Haushalt 2026 eingebracht

Neckar-Odenwald-Kreis: Hoffen auf ein Wunder oder „Schicht im Schacht“

Landrat Dr. Achim Brötel zeichnet während der Kreistagssitzung in Neckargerach ein düsteres Bild: Kreis-Kasse 2026 leer, Rücklagen aufgebraucht und höchst defizitäre Kliniken.

Von 
Maren Greß und Michael Fürst
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Die dunklen Wolken haben sich nicht verzogen: Das weiter sehr hohe Defizit der Neckar-Odenwald-Kliniken belastet auch 2026 den Haushalt des Neckar-Odenwald-Kreises. © Michael Fürst

Neckar-Odenwald-Kreis. Um den Haushalt des Neckar-Odenwald-Kreises für 2026 zu beschreiben, wurde Landrat Dr. Achim Brötel am Mittwochnachmittag bei der Kreistagssitzung in Neckargerach zum Geschichtenerzähler. Naja, nicht ganz – schließlich sind die vorgelegten Zahlen harte Realität, und für 2026 sogar eine sehr harte. Aber er bemühte in seiner Rede immer wieder Zitate des Dichters und Zeichners Wilhelm Busch – vor allem aus der Bildergeschichte „Max und Moritz“. Und nicht nur das. Dr. Brötel überschrieb seine Haushaltsrede mit dem allseits bekannten Zitat „Aber wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!!“, und machte damit deutlich, wie klamm die Kreis-Kasse 2026 werden wird. Schließlich wird es so sein, dass Ende des nächsten Jahres die letzten Rücklagen von aktuell noch fünf Millionen Euro aufgebraucht und ausgegeben sein werden – um den neuen Haushalt zumindest noch einigermaßen auszugleichen.

„Dass es nicht einfach so weitergehen kann, sehen wir an unserem Haushaltsentwurf für das Jahr 2026 auf eine sehr drastische Weise. Ich muss es deshalb auch in dieser Deutlichkeit sagen: Insbesondere die hohen Kosten bei der Eingliederungshilfe und bei der Jugendhilfe, genauso aber der exorbitant gestiegene Verlustausgleich für die Neckar-Odenwald-Kliniken sind in dieser Dimension für uns einfach nicht mehr zu stemmen“, sagte Brötel und fügte an: „Selbst die komplette Leerung unseres Sparstrumpfs reicht jedoch bei weitem noch nicht aus, um überhaupt einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen.“

Um Brötels düstere Prognose besser zu verstehen, hier nun die wichtigsten Posten im neuen Haushalt in der Übersicht:

  • Gesamthaushalt: Der Entwurf des Ergebnishaushalts 2026 sieht Erträge in einer Höhe von 243.722.084 Euro vor. Gleichzeitig erwartet Kreiskämmerer Michael Schork aber Aufwendungen in einer Höhe von 248.830.732 Euro. „Somit weist unser Ergebnishaushalt jetzt schon im fünften Jahr in Folge ein Defizit aus. Insgesamt fehlen uns 5.108.648 Euro“, sagte Brötel dazu. Dieser Betrag soll durch die Entnahme der Rücklagen ausgeglichen werden. „Zum Jahresende 2026 ist dort dann aber, falls kein Wunder geschieht, definitiv Schicht im Schacht. Dann ist die Ergebnisrücklage nämlich vollständig aufgezehrt“, erläuterte der Landrat.
  • Kreisumlage: Die angespannte Finanzsituation im Kreis bekommen auch die 27 Kommunen zu spüren. Der Hebesatz für die Kreisumlage muss von 32 auf 35 Prozent erhöht werden. Der Landrat erklärte dem Gremium in Neckargerach: „Um einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können, wäre rein rechnerisch ein Kreisumlagehebesatz von 37 Prozentpunkten notwendig gewesen. Dadurch dass wir Ihnen heute aber vorschlagen, jetzt auch noch den letzten Rest der Ergebnisrücklage zu vervespern, sieht unser Entwurf ,nur‘ eine Anhebung auf 35 Prozentpunkte vor. Und: Wir hoffen ja, diese Zahl im Lauf unserer Beratungen noch weiter reduzieren zu können, sobald sich das Finanzpaket des Landes belastbar verifizieren lässt.“ Damit ist folgendes gemeint: Die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände haben sich am Freitag, 10. Oktober, über die Eckpunkte eines Pakets zur finanziellen Stützung der Kommunen verständigt. Demnach wird unter anderem die Finanzausgleichsmasse A für die Jahre 2025 und 2026 einmalig um den Betrag von 550 Millionen Euro erhöht. Außerdem erhält der Kreis für die Bereiche von Mehraufwendungen im Zuge des Bundesteilhabegesetzes und schulische Inklusion Nachzahlungen in einer Größenordnung von zusammen 175,45 Millionen Euro zuzüglich einmalig 47 Millionen Euro für die Schulbegleitungen an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Darüber hinaus übernimmt das Land künftig 68 Prozent der Betriebskosten für die Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Was das konkret für den „NOK“ bedeutet, muss sich erst noch zeigen. Achim Brötel sagte dazu: „Falls der Landtagsbeschluss zeitlich erst nach der geplanten Verabschiedung unseres Kreishaushalts am 10. Dezember 2025 erfolgen sollte, müssten wir, wenn alle Stricke reißen, gegebenenfalls vielleicht auch einen Nachtragshaushalt machen und dann eben dort den Hebesatz wieder absenken.“
  • Soziales und Jugend: Hier kommen auf den Kreis Aufwendungen von 142,89 Millionen Euro zu. Damit bleibt dieser Teil des Haushalts der größte (gut 57 Prozent).
  • Neckar-Odenwald-Kliniken: Dass die Krankenhäuser im Land immer wieder massive Verluste einfahren, liege laut Brötel nicht an den Verantwortlichen oder Bediensteten, sondern „ausschließlich und allein“ an den derzeitigen Rahmenbedingungen. Mehr als 67,5 Millionen Euro Defizit habe der Landkreis in den vergangenen zehn Jahren ausgleichen müssen, um den Weiterbetrieb der Kliniken überhaupt noch zu gewährleisten. „Weder das Land noch der Bund fühlen sich plötzlich wieder verantwortlich, und wir sind auf einmal verdammt allein“, sagte Brötel. Er fügte an: „Am Ende sind wir in diesem Trauerspiel immer die Gelackmeierten.“ Allein in den ersten acht Monaten des Jahres liege der Verlust bei mehr als acht Millionen Euro. „Das ist einfach eine Dimension, die jeglichen Rahmen sprengt“, betonte der Landrat. Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Nachdem in Auftrag gegebenen Strukturgutachten sei nun erstmal das Land dran, sich zu positionieren. Anschließend sei aber der Kreistag und der Aufsichtsrat gefragt. „Sich um das Thema zu drücken, geht nämlich sicher nicht.“ Man dürfe es nicht mehr auf die lange Bank schieben, „weil wir eine derart große Kostenlast nämlich schlicht nicht mehr verkraften können.“ Ziel sei es, die finanziellen Folgen für den Kreis so schnell wie möglich signifikant zu reduzieren, dabei aber trotzdem verantwortungsbewusst die Qualität der medizinischen Versorgung für die Menschen im gesamten Kreisgebiet im Blick zu behalten. Für 2026 plant der Kreis mit einem Verlustausgleich in Höhe von 10,5 Millionen Euro. Das sogenannte „Haushaltsbegleitgesetz“ – die sogenannte Vier-Milliarden-Soforthilfe – bringe zwar kurzfristig etwas Entlastung, sei aber keine strukturelle Lösung des Problems.
  • Personal: Der Landkreis plant im kommenden Jahr mit Personalkosten in Höhe von 62,8 Millionen Euro. Das entspreche laut Brötel einer Steigerung um rund 2,2 Millionen Euro. Die Mehrkosten seien auf Tarif- und Besoldungserhöhungen zurückzuführen. Die Zahl der Landkreisbediensteten belaufe sich zur Jahresmitte auf exakt 900 Köpfe, bei 764,36 Stellen.
  • Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Schülerbeförderung: Wie Brötel informierte, spare der Landkreis jährlich mindestens 150.000 Euro, weil das ergänzende Busangebot im Erftal auf Eis gelegt wurde. Bis auf Weiteres wurde außerdem der Ausbau der Dynamischen Fahrgastinformationsanlagen (DFI) verschoben. „Hierfür waren ursprünglich einmal 550.000 Euro vorgesehen.“ Die Mitfahrzentrale werde bis zum Jahresende wegen zu geringer Resonanz aus der Bevölkerung eingestellt. Weiterhin gut angenommen werde die Regiobus-Linie Mosbach-Sinsheim, die zwischenzeitlich nahezu im halbstündigen Takt fährt.
  • Straßen: Für das Deckenprogramm 2026 sind Mittel in Höhe von einer Millionen Euro vorgesehen. Als nächste Straßenbaumaßnahme plane der Kreis den Ausbau der K 3900 zwischen Seckach und der Höhle Eberstadt. Damit soll Ende 2026 begonnen werden. Die Gesamtkosten liegen auch angesichts der vielen Ausgleichsmaßnahmen inzwischen voraussichtlich bei rund 3,6 Millionen Euro“, sagte Brötel.
  • Kreislaufwirtschaft: Der Landkreis profitiere noch immer von dem 2022 optimierten Kreislaufwirtschaftskonzept. „Wir können deshalb schon jetzt im vierten Jahr in Folge die Abfallgebühren für Privathaushalte stabil halten“, sagte Brötel. Ein echter Kostentreiber sei hingegen die CO₂-Bepreisung. Hierfür seien 2026 rund 600.000 Euro veranschlagt.

Trotz dieser belastenden Zahlen und der düsteren Aussichten bleibt Landrat Achim Brötel beherzt: „Mein persönlicher Kampfgeist ist jedenfalls noch lange nicht erlahmt.“

Eine weitere Berichterstattung zur Kreistagssitzung vom Mittwoch folgt.

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