Land und Leute - Für Bernd Marcel Gonners „Das Volk der Freien“ hat Michael Blümel zehn Illustrationen gestaltet

Treffsicher mit Feder und Tusche

Der Reinsbronner Autor Bernd Marcel Gonner hat mit dem Bad Mergentheimer Grafiker Michael Blümel einen kongenialen Illustrator gefunden.

Von 
Inge Braune
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Mit dem Künstler Michael Blümel (rechts) hat der Reinsbronner Autor Bernd Marcel Gonner einen kongenialen Illustrator gefunden. Weitere Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen. © Inge Braune

Reinsbronn/Bad Mergentheim. Sie leben eigentlich schon fast in der Nachbarschaft: Gerade mal ein Katzensprung liegt zwischen den Wohnorten von Bernd Marcel Gonner und Michael Blümel. Der eine hat sich im Creglinger Teilort Reinsbronn auf einem alten Anwesen niedergelassen, der andere stammt aus Bad Mergentheim. Die Begegnung zwischen Autor Gonner und Grafiker Blümel initiierte ein Ludwigsburger.

Joachim Schönauer, Bruder und Mitarbeiter des von Michael Schönauer 1995 gegründeten Killroy Media-Verlags, widmete sich Gonners Erzählungen „Volk der Freien,“ die sein Bruder gerade für die Publikation vorbereitete. Der Verleger wünschte Illustrationen zu den Texten. Er solle doch mal mit dem Mergentheimer Grafiker Blümel Kontakt aufnehmen, schlug Joachim Schönauer dem Autor vor. Autor und Grafiker verabredeten sich zum ersten Treffen – und fanden nach mehreren Stunden immer noch kein Ende des Gesprächsstoffs.

Extrem belesen

Kein Wunder: beide sind extrem belesen, bewandert in der bis in die Antike zurückreichenden Weltliteratur ebenso wie in den Werken zeitgenössischer Autoren, beide entwickelten in ihrer Kunst einen ureigenen, unverwechselbaren, sich jedem Mainstream entziehenden Stil, lassen sich nicht fesseln durch Konventionen. Beide befassen sich mit Räumen, Denk- und Fühlschichten, greifen ungeniert hie ins Repertoire antiker Mythen, da in Science Fiction oder aktuelles Straßen- oder Filmschnittgut. Und beide denken gern um Ecken, fügen in- und reißen auseinander, nutzen die ganz spitze Feder mit ebenso großer Virtuosität wie Blockpinsel und Versatzstücke aus dem allgemeinen Image- und Vorurteilskatalog. Zwei ganz verschiedene Metiers und zwei, die sich in ihrer Unkonventionalität, im die Gegenwart gegen den Strich kämmen die Hände reichen von Werk zu Werk, Idee zu Idee, Sujet zu Sujet.

Ein wenig Lebensweg von beiden? Bernd Marcel Gonner, Jahrgang 1966, hat vom Start weg Kulturmixtur geatmet: der Vater Luxemburger, die Mutter Böhmin, das Aufwachsumfeld Lauda. Und Lesen. Lesen, was das Zeug hält, elterlicher Bücherschrank, Buchläden und Bibliotheken hergaben. Es folgten nach dem Abitur in Bamberg das Studium von Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und Deutsch als Fremdsprache. Angebote, aufs Studium eine Promotion aufzusatteln, schlug Gonner aus und unterrichtete lieber freiberuflich Deutsch als Fremdsprache erst in Bamberg, dann drei Jahre in Prag. Im rumänischen Siebenbürgen war er einige Monate für eine deutschsprachige Zeitung tätig. Anschließend München, ein Jahrzehnt, fest angestellt. Und schließlich, um mehr Zeit fürs Schreiben zu haben, der Ankauf des kleinen Hofs am Reinsbronner Ortsrand.

Hier: Landschaftspflege zum eigenen Ergötzen, als Broterwerb – und Zeit zum Schreiben. „Wilde Saaten – Beiläufige Beobachtungen eines Landschaftspflegers aus seinem Gelände“, eine Frucht der Ansiedlung in dem kleinen Creglinger Teilort, wird voraussichtlich im nächsten Jahr im Killroy Media-Verlag erscheinen.

Noch druckfrisch

Schon im vergangenen Herbst vorgelegt hat Gonner ebenda „Oderberger. Ein Versepos“. Noch druckfrisch ist „Volk der Freien“ mit Illustrationen von Michael Blümel. Im Herbst ist der Roman „Rebellen“ zu erwarten, der mit „Oderberger“ und „Volk der Freien“ eine Trilogie bilden wird. „Eigentlich erscheinen die Bände im Krebsgang“, erläutert Gonner: Entstanden sind sie in umgekehrter Reihenfolge.

Michael Blümel, Jahrgang 1967, hat Wurzelwerk in Oberschlesien. Geburtsort ist Bad Mergentheim, wo die Eltern es kaum schafften, den Bedarf an Papier und Stiften zu decken, den ihr Jüngster an den Tag legte. Wie Gonner zeigte sich auch Blümel als Leseratte, wobei er allerdings mit Vorliebe zunächst die Biographien der Autoren zur Hand nahm, sich erst dann den Werken widmete.

Schulbücher verwandelte Blümel in Skizzenbücher. Manche Lehrkraft raufte die Haare ob der überzeichneten chemischen Formeln, physikalischen und mathematischen Berechnungen und Zeichnungen. Nach dem Abitur folgte ab 1989 an der Kunstschule Rödel Mannheim das Studium der Malerei, Grafik und Bildhauerei, parallel an der Universität Mannheim das der Kunstgeschichte und Philosophie. Ab 1991 schloss Blümel an der Freiburger Hochschule für Kunst und Design das Studium Grafikdesign, visuelle Kommunikation, Illustration und Buchgestaltung an. Fürs Diplom legte er der Kommission Unikatbücher vor. Blümel hatte die im Suhrkamp-Verlag erschienenen Gesamtwerke von Thomas Bernhard und Peter Handke auf den Seiten der Druckwerke illustriert. Seit 1996 ist der diplomierte Grafikdesigner, Illustrator und Buchgestalter als Künstler und Dozent freischaffend tätig – unter anderem für Verlage, Autoren, Museen, Stiftungen und Schulen, Vereine und Unternehmen. Blümels Oevre reicht vom Buchblatt bis zum Großformat, von der kleinen Bleistiftzeichnung bis zum Großformat in Acrylmischtechnik immense Vielfalt, die Galeristen und Sammler begeistert.

Intensiv gewidmet

Intensiv widmete sich Blümel Gonners Erzählungen, den vielfach durch Bindestrich-Konstuktionen gebrochenen klirrenden Sätzen, die sich einfacher Lektüre widersetzen, Eintauchen fordern. Gonners Protagonisten schweifen durch und zwischen Lebenswelten in und um Ost- und Westberlin, Weimar, den 70er Jahren und denen des deutsch-deutschen Umbruchs, begegnen Ernst Bloch, Nicolas Born, Gustav Regler, Anna Seghers, suchen Wege durch Utopien und Alltagsirrwuchs, Kultur und Erotik. Kaum einer hat je so zwingend und immer wieder den Kern umkreisend homoerotische Liebe samt Liebeslust, Liebesfrust beschrieben. Wie Blümel in seiner Malerei greift Gonner mit seinen Worten ins Volle: Im fast automatisch wirkenden Schreibfluss setzen Großbuchstaben, Sperrdruck, invertierte Textstellen Zäsuren, die der Autor mit Wortwieder- und -neuerfindungen würzt, dass man die Räume, die Straßen, die Personen zu riechen und spüren vermeint. Da wird etwa das „eisendurchfensterte Gebäude“ Zeuge „krawehlter“ Ausbrüche, führen niagarafallartige Gedankenströme vom schweißnassen Nacken zu Salzseen im Mormonenstaat Utah.

Teilweise karrikierend, teilweise tiefernst, immer treffsicher entlarvend gestaltete Blümel mit Feder und aquarellierender Tusche zehn Illustrationen zu den Erzählungen: Es lohnt, ganz genau hinzuschauen, politische und literarische Fußnoten zu entdecken, die die Entlarvungen Gonners zuspitzen, durch eine weitere Ebene ergänzen.

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