Jungunternehmer - Die  preisgekrönte Software „Bäcker AI“ eines Startups unterstützt das Bäcker-Handwerk und ermöglicht mehr Nachhaltigkeit

Mit künstlicher Intelligenz weniger Brot wegwerfen

Von künstlicher Intelligenz kann auch das Handwerk profitieren. Mit der Software „Bäcker AI“ sollen sich Angebot und Nachfrage bei Backwaren die Waage halten.

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Diana Seufert
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Sie haben die „Bäcker AI“ für mehr Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit von Backwaren entwickelt (von links): Franz Seubert, Dr. Jan Mellers und Dr. Fabian Taigel. © Seubert

Gerchsheim. Wie viele Brötchen, Brot und süße Stückchen braucht eine Backfiliale für ihre Kunden? Schließlich soll am Abend nicht zu viel übrig bleiben. Und gleichzeitig will man alle Kundenwünsche erfüllen können. Keine einfache Frage, die täglich beantwortet werden muss. Die meisten Verantwortlichen haben im Laufe der Zeit einen Erfahrungswert. Eine Hilfestellung bietet die „Bäcker AI“, die der Gerchsheimer Franz Seubert, der an der Universität in Würzburg Wirtschaftsinformatik studiert, zusammen mit Wirtschaftsmathematiker Dr. Fabian Taigel und Wirtschaftsingenieur Dr. Jan Meller in die Praxis umgesetzt hat. Speziell kleinere und mittlere Unternehmen sollen von der Software profitieren.

Die drei bilden ein Startup, das künstliche Intelligenz (KI) (englisch: artificial intelligence, also AI) für den Alltag praktisch anwendet. Daran haben sie in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Promotionen geforscht. Betriebliche Prozesse sollen intelligenter und effizienter gestaltet werden. „Die BäckerAI bietet eine innovative KI-Lösung zur Optimierung und Automatisierung operativer Planungsentscheidungen in Unternehmen. Unsere Software nutzt eine Kombination aus stochastischen Optimierungsansätzen aus dem klassischen Supply Chain Management und modernen Machine-Learning-Algorithmen sowie Methoden des Deep Learning, die wir in fünf Jahren Forschung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg entwickelt haben“, erzählen die Jungunternehmer. Das bedeutet: Sie nutzen die Verkaufsdaten der Filialen, beziehen in ihre Prognose auch andere externe Einflüsse, wie Grillwetter oder auch Feiertage, mit ein. „Diese Informationen lassen sich gut abgreifen und von der KI verarbeiten“, sagt Jan Meller (33). Daraus erstelle das Programm eine passgenaue Vorhersage für die Produktgruppen in der Filiale.

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wmbw
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Die Universität Würzburg hat die Drei zusammen gebracht. Der Wirtschaftsinformatiker Seubert, der zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in kleinen und mittleren Unternehmen promoviert, hat bei den Dozenten Meller und Taigel Vorlesungen besucht. Als der Gerchsheimer im Edeka-Markt seines Vaters abends über die Retouren der Bäckertheke „gestolpert“ war, kam ihm die Idee: „Mit KI und Planung müsste doch eine optimale Bestellmenge errechenbar sein.“ Denn gerade bei Backwaren sei es wichtig, nicht zu viel und nicht zu wenig zu produzieren. „Der Kunde, der heute kein Brötchen mehr bekommt, wird morgen nicht die doppelte Menge kaufen. Aber gleichzeitig wird einfach zu viel weggeworfen.“ Allein bei Backwaren seien es 600 000 Tonnen im Jahr, was einer Lkw-Schlange von Frankfurt nach München entspreche, erklärt der 27-Jährige.

In der Software wird traditionelle Handwerkskunst mit künstlicher Intelligenz und Algorithmen verbunden. Den Prototyp hat das junge Unternehmen mit Sitz in Gerchsheim zusammen mit der Bäckerei Weber aus Königshofen und deren 40 Filialen getestet. Das digitale Kassensystem des Mittelständlers lieferte die nötigen Daten. Per Knopfdruck erhielt dann die Filiale die entsprechende Vorhersage. Für Seubert ist klar: „Mit einer solchen IT-Lösung lässt sich viel machen: Es geht um weniger Kosten und Verschwendung, aber gleichzeitig um mehr Verfügbarkeit.“

Software ist lernfähig

Seit rund einem Jahr fokussieren sich die drei Wirtschaftswissenschaftler auf die Praxis. „Das ist ein perfekter Anwendungsfall“, unterstreicht Fabian Taigel. Denn täglich müssten in jeder Filiale zig Entscheidungen getroffen werden. Mit dem Programm habe man die Retouren deutlich reduzieren und die Verfügbarkeit steigern können, so der 33-Jährige. Gleichzeitig werde auch die Kostenstruktur berücksichtigt, um eine optimale Bestellung zu erreichen, ergänzt Jan Meller. Und die Software sei auch lernfähig, könne Nachfrage-Muster erkennen oder auch Trends berücksichtigen, fügt Seubert an. Ein Muttertags-Herz beispielsweise werde nur saisonal gebraucht.

Wie gut die Berechnungen sind, macht Franz Seubert deutlich: „Mit dem Programm konnten in den Filialen rund 30 Prozent der Retouren eingespart werden.“ Bei einer Niederlassung seien es in einer Woche rund 680 Brötchen gewesen, die nicht weggeworfen werden mussten. Doch die Jungunternehmer machen auch deutlich: „Die Entscheidung, wieviel von welchem Produkt in einer Filiale bestellt wird, entscheidet letztlich der Mensch. Die KI ist nur Unterstützung.“ Sie sehen ihr Programm als Erleichterung für die Mitarbeiter, die damit mehr Zeit für andere Aufgaben hätten. Gerade im laufenden Betrieb sei dies hilfreich, weiß Seubert, der auch schon mal hinter der Kasse in der Gerchsheimer Edeka-Filiale sitzt.

Für Seubert, Meller und Taigel ist klar: „Mit der Software-Lösung gewinnen alle: Der Kunde, weil die Auswahl passt, und der Bäcker, weil er weniger Kosten durch Fehleinschätzungen hat.“

Regionalcup gewonnen

Diesen Gewinn hat auch die Jury im Gründungswettbewerb „Start-up BW Elevator Pitch“ gesehen und das Startup im Regionalcup Heilbronn-Franken mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Der Preis habe ihnen wertvolle Kontakte geliefert, unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Technologie- und Gründerzentrum Innowerft aus Walldorf. Und auch die finanzielle Unterstützung des Landes hilft dem Startup. Das will wachsen. Ab Mai ergänzen zwei Mitarbeiter und zwei Werksstudenten das Team.

Mit künstlicher Intelligenz etwas für die Nachhaltigkeit tun zu können, beflügelt die Unternehmer. Die „Bäcker AI“ ist für sie die erste Umsetzung, der weitere folgen sollen.

Taigel, Meller und Seubert planen, das Verfahren bei unterschiedlichen verderblichen Waren einzusetzen. Auch in anderen Branchen sei man auf offene Ohren gestoßen. Die Bestellung sei nur ein Faktor, der sich mit der IT-Lösung vereinfachen lasse, sagt Meller. Man könne aber auch andere Probleme damit angehen, wie Logistik, Planung von Mitarbeitereinsatz oder Auslieferung. Für die Jungunternehmer gibt es also noch viel Gestaltungspotenzial.

Redaktion Hauptsächlich für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim im Einsatz

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