„1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ - Landesarchiv Baden-Württemberg beleuchtet das Thema in seinen Archivnachrichten

Erinnerungen an die Hardheimer Familie Wertheimer

Von 
Torsten Englert
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Der jüdische Lehrer Emanuel Wertheimer und seine Ehefrau Marianne Miryam (geborene Bachmann) aus Hardheim. © Gemeindearchiv Hardheim

Hardheim. In einem Edikt des römischen Kaisers Konstantin wurde erstmals im Jahr 321 in Köln eine jüdische Gemeinde, die eine größere Gruppe jüdischer Einwohner umfasste, erwähnt. Die „Jüdische Gemeinde Köln“ ist damit nachweislich nicht nur die älteste Gemeinde Deutschlands, sondern zugleich die älteste jüdische Gemeinschaft in Europa nördlich der Alpen.

In Deutschland und im Bundesland Baden-Württemberg wird deshalb 2021 das Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben und Kultur in Deutschland“ gefeiert. Es wir in diesem Zusammenhang nicht nur der großen Leistungen und Bedeutung der jüdischen Mitbürger gedacht, sondern auch an die Schrecken und Gräueltaten der Zeit der Nazi-Diktatur während des Dritten Reiches in den Jahren 1933 bis 1945 erinnert.

Zur Person: Willi Wertheimer

Der jüdische Lehrer Emanuel Wertheimer (1854-1926) und seine Ehefrau Marianne Miryam (geborene Bachmann, 1863-1901) waren die Eltern des wohl bekanntesten Hardheimer jüdischen Mitbürgers Willi Wertheimer (später Wiliam Wertheimer).

Nach dem Krieg engagierte er sich für die zionistische Bewegung und half beim Aufbau von Israel. Er war unter anderem Präsident des Weltkomitees des „Jews of Central Europe Memorial Forest Jewish National Fund“. Er starb 1982 in New York.

In seinem Buch „Zwischen zwei Welten – Der Förster von Brooklyn“ beschreibt er seine Kindheitserinnerungen in Hardheim und gewährt einen Einblick in das Leben einer jüdischen Familie und einer jüdischen Gemeinde sowie in das Zusammenleben von Juden und Christen in einer badischen Landgemeinde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. En

Mit zahlreichen Veranstaltungen wird dieses Jubiläum bundesweit gewürdigt, um Perspektiven auf die jüdische Geschichte, aber auch auf die Zukunft sichtbar zu machen: „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland […]: eine Geschichte mit Zukunft“ – so fasste es Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Beitrag für die Wochenzeitung Jüdische Allgemeine zusammen. Auch das Landesarchiv Baden-Württemberg als Gedächtnis der Gesellschaft leistet einen Beitrag und beleuchtet das Thema in seinen Archivnachrichten aus ganz verschiedenen Blickwinkeln.

Spätestens seit dem Mittelalter gab es im deutschen Südwesten jüdische Gemeinden. Erste Spuren jüdischen Lebens lassen sich für das 11./12. Jahrhundert finden, so liegen die Anfänge der Gemeinde in Wertheim wahrscheinlich schon in dieser Zeit. Im Reichssteuerverzeichnis aus dem Jahr 1241 – also vor 780 Jahren – werden die jüdischen Gemeinden in Schwäbisch-Hall, Esslingen, Ulm, Konstanz, Bopfingen und Überlingen erstmals schriftlich erwähnt.

Das Titelblatt der Archivnachrichten zeigt neben der Außenansicht der ehemaligen Synagoge Kippenheim auch den Blick auf den jüdischen Friedhof Wertheim und ein Fragment aus dem Wertheimer „Lilien-Machsor“. © Torsten Englert

Jüdinnen und Juden lebten in den Dörfern und Städten, wie in Hardheim, wo sich die jüdische Gemeinde bis ins Jahr 1318 zurückverfolgen lässt. Davon zeugen bis heute noch vielerorts jüdische Friedhöfe, Synagogen oder Straßennamen wie „Judengasse“.

In ihren Heimatorten, in Wissenschaft und Wirtschaft, in Vereinen und Parteien prägten jüdische Einwohner die Geschichte des Landes Baden-Württemberg. Dennoch schloss die christliche Mehrheitsgesellschaft sie immer wieder in vielen Bereichen von kultureller, sozialer und politischer Teilhabe aus.

Jüdisches Leben in Deutschland war sichtbar und gehörte dazu – allerdings stets in der Spannung zwischen Akzeptanz und Ausgrenzung. Antisemitismus und Verfolgung gipfelten schließlich in der Shoah, dem nationalsozialistischen Völkermord. Nach 1945 musste sich jüdisches Leben wieder neu in Deutschland entwickeln. In den Archivnachrichten wird ein kleiner Ausschnitt des jüdischen Lebens im deutschen Südwesten vorgestellt. Dazu gehören Beiträge der Leiterin des Staatsarchivs Wertheim, Dr. Monika Schupp, über den jüdischen Friedhof in Wertheim, dessen ältester Grabstein für den am 16. August 1405 verstorbenen Jungen Abraham, Sohn des Baruch aufgestellt wurde. Auch der Beitrag von der Claudia Wieland vom Archivverbund Main-Tauber befasst sich mit der Region und beleuchtet die Kleindenkmale und Spolien, die an die jüdische Bevölkerung an Main und Tauber erinnern.

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