweiht wurde, beigesetzt. Insgesamt musste die Gruft siebenmal geöffnet werden, um Mitgliedern der freiherrlichen Familie Bettendorff letzte Ruhe zu bieten, darunter auch dem Stifter des Schutzengelfestes und mehreren Kindern.

Sichere Informationen über das Baujahr gibt das Doppelwappen über dem Portal mit der Jahreszahl 1712 und den Buchstaben „J.P.V.B.A.J.V.B.G.V.F.“ Sie sind die Abkürzung für Johann Philipp von Bettendorff, Maria Anna Josepha von Bettendorff geborene von Frankenstein. Daher zeigt das Wappen den Bettendorff´schen Ring und das Frankenstein‘sche Feld mit zwei Kleeblättern und zwei Breitbeilen.

Der Sohn des Erbauers, Oberst Christoph Friedrich von Bettendorff, hat die Kapelle aus Dankbarkeit für seine wunderbare Befreiung aus türkischer Gefangenschaft, in die er 1738 geraten war, den heiligen Schutzengeln gewidmet. Er gelobte, ein jährlich zu feierndes Schutzengelfest einzuführen, das 1739 erstmals feierlich begangen wurde. „Der Stifter“, so schrieb 1939 der Ortspfarrer Keilbach, „erbat und erhielt von Rom einen vollkommenen Ablass für alle, die am Schutzengelfest die Kapelle besuchen, und sorgte durch Bestellung fremder Beichtväter, dass die Vorbedingungen (…) erfüllt werden konnten“.

Heimat- und Wiedersehensfest

Das Fest bürgerte sich als Heimat- und Wiedersehensfest rasch ein und „Jedes Jahr wollten 1000 bis 1500 Einheimische und Fremde den Ablass gewinnen“, so der Bericht von Pfarrer Caspar Hornung von 1746. Schließlich sorgte eine Jahrtagsstiftung von 500 Gulden als Grundstock für ein solides Kapellenvermögen. Außerdem spendierte das Adelsgeschlecht für die Honoratioren des Dorfes einen „Schutzengelhasen“ als Festbraten.

Nur unterbrochen von wenigen Jahren feiert man seit 1739 alljährlich am ersten Sonntag im September als Schutzengel-Fest natürlich ohne „Schutzengelhasen“. Als letzte Adelige wurden in der Schutzengelkapelle 1806 Friedrich Philipp, Erbe der Herrschaft, und wenige Tage später seine 20-jährige Tochter Philippine beigesetzt. Die verwitwete Freifrau von Bettendorf zog im selben Jahr noch mit ihrem Sohn und zehn Töchtern nach Würzburg. Die Sorge für die Kapelle ging an die Pfarrgemeinde Gissigheim über.

Restaurierung

Die Barocke Schutzengelkapelle hat schon viele Renovierungen und Restaurierungen erlebt. Und immer wieder standen die Gissigheimer mit Herzblut hinter den Maßnahmen, denn ihre ehemalige Pfarrkirche auf dem hoch gelegenen Berg-Friedhof war für ältere Menschen nur mühsam zu erreichen. Daher feierte man vor allem an Werktagen die Messen in der Kapelle mitten im Dorf.

Außerdem war seit 1800 die Pfarrkirche im Friedhof wegen Einsturzgefahr nicht mehr zu benutzen, so dass man dankbar für diese Kapelle mitten im Dorf war. 1841 sollte sie auf Drängen des Freiherrn Ludwig von Bettendorff mitsamt der Jahrtagsstifung nach Eubigheim verlegt werden, wo die Familie Güter- und Patronatsrechte hatte. Es gab Proteste und Streitigkeiten, die schließlich vom Ministerium zugunsten der Gissigheimer Bürger entschieden wurden, weil sie „keine Schlosskapelle sei und stets als öffentliches Gotteshaus behandelt wurde“.

Geld für Instandsetzung

Immer wieder musste von den Gissigheimern viel Geld für Reparaturen und Renovierungen aufgebracht werden, denn der Kapellenfond war durch Inflationen dahingeschmolzen. 1912 erneuerte man den Innenraum und schmückte die Decke mit einem Gemälde von der Befreiung des Apostels Paulus in Anspielung auf die Befreiung des Grafen bei den Türkenkriegen. Bei der 1965/66 erfolgten Innen- und Außenrenovierung konnte das Deckengemälde nicht gerettet werden.

Die letzte vollständige Renovierung erfolgte bei der 1000-Jahr-Feier von Gissigheim im Jahr 2012. Dass man damals die Inneneinrichtung, mehrere Figuren und Wandbilder nicht hatte renovieren lassen, dafür waren finanzielle Gründen ausschlaggebend.

Dies wurde jetzt nachgeholt. Vor allem war der äußerst schlechte Zustand des barocken Altars mit dem beeindruckenden Schutzengelbild restaurierungsbedürftig. Es stellt eine biblische Geschichte dar, bei der der Erzengel Raphael den jungen Tobias auf seiner Reise begleitet. Bei der Abnahme des großen Gemäldes zeigte sich, dass Leinwandschäden im Laufe der Jahrhunderte nicht immer fachgerecht behoben wurden. So hatte man sogar Leinwandstücke eingeklebt und Übermalungen vorgenommen, die jetzt mühsam und schonend entfernt wurden. Eine neue Leinwand auf der Rückseite hält das Gesamtgemälde künftig zusammen und stabilisiert es.

Rechtzeitig zum diesjährigen Jubiläumsfest erstrahlt nun der Altar mit dem Bild des Erzengels Raphael und auch andere Objekt der Innenausstattung, darunter das künstlerisch wertvollste, das Weihnachtbild aus dem Jahre 1638, gemalt vom Würzburger Künstler Johann Paul Codoman. Es wurde von Jahrhunderte altem Schmutz gereinigt und zeigt in leuchtenden Farben Einzelheiten, die zuvor nicht erkennbar waren. Sicher werden sich alle Besucher des Schutzengelfestes an der gelungenen Renovierung erfreuen.

Programm

10 Uhr: Feierlicher Gottesdienst, mitgestaltet von der Singgemeinschaft und einer Prozession in Begleitung der Musikkapelle.

11.30 Uhr: Frühschoppenkonzert mit dem Musikverein im Dorfgemeinschaftshaus.

11.30 Uhr: Mittagstisch.

ab 13 Uhr: Kaffee und Kuchen.

14 Uhr: Andacht und Kinder-Segnung in der Schutzengelkapelle.

15.30 Uhr: Auftritt der Kindergartenkinder im Dorfgemeinschaftshaus.

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