Windkraft auf dem Kornberg I - Fachbehörden kritisieren die vorgelegten Gutachten scharf / Entscheidung der Verbandsversammlung erneut vertagt

Dem Windpark droht die endgültige Flaute

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Ralf Scherer
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Vom Neubaugebiet in Bretzingen aus ist der Kornberg mit seinem wichtigen Lebensraum für viele Vogel- und Fledermausarten gut zu sehen.

© Ralf Scherer

Hardheim/Höpfingen.

Ob die Zeag AG auf dem Kornberg Windkraftanlagen bauen darf, hängt auch von der Frage ab, ob dadurch der Lebensraum schützenswerter Tierarten nachhaltig beeinträchtigt oder gar zerstört würde. Aufschluss darüber sollten die von dem Energieunternehmen in Auftrag gegebenen Untersuchungen des Büros für Ökologie und Stadtentwicklung Beck (Darmstadt) geben. Seit die Gutachten vorliegen, reißt jedoch die Kritik an den Untersuchungsmethoden und den dadurch gewonnenen Daten nicht ab.

Gutachten

Nicht nur die Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz (BGN) und die Bau- und Betriebs GmbH des Flugplatzes Walldürn haben im Rahmen des laufenden Zielabweichungsverfahrens die Offenlage der Planungsunterlagen genutzt, um ihre Bedenken zu untermauern. Auch die Landesluftfahrtbehörde sowie die involvierten Fachdienste des Landratsamts und des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe haben sich auf insgesamt 53 Seiten kritisch mit dem Vorhaben auseinandergesetzt und zahlreiche Mängel in den Gutachten des Büros Beck aufgelistet.

"Insgesamt machen die Artenschutz-Gutachten einen wenig strukturierten und keinen klar nachvollziehbaren Eindruck", heißt es in einer Einschätzung des RP. "Formale Fehler sind augenscheinlich." Etwa bei der Untersuchung des Haselmaus-Vorkommens seien zu wenige sogenannte "Tubes" aufgestellt und in ungeeigneten Zeiträumen kontrolliert worden. Das Fledermausgutachten erfülle aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten nicht die inhaltlichen Mindestanforderungen. Die Erhebungen seien aufgrund zu weniger Begehungen vor Ort, fehlender Raumnutzungstelemetrie und eines zu kurzen Untersuchungszeitraums unvollständig.

Ungereimtheiten skizziert das RP auch bei der Erfassung des Rotmilan-Vorkommens. Für die Beurteilung der Frage, ob für den Rotmilan ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko vorliegt, könne die Raumnutzungsanalyse nicht als Grundlage dienen. Sowohl bei den Beobachtungszeiten der Greifvögel als auch bei der Kartierung der Flugbewegungen sieht das RP Klärungsbedarf, um Zweifel hinsichtlich der Einsehbarkeit des gesamten Geländes und der Befähigung des eingesetzten Personals auszuräumen.

"Die vorgelegten Unterlagen hinterlassen aufgrund ihrer vielen Ungereimtheiten und Defizite diverse Fragen", lautet das Gesamtfazit des RP. Eine sachgerechte Beurteilung sei auf dieser Grundlage nicht möglich. Die vorgelegte Raumnutzungsanalyse für Vogelflüge stuft die Untere Naturschutzbehörde (UNB) gar als fachlich nicht korrekt und damit im vorliegenden Verfahren als nicht anwendbar ein.

Artenschutz

Auf der Grundlage der vorliegendende Daten bewertet die UNB das Planungsgebiet zwischen Höpfingen, Waldstetten und Bretzingen als Lebens-, Ruhe- und Jagdraum "von enormer Bedeutung" für zahlreiche Vogel- und Fledermausarten. Etwa für Kolkraben und Mäusebussarde sei das Gebiet "hervorragend zur Reproduktion geeignet". Weil die vorliegende Raumnutzungsanalyse keine abschließende Bewertung zulässt, geht die UNB für Schwarzmilan, Wespenbussard, Wanderfalke, Uhu und Rotmilan von einem "signifikant erhöhten Tötungsrisiko" aus, wenn die Windräder wie geplant gebaut würden. Ähnliches sei für den Schwarzstorch anzunehmen, weil ein Horst innerhalb eines 3000-Meter-Radius um die Anlagen derzeit nicht ausgeschlossen werden könne. Beim Rotmilan geht die UNB gar von einem sogenannten Dichtezentrum im Bereich der Anlagen "HÖ2" und "HA4" aus. Ein Solches liegt vor, wenn im Umkreis von 3300 Metern einer Anlage mindestens vier Horste in einem Jahr festgestellt wurden.

Auch vielen Fledermausarten drohe der Verlust ihrer Quartiere oder ein erhöhtes Tötungsrisiko durch Kollision. "Daher sollte in der Nähe von Wochenstuben unter allen Umständen vermieden werden, Waldbereiche für den Anlagenbau vorzusehen, die zahlreiche nachweislich genutzte oder gut geeignete potenzielle Quartiere aufweisen", heißt es im Fall der Mopsfledermaus in der Stellungnahme der UNB. Für die Bechsteinfledermaus sei ebenfalls von einer "erheblichen Beeinträchtigung" auszugehen, weil "essentielle" Jagdreviere verlorengingen. "Basierend auf den Empfehlungen des Bundesamts für Naturschutz sollten alte Wälder und Vorkommensgebiete störungsempfindlicher Arten generell als Ausschlussgebiete für Windkraft angesehen werden", so die UNB.

Flugsicherheit

Die Verantwortlichen der Landesluftfahrtbehörde in Stuttgart sehen im Bau der Windkraftanlagen im Bereich "Kornberg" eine mögliche Gefährdung des Flugbetriebs auf dem Verkehrslandeplatz Walldürn. Auch die Verschiebung der Standorte zweier Anlagen um jeweils 18 Meter hat daran nichts geändert. "Nach Abgleich mit den im Bezug genannten Karten können wir keinen wesentlichen Unterschied erkennen", heißt es in der Stellungnahme der Landesluftfahrtbehörde. Von einem Sicherheitsgewinn könne nicht gesprochen werden. Beeinträchtigungen befürchten die Luftfahrtexperten ebenso wie die Betreiber des Flugplatzes für den An- und Abflug. Die sogenannte Platzrunde im Abstand von 1,5 Kilometern von der Landebahn sei kein "Schienenweg". Abweichungen aufgrund meteorologischer, verkehrsbedingter und technischer Gründe oder individuelle Fähigkeiten seien jederzeit möglich, wenn es die sichere Führung eines Flugzeugs erfordert.

Damit teilt die Landesluftfahrtbehörde die Bedenken der Flugplatzbetreiber. Diese hatten in ihrer Stellungnahme eine Beeinträchtigung des Flugverkehrs durch von den geplanten Windkraftanlagen verursachte Wirbelschleppen moniert. Durch den Windpark "Großer Wald" südwestlich des Flugplatzes werde der Flugbetrieb bereits auf diese Weise beeinträchtigt. Außerdem würden die vier Anlagen aufgrund sich überschneidender Rotorbewegungen ein schwer einzuschätzendes Hindernis für Piloten darstellen und das Unfallrisiko erhöhen.

Fazit

Fasst man die einzelnen Stellungnahmen zu einem Gesamtbild zusammen, erscheint die Realisierung des Windparks zunehmend unwahrscheinlich. Die Anlagen mit den Bezeichnungen "HA1" und "HA2" waren bereits vor der Einleitung des Zielabweichungsverfahrens aus der Planung genommen worden, weil deren Standorte in einem FFH-Gebiet liegen würden. Im Bereich der Anlagen "HÖ2" und "HA4" geht die UNB von einem Rotmilandichtezentrum aus. Besteht für die Greifvögel ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko, darf im Dichtezentrum nicht gebaut werden. Und weil die Landesluftfahrtbehörde wegen Sicherheitsrisiken keine Genehmigung für die Anlagen "HÖ1", "HÖ2", HA3" und "HA4" in Aussicht stellt, ist derzeit keines der ursprünglich sechs geplanten Windräder genehmigungsfähig.

"Selbst bei einer aufwendigen Neubearbeitung der Unterlagen zum Natur- und Umweltschutz bleibt für den GVV aufgrund der an mehreren Stellen aufgezeigten Problematiken und Bedenken ein Weiterverfolgen der vorliegenden Flächenplannutzungsänderung prinzipiell zu überdenken", schreibt die UNB abschließend.

Wie geht es weiter?

Darüber wollen sich zunächst die Verantwortlichen des Gemeindeverwaltungsverbands Hardheim-Walldürn und der UNB unterhalten. Müssen die kritisierten Gutachten - wie von den Fachbehörden gefordert - ergänzt oder neu erstellt werden, ist eine Entscheidung der Verbandsversammlung des GVV in naher Zukunft nicht zu erwarten. Unabhängig davon müssen sich die kommunalen Gremien in Hardheim und Höpfingen Gedanken machen, ob ein Festhalten an der Planung überhaupt noch sinnvoll ist.

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