Hardheim/Guggenberg. Mehrfach bereits zog in der Vergangenheit das beeindruckende Spektakel der Schwerlasttransporte von riesigen Windradteilen das Interesse der Hardheimer auf sich. Fast ist es inzwischen schon Gewohnheit, dass überdimensionale Lasten nachts durch die Ortsstraßen gelotst werden und es zu Verkehrsbehinderungen und Streckensperrungen kommt.
Erst vor einer Woche wurden tonnenschwere, überbreite Formteile aus Metall über die Bundesstraße befördert. Zusätzlich waren vorige und diese Woche wieder Windradtransporter unterwegs.
Seit Ende März weisen Hinweiszettel, Parkverbots- und Umleitungsschilder entlang der Fahrwege auf diese nächtlichen Aktionen hin.
Straßenschilder liegen abgebaut neben den Leitplanken, Straßensperren mit rotblinkenden Warnlichtern zeigen schon von Weitem, dass hier kein Durchkommen ist. Flutlicht erhellt die Hauptgefahrenstellen.
Millimeterarbeit
Von den Lkw-Fahrern und Lotsen wird bei ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit äußerste Konzentration und absolute Beherrschung der Technik abverlangt. Schließlich handelt es sich teilweise um Millimeterarbeit. Auch das Rückwärtsfahren der über 60 Meter langen Trucks ist kein Zuckerschlecken. Dennoch lachen die Männer, sind gut gelaunt und erklären gerne den Passanten am Straßenrand, was hier vor sich geht und warum dieser oder jener Handgriff erforderlich ist. Von Müdigkeit keine Spur, auch wenn der Normalbürger schon längst im Bett liegt und träumt.
Zwei junge Damen in Hardheim haben Glück. Sie hatten das Parkverbot nicht beachtet und ihren Kleinwagen vor der Volksbank abgestellt. Minutengenau vor der Ankunft der Schwertransporter kommen sie zu ihrem Auto zurück. Ansonsten wäre der Wagen kurzerhand abgeschleppt worden.
Denn bei 64 Meter Länge vom Führerhaus bis zur nach oben geschwungenen Spitze eines Windradflügels wird gerade in Kurven jeder Zentimeter Straßenbreite ausgeschöpft. Da ist keine Zeit zum umständlichen Rangieren.
Dass die Fahrer dieses beherrschen, zeigen sie später an der Sandsteinbrücke im Erftal, über die sie teils rückwärts den Berg hinauf nach Guggenberg manövrieren müssen. Vor dieser beachtlichen Leistung und Präzisionsarbeit kann man nur den Hut ziehen. Toll gemacht!
Doch fangen wir ganz von vorne an: Die Flügel der gerade erst vor einem Jahr in Betrieb genommenen beiden neuen Windkraftanlagen im Windpark Guggenberg II müssen ausgetauscht werden. Warum? Darauf bekommen wir nur eine vage Antwort: "Wir haben gehört, sie seien schadhaft", wird uns sowohl in Hardheim als auch in Eichenbühl in den Gemeindeverwaltungen mitgeteilt. Auch die Arbeiter vor Ort wissen nicht mehr.
Der Geschäftsführer der Betreiberfirma - nach Darstellung eines Mitarbeiters der Windpark Guggenberg GmbH & Co.KG" als einziger gegenüber der Presse auskunftsberechtigt - war außer Haus. Und so konnten wir ihn gestern leider nicht sprechen.
Die sechs neuen Rotorblätter werden aus Rostock angeliefert. "Vier Nächte waren wir unterwegs", schildert Silvio Rockinger , Abteilung Verkehrstechnik, von der Wörmann Team Verkehrstechnik GmbH & Co. KG aus Schloss Holte-Stukenbrock im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Zwölf Tonnen ist jeder einzelne der 58 Meter langen Windradflügel schwer. Die Zugmaschine mit Vierfach-Teleskopaufleger und der Last (insgesamt 64 Meter lang) bringt 59 Tonnen Gesamtgewicht auf die Waage.
59 Tonnen Gesamtgewicht
Jedem der drei im Konvoi fahrenden Schwerlasttransporter sind ein eigenes Begleitfahrzeug und Sicherungspersonal zugewiesen. Gut gesichert fahren diese mit Polizeischutz von der A 81 über Tauberbischofsheim nach Hardheim. Die Erftalgemeinde erreichen sie gegen 23 Uhr. Im Vergleich zu früheren Transporten geht es relativ zügig durch die Ortsstraßen. Ein Gefahrenpunkt stellt die Einmündung der Miltenberger Straße dar, da dort auf die enorme Länge gesehen unerwartet "große" Höhenunterschiede zu überwinden sind und immer wieder mal Fahrbahn oder Pflasterung dabei etwas "abrasiert" werden.
Kurz nach der bayerischen Grenze auf der L 521, an der Sandsteinbrücke über die Erfa angekommen, übergeben die Polizisten des Buchener Reviers die Aufsicht an ihren bayerischen Kollegen. Die Fahrspur an der Auffahrt sowie über die Brücke ist mit Hilfe von fünf Meter langen und jeweils zehn Zentimeter hohen Bohlen aus speziellem, besonders stabilem Bongossi-Holz um 20 Zentimeter erhöht worden.
Der Transporter fährt zunächst auf Fahrzeuglänge an der Brücke vorbei, um diese dann im Rückwärtsgang passieren zu können.
Die Hydraulik des Auflegers war zuvor mitsamt der Fracht um weitere 50 Zentimeter hochgefahren worden, um die vierteilige Teleskopverlängerung des Auflegers - ohne die Sandsteinquader zu streifen - über die Brüstung schwenken zu können. Der Polizist gab genau acht, dass bei der Millimeterarbeit kein Staatsgut beschädigt wird. Mit Hilfe der eigenständig zu betätigenden, handgesteuerten Nachlenkung wurden die Hinterachsen in diesem Engpass von hinten aus auf die richtige Spur manövriert.
Berganstieg
Die nächste Hürde auf dem Weg nach Guggenberg stellten die engen Kurven des steilen Berganstiegs dar. Der Schwertransporter fuhr zunächst rückwärts bis zur ersten Kehre und schwenkte dort auf den vorhandenen Feldweg ein. So konnte er nun wieder vorwärts bis zur nächsten Kehre fahren, wo das Spiel von vorne begann, bis der komplette Zick-Zack-Kurs bewältigt war und der Transport die Höhe erreicht hatte.
Nachdem gegen 0.30 Uhr alle drei Rotorblätter die Erfa überquert hatten, begann der Abbau der Fahrbahnerhöhung. Die Holzbohlen wurden bis zum nächsten Tag auf zehnachsigen Spezialtransportern gelagert, damit die L 521 freigeräumt ab etwa 6 Uhr am Morgen wieder befahrbar war.
Am Nachmittag ab 17 Uhr ging dann das Spektakel in umgekehrter Reihenfolge von vorne los: Die schadhaften Rotorblätter mussten über die L 521 und B 27 zur A 81 abtransportiert werden.
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