Creglingen war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Keimzelle des deutschen Modellbaus. Über die zwischen 1946 und 1953 dort ansässige Firma "Dr. Rudolf Spitaler" ist nun ein opulentes Buch erschienen.
Creglingen. "Das hohe Preisniveau der Kataloge und Modelle hat mich neugierig gemacht", sagt Herausgeber und Autor Karl-Heinz Zahn. Er betreibt in Berlin eine Druckerei und ist leidenschaftlicher Modellsammler. Bei 200 bis 300 Euro liegen die Preise für einen der seltenen Spitaler-Kataloge. Für die handgefertigten Holzmodelle zahlen Sammler laut Zahn sogar weit mehr als 1000 Euro. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit Rudolf Spitaler und dessen einstiger Firma für Modellhäuser."Ursprünglich wollte ich nur den Katalog von 1951 nachdrucken", erklärt Zahn. Dann habe er jedoch festgestellt, dass manche Modelle, die er selbst besitzt, darin gar nicht verzeichnet sind. So kam ihm die Idee zu einem eigenen Buch.
Das opulente Werk "Dr. Rudolf Spitaler in Creglingen. Modellbau - Made in U.S.-Zone", hat Zahn zusammen mit dem Sammler und Autor Manfred Scheihing geschrieben. Es ist im Querformat auf beschichtetem Papier gedruckt und enthält neben einer Darstellung der Firmengeschichte eine reich bebilderte Dokumentation der zwischen 1946 und 1953 gebauten Modelle.
Diese sind, bedenkt man Entstehungszeit und Herstellungsprozess, sehr realistisch gestaltet. Sie bestehen aus natürlichen Materialien wie Holz, Pappe und Sägespänen und sind mit Dispersionsfarbe bemalt. Nur bei den späten Werken gibt es Fenster mit Klarsichtfolie. "Wenn sie trocken gelagert werden, sind die Modelle praktisch unverwüstlich", sagt Zahn. Weil sie in Handarbeit hergestellt sind, gleicht kein Modell exakt dem anderen.
Die Bautypen zeigen eine große Vielfalt. Vom Bauernhof bis zur Villa, vom modernen Flachdachbau bis zum mittelalterlichen Stadttor ist alles dabei. Als Vorbilder dienten unter anderem fränkische Fachwerkhäuser und alpenländische Berghütten.
Manche Bauten sind beleuchtbar, die Kirchen haben teils ein funktionierendes Läutwerk. Mit Rathäusern, Schulen und Geschäften war vieles vorhanden, was für eine funktionierende Stadt notwendig ist. Natürlich fehlten auch Bahnhöfe nicht im Sortiment.
Nach Zahns Einschätzung war Spitaler möglicherweise der erste, der nach dem Krieg Stadthäuser für Modellbahnanlagen hergestellt hat. Natürlich habe es auch noch andere Modellbaufirmen gegeben, diese hätten sich jedoch zu der damaligen Zeit auf Landschaften oder Bahnhofsbauten konzentriert. "Creglingen war eine der Keimzellen des deutschen Nachkriegsmodellbaus", ist sich Zahn sicher.
Entscheidende Neuerung
Eine entscheidende Neuerung gegenüber den Vorkriegsmodellen war der Maßstab der Modelle. Schon bald nach Produktionsbeginn wechselte Spitaler von den Spur 0-Modellen im Maßstab eins zu 50 auf die kleinere H0-Größe im Maßstab eins zu 87. Diese setzte sich bald deutschlandweit durch.
Dass sich Spitaler einmal auf dem Gebiet des Modellbaus einen Namen machen würde, war zunächst nicht zu erwarten: Der 1894 in Prag geborene Sohn eines Astronomen war eigentlich Chemiker.
Vor dem Zweiten Weltkrieg kam er viel in Deutschland und Europa herum. Eine Tochter wurde 1930 in Mainz geboren, in Mailand arbeitete Spitaler als "selbstständiger Generalvertreter". 1944 verschlug es ihn nach Steinach an der Ens. Mit Kriegsende verlor er seine Stelle bei einer Waschmittelfabrik. 1946 beantragte er bei der Militärregierung in Rothenburg die Genehmigung einer Modellwerkstatt. Doch die Behörde ließ sich Zeit. Im württembergischen Creglingen arbeitete die Verwaltung schneller und so gründete Spitaler am 18. Oktober 1946 stattdessen hier, in der ehemaligen Brauerei "Lamm", die "Dr. Rudolf Spitaler Werkstätten für Modellbau und kunsthandwerkliche Spielsachen".
Er begann mit 17 Mitarbeitern, hauptsächlich sudetendeutsche Frauen. Der Betrieb wuchs und Ende 1951 zog Spitaler mit seiner Firma in Räume der Gaststätte "Grüner Baum" um.
Nun fertigte man auch komplette Modellbahnanlagen. Die Nachfrage war zwar groß, Nachschub und Vertrieb stellten Spitaler aber immer wieder vor Probleme.
Auch finanziell war es oft eng. Daran erinnert sich Jürgen Friedrich, der heute in Reicholzheim wohnt und dessen Vater anfangs für Spitaler gearbeitet hatte. Da dieser jedoch bald den Lohn schuldig blieb, eröffnete Georg Friedrich 1948 eine eigene Modellbauwerkstätte. Finanzprobleme waren, wie Karl Heinz Zahn annimmt, auch der Grund dafür, dass Spitaler seine Produktion 1953 nach Winkels bei Bad Kissingen verlegte.
Die Geschichte von Rudolf Spitalers Firma endete 1956. Wie alle Hersteller von Holzmodellen konnte er sich gegen die nun aufkommenden billigeren Plastikmodellbausätze nicht behaupten. Spitaler starb 1960.
Heute machen die geringe Stückzahl und die Holzbauweise Spitalers Modelle bei Sammlern begehrt. Christian Dräxler vom Verlag Conrad antiquario berichtet: "Sogar aus den Vereinigten Staaten haben uns Anfragen erreicht".
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/creglingen_artikel,-creglingen-sammler-zahlen-heute-hoechstpreise-_arid,1104747.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/creglingen.html