Fernsehproduktion

Wie eine ehemalige Buchenerin in Kenia Jobs in der Filmindustrie schaffte

Waltraud Ehrhardt drehte mit ihrem Mann die erste kenianische TV-Serie. Sechs Folgen sind in der Mediathek des Senders „Arte“ zu sehen

Von 
Martin Bernhard
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Kyalo kämpft in der kenianischen Serie „Country Queen“ für den Erhalt seines Dorfes. © Ehrhardt

Buchen. Die aus Buchen stammende Waltraud Ehrhardt-Obrist hat gemeinsam mit ihrem Mann Peter Obrist die erste TV-Serienproduktion von Kenia initiiert. Alle Folgen von „Country Queen“ kann man in der Mediathek des Senders „Arte“ abrufen.

Wer mit Waltraud Ehrhardt-Obrist in Kontakt treten will, erreicht sie in der Regel an ihrem Wohnort in Berlin, in der Schweiz oder in Kenia. Die 68-jährige Tochter des ehemaligen „Prinz-Carl“-Wirts Werner Ehrhardt ist mit ihrem aus der Schweiz stammenden Mann seit Jahren in der Fernseh- und Filmbranche erfolgreich. Die beiden produzierten unter anderem Dokumentarfilme für die ARD-Sendung „Länder – Menschen – Abenteuer“ in Asien und im Südpazifik. Sie schrieben Drehbücher für „Marienhof“, „Die Fallers“, „Tatort“ und „Soko München“ sowie für zwölf Fernsehspiele in Deutschland und der Schweiz. 2015 gründeten sie mit einem Partner aus Köln die Produktionsfirma „Good Karma Fiction“. Ein Jahr später begann ihr Abenteuer in Kenia.

Denn ihr Geschäftspartner hatte beruflich in dem ostafrikanischen Land zu tun. Sie besuchten ihn dort und kamen mit Einheimischen aus der Kreativbranche ins Gespräch. „Bei den jungen kenianische Kollegen trat eine riesige Frustration zutage“, erzählt Waltraud Ehrhardt-Obrist. „Sie verfügten über keine oder nur sporadische Arbeitsmöglichkeiten und wurden meist prekär bezahlt.“ Außerdem seien die Fernsehprogramme in Kenia von schlechter Qualität.

Nachhaltige Arbeitsplätze

Zurück in Berlin, nahm das Ehepaar an einer Veranstaltung der GLS-Bank teil. Dort berichtete ihnen ein Kenianer, dass die Kleinbauern in seinem Heimatland zwar 80 Prozent der Nahrungsmittel produzierten, aber in Gesellschaft und Medien nur am Rande thematisiert würden – und wenn, würden sie oft comedyhaft dargestellt.

„Wir haben beschlossen, dass man beide Situationen verbessern sollte: die Landbevölkerung aus ihrer Randständigkeit herausholen und unseren jungen Kollegen nachhaltige Arbeitsplätze schaffen“, sagte Ehrhardt-Obrist.

Noch am selben Abend schilderten die beiden Filmproduzenten ihre Idee einer Vertreterin der GLS-Bank. Diese organisierte umgehend bei einer Stiftung die Startsumme. Außerdem unterstützte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die Akademie der Deutschen Welle das Projekt finanziell. Somit konnten Waltraud Ehrhardt-Obrist und ihr Mann mit den Arbeiten für einen 55-minütigen Pilotfilm beginnen.

Da „Good Karma Fiction“ als deutsche Firma den Pilotfilm in Kenia selbst nicht drehen durfte, beauftragte das Ehepaar eine ortsansässige Produktionsfirma. Dann wählten die beiden aus 50 Bewerbern zehn geeignete Kollegen aus, um mit diesen bei einem zehnwöchigen Kreativworkshop die Handlung des Pilotfilms und der Serie zu entwickeln. Anschließend schrieb man gemeinsam das Drehbuch und organisierte ein Casting mit mehr als 150 einheimischen Schauspielern. Diese nahmen anschließend an einem zehntägigen Kamera-Workshop teil. Es folgten weitere Seminare in den Bereichen „Musik im Film“ und „Marketing“.

„So viel Coaching ist bisher einmalig in Kenia“, sagt Ehrhardt-Obrist. „Entscheidend für uns war, dass wir keine europäische Geschichte nach Kenia bringen, sondern nur das Know-how, wie man bei einer Serie mit der Handlung umgehen muss.“ Dieses Narrativ sollte authentisch kenianisch und gleichzeitig auch für ein internationales Publikum interessant sein.

Erst jetzt begannen die Dreharbeiten für den Pilotfilm, der zugleich die erste Folge der zehnteiligen ersten Staffel bildet. Mit diesem begaben sich Waltraud Ehrhardt-Obrist und Peter Obrist Ende 2019 auf die Suche nach Investoren für die erste Staffel, unter anderem auf der Berlinale und in Südafrika. Ein gutes Jahr dauerte es, bis die beiden Deutschen das Finanzierung für die sechs Folgen der ersten Staffel von „Country Queen“ zusammenhatten. So gelang es ihnen, Arte und den Streamingdienst Netflix zu gewinnen. Wegen der Coronakrise verzögerten sich die Dreharbeiten allerdings. Inzwischen wird die Serie bei Netflix in über 190 Ländern gezeigt.

Die aus Buchen stammende Waltraud Ehrhardt-Obrist mit ihrem Mann Peter Obrist bei Dreharbeiten in Kenia. © Ehrhardt

Wie Waltraud Ehrhardt-Obrist erläuterte, sei Kenia ein Land der Gegensätze: Stadt und Land, Arm und Reich, Tradition und Moderne prallten dort aufeinander. „Country Queen“ biete spannende Einblicke in beide Welten und erzähle eine emotional packende David gegen Goliath-Geschichte. Diese besteche durch ihre Authentizität.

Hauptperson der Serie ist Akisa, eine junge, ehrgeizige Event-Planerin aus Nairobi. Diese kehrt nach zehn Jahren zurück in ihr Heimatdorf im kenianischen Hinterland. Kurz nach ihrer Rückkehr stirbt ihr Vater. Ihre Jugendliebe protestiert gegen einen aggressiv expandierenden Goldminenkonzern, der die Existenz des gesamten Ortes bedroht. Akisa beschließt, für ihre Heimat zu kämpfen, auch wenn sie dabei immer wieder von dunklen Schatten der Vergangenheit heimgesucht wird.

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