Kommunen schlagen Alarm

Main-Tauber-Kreis: „Ohne Reformen droht Stillstand im Land“

Gemeindetagspräsident Stefan Jäger ruft Bürger und Politik dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Zustimmung vom Kreisverband.

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Steffen Jäger, der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. © picture alliance/dpa

Main-Tauber-Kreis. Anlässlich des „Tags der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober richtet sich Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, in einem offenen Brief direkt an die Bürger im Land. Darin spricht er stellvertretend für die 1065 Mitgliedskommunen nicht nur über die angespannte Lage vieler Städte und Gemeinden, sondern nimmt auch politische Kultur, Zukunftsfähigkeit des Staatswesens und Reformbedarf in den Blick.

„Die Lage ist ernst“, schreibt Jäger. Er verweist dabei auf internationale Krisen, Krieg in der Ukraine und verschärfte geopolitische Lage, die auch Deutschland stärker in die Pflicht nehme: „Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass andere unsere Verteidigung übernehmen. Wir sind selbst gefordert.“ Gleichzeitig sei die wirtschaftliche Basis des Gemeinwesens bedroht: „Zwei Jahre Rezession, Standortverlagerungen, wachsender internationaler Wettbewerbsdruck – unsere Volkswirtschaft hat an Schwung verloren.“

Die Folgen spüren die Kommunen unmittelbar: Sanierungen von Schulen oder Sporthallen werden verschoben, Investitionen in Klimaschutz gestrichen, Öffnungszeiten in Kitas oder Bibliotheken gekürzt. „Keine dieser Maßnahmen will ein Kommunalpolitiker beschließen – doch vielerorts werden sie unvermeidlich“, so Jäger.

Der Gemeindetagspräsident fordert eine gesamtstaatliche Reform: „Wir brauchen eine ehrliche Aufgaben- und Standardkritik, die den Mut hat, Prioritäten zu setzen.“

Zugleich betont Jäger die Verantwortung jedes Einzelnen: „Demokratie ist kein Bestellshop – sie ist die Einladung an alle, sich mit ganzer Kraft für eine freiheitliche und wohlständige Gesellschaft einzubringen. Und deshalb kann Demokratie auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn wir alle unseren Beitrag dazu leisten.“

Im Zentrum des Briefes steht ein Appell: „Die Gemeinden sind der Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind. Es gilt, diese Wirklichkeit anzuerkennen und aus der Krise den Mut zur Erneuerung zu schöpfen. Für unsere Kinder. Für unser Land. Für unsere Demokratie.“

Die Zielsetzung des Bürgerbriefs fasst Steffen Jäger so zusammen: „Unser Staat, unsere Demokratie wird von den Menschen getragen. Deshalb stellen wir die Bürger in die Mitte unseres offenen Briefes. Wir als Kommunen sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Unsere Botschaft lautet: Nur wenn die Bürger bereit sind mitzuwirken, kann unser Land die notwendigen Reformen schaffen.“

Jäger weiter „Der Bürgerbrief versteht sich als Beitrag zu einer öffentlichen, überparteilichen Debatte und als Einladung zur Rückbesinnung auf das, was unser Gemeinwesen zusammenhält: Respekt, Ehrlichkeit, Verantwortung und Gemeinsinn. Es geht nicht um ein ‚Fingerpointing‘. Es geht darum, eine gesellschaftliche Diskussion mit anzustoßen.“

Der Kreisverband Main-Tauber des Gemeindetags unterstützt ausdrücklich den offenen Bürgerbrief von Steffen Jäger, betont dessen Vorsitzender Frank Menikheim, Bürgermeister von Igersheim. „Die kommunalen Haushalte und damit wir 18 Städte und Gemeinden geraten zunehmend unter Druck, während die staatlichen Leistungsversprechen immer weiter steigen. Die Folgen sind in allen Kreisgemeinden spürbar.

Allein 2025 rechneten mehr als 80 Prozent der Kommunen mit einem unausgeglichenen Ergebnishaushalt. Auch die meisten Städte und Gemeinden im Kreis könnten ihre Pflichtaufgaben wie Ausbau der Kinderbetreuung, Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen oder Investitionen in die kommunale Infrastruktur kaum noch aus eigener Kraft stemmen.

„Wir unterstützen diesen Appell des Gemeindetags ausdrücklich. Die Herausforderungen, die Präsident Jäger beschreibt, sind im ganzen Landkreis spürbar – wir dürfen die kommunale Ebene nicht weiter überfordern“, erklärt Frank Menikheim. „Es braucht einen politischen Kulturwandel. Wir brauchen weniger Ankündigungen in Form von ungedeckten Schecks und mehr Umsetzungsfähigkeit – mit realistischen Standards, auskömmlicher Finanzierung und echtem Vertrauen in die kommunale Verantwortung.“

„Der Bürgerbrief spricht uns aus dem Herzen. Er benennt, worum es geht: um Ehrlichkeit, um Verantwortung, um die Zukunftsfähigkeit unseres Staates. Deshalb unterstützen wir den Brief und wollen geschlossen den Bürgern ‚reinen Wein‘ einschenken.“ Deutschland sei ein starkes Land und im Main-Tauber-Kreis „haben wir in den zurückliegenden Jahrzehnten bewiesen, dass wir erfolgreich sein können. Jetzt brauchen wir den Mut, die Kraft und den Willen, diese Erfolgsgeschichte auch in der Zukunft fortzuschreiben. In der Politik, in den Kommunen, aber auch bei jedem Einzelnen. Wir alle müssen bereit sein, beizutragen.“

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