Großrinderfeld. Wenn Ulrike und Rudi Dürr durch den Verkaufsraum gehen, erfüllt sie große Wehmut. „Das war unser Leben“, sagen die beiden Mittsiebziger. Doch trotz des Alters fällt ihnen das Aufhören nicht leicht, wie sie im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten berichten. Und auch Tochter Diana Dürr-Häfner, die zusammen mit den Eltern das Geschäft geführt hat, hält inne. „Diese Entscheidung ist uns sehr schwergefallen, weil wir in all den Jahren nicht nur Kunden, sondern Freunde gewonnen haben“, sagen sie. Auch Tochter Diana denkt gerne an die Zeit zurück, als die Eltern Laden und Bäckerei gestemmt haben. Sie ist 1997 eingestiegen.
„Wo soll ich denn jetzt einkaufen“, hören die Dürrs und die drei Mitarbeiterinnen derzeit häufig. „Die Loyalität der Stammkunden tut sehr gut“, sagen sie und sind dankbar für deren Treue. Dies „hat uns ermöglicht, mit Freude und Leidenschaft zu arbeiten“. Die persönlichen Beziehungen seien von unschätzbarem Wert. Was sie nun zur Schließung bewogen hat? Die Inhaber führen das Alter und auch gesundheitliche Gründe an, aber auch ein verändertes Kaufverhalten.
Gegründet wurde das Familienunternehmen am 1. April 1950 von Eugen Dürr, seiner Frau Maria und seiner Schwester Elisabeth Mittenzwey. Vater und Tante von Rudi Dürr übernahmen die Bäckerei Baumeister, die nach Tauberbischofsheim umgesiedelt war.
Halbes Dutzend Geschäfte in Großrinderfeld
Damals versorgten nicht nur mehrere Bäckereien, sondern auch ein halbes Dutzend Geschäfte die Großrinderfelder mit Gütern des täglichen Gebrauchs. Neben Brot und Brötchen gab es bei den Dürrs also auch Butter und Sahne, Obst und Gemüse, Hygieneartikel und Getränke. „Alles was man so braucht“, so Dürr. Der Laden befand sich noch in der Großrinderfelder Hauptstraße. Gelebt und gearbeitet wurde unter einem Dach: Im Erdgeschoss waren Backstube und Verkaufsraum, darüber die Wohnräume.
Sonntags habe er als Jugendlicher oft den Eis-Verkauf übernommen, muss Rudi Dürr schmunzeln. Denn die Familie hatte in den 1960er Jahren eine Eismaschine und stellte die leckere Köstlichkeit auch für Familienfeiern her.
Neubau entstand 1962
Das alte Gebäude wich im Jahr 1962 einem Neubau, erinnert sich Seniorchef Rudi Dürr noch ganz genau. Der Eingang war in Richtung Hauptstraße, die großen Fenster sorgten für viel Licht. Zwei Regalreihen standen dort, im Raum dahinter war die Backstube des Vaters. Die kannte er schon aus Kindertagen und so stand für ihn fest, dass er ebenfalls Bäcker wird. Nach seiner Lehrzeit in der Bad Mergentheimer Bäckerei Bauer kehrte er in den elterlichen Betrieb zurück. 1981, nach dem frühen Tod des Vaters, übernahm er die Leitung. „Die Meisterprüfung hatte ich schon 1973 gemacht, sodass dies kein Problem war.“
Verkaufsraum war bald zu klein
Mit der Zeit wurden die rund 50 Quadratmeter Verkaufsraum zu klein und die Familie Dürr schmiedete Pläne für eine Erweiterung. Die lagen bereits zur Genehmigung auf dem Amt, als es plötzlich im Ort hieß, dass die übrigen Bäcker und Lebensmittelläden schließen würden. Als ihm sein Nachbar die Scheune nebenan zum Kauf angeboten hatte, stand für Rudi Dürr der Entschluss fest. Er schlug zu und so konnte mit Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Christian von der Groeben ein Neubau in Angriff genommen werden. 1993 wurde in ein modernes Gebäude mit 300 Quadratmetern Verkaufsfläche und großen Lagermöglichkeiten umgezogen. „Die ehemalige Scheune wurde früher auch vom Schützenverein als Schießstand genutzt“, weiß der 75-Jährige noch.
Herzstück des Neubaus war die Bäckertheke, die Rudi Dürr täglich vielfältig bestückte. In der Backstube fühlte er sich wohl. Brot und Brötchen, Kuchen und Zöpfe, Plunderstückchen und Gebäck: Rudi Dürr hat alles gebacken, was die Kundschaft wollte. Der Familienbetrieb war bekannt für seine Backwaren und Torten - und das nicht nur im Ort, wenn die ersten Kunden bereits um 5 Uhr kamen und warmes Gebäck holten, sondern weit über die Grenzen hinaus. Selbst auf der Wertheimer Burg wurden Dürrs Produkte gerne verkauft. Rudi Dürrs Mutter Maria war bis vor wenigen Jahren noch aktiv im Geschäft tätig. Sie war morgens die Erste im Laden, räumte in den frühen Morgenstunden die Backwarentheke mit frischen Köstlichkeiten ein und war im Geschäftsalltag immer mit Leidenschaft bei der Sache.
Dürr war Bäcker mit Leib und Seele, stand sieben Tage die Woche in der Backstube und kam mit wenig Schlaf aus. Die Kundschaft war ihm wichtiger. Seit drei Jahren stehen die Utensilien und Öfen allerdings ungenutzt da, weil er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Seitdem lässt man sich beliefern. Alles ist noch komplett eingerichtet, selbst Zettel, wieviel Brot und Brötchen für ein Wochenende benötigt werden, hängen noch.
Rudi und Ulrike Dürr haben so manche Anekdote parat: „Früher musste man Strafen zahlen, wenn man vor 4 Uhr morgens in der Backstube begonnen hatte.“ Man habe es trotzdem getan und sei nicht immer von der Polizei erwischt worden. Und er erzählt von seinem Vater, der bei der Bäckerei Otter gegenüber in die Lehre ging. Bevor Eugen Dürr morgens in die Berufsschule nach Tauberbischofsheim gehen konnte, habe er die frischen Brote mit einer Kötze, einem Korb auf dem Rücken, in die Nachbargemeinden bringen müssen. Später, mit eigener Bäckerei, nahm er das Motorrad. Heute geht das einfacher: Mit dem Auto wurden und werden die kleinen Orte versorgt, die selbst keine Geschäfte mehr haben.
Das war jahrelang die Aufgabe von Ulrike Dürr, die sie mit ihrer Schwägerin Isolde mit großer Begeisterung und großem Engagement übernommen hat. Ob Werbachhausen, Wenkheim und Brunntal, ob Ilmspan, Paimar und Krensheim, ob Dittigheim und Distelhausen: Sie luden ihren Verkaufswagen voll mit Backwaren und Lebensmittel. Am Wochenende unterstützte auch Rudis Bruder Reinhold das Ausfahren. „Die Leute, die kein Auto zur Verfügung hatten, waren dankbar und sind es immer noch.“ Da wurde gekauft, was dabei war. „Und wenn wir etwas später kamen, war das für niemanden ein Problem. Man hat sich unterhalten, Hauptsache wir kamen überhaupt.“ Nach einem Autounfall vor einigen Jahren hat Tochter Diana den Part des mobilen Einzelhändlers übernommen.
Für ein Pläuschchen Zeit nehmen, gehörte auch im Laden beim Einkaufen zum guten Ton. „Da waren manchmal auch psychologische Fähigkeiten gefragt“, so Ulrike Dürr. Den beliebten Treffpunkt, gerade für die ältere Generation, wird es in wenigen Tagen nicht mehr geben.
„Schön war‘s“, blickt Familie Dürr auf die bewegte Zeit zurück. Juniorchefin Diana Dürr-Häfner wollte nicht allein weitermachen, auch mit Blick auf den geplanten Lebensmittelmarkt, der am Ortsausgang gebaut werden soll. Ihre Eltern werden die neugewonnene Zeit genießen. „Für uns wird es Zeit für Veränderung und meine Eltern haben sich den Ruhestand mehr als verdient! Ich bin stolz auf alles, was wir geleistet haben!“, betont Tochter Diana. „Wir danken unseren Kunden, die uns stets die Treue gehalten haben.“
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