Buchen. Beim jüngsten Stammtisch „Roter Rettich“, der politischen Diskussionsrunde des Buchener SPD-Ortsvereins, hat Dr. Valentin Hoß, Mitglied des Kreistages, einen überaus informativen Vortrag zum Thema „Sicherstellung der medizinischen Versorgung im Neckar–Odenwald-Kreis“ gehalten.
Nahezu täglich gebe es im medizinischen Bereich immer mehr negative Schlagzeilen wie zum Beispiel: Defizite im achtstelligen Bereich bei den Kliniken, Schließung des kinderärztlichen Bereitschaftsdienstes, lange Wartezeiten, um einen Termin zu bekommen. Dies gebe Anlass darüber nachzudenken, wie und in welche Richtung die jetzt existierenden Strukturen verändert werden müssten. Ziel solcher Strukturänderungen müsse sein, auch langfristig in unserem Landkreis eine gute medizinische Versorgung garantieren zu können.
Die Entwicklung der Bevölkerung im Neckar-Odenwalds-Kreis spiele bei den Überlegungen zur Umstrukturierung eine ganz wesentliche Rolle. Ebenso die Altersstruktur der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Zuverlässige Erhebungen zum demografischen Wandel besagen, dass die Bevölkerungszahl im Landkreis bis 2045 weitgehend konstant bleibt. Eine starke Zunahme sei dabei bei den Einwohnern ab 67 und speziell der Altersgruppe ab 80 und mehr Jahren zu verzeichnen. Dies habe zur Folge, dass hier mit einem wachsenden Versorgungsbedarf von älteren Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten zu rechnen sei, was ein höheres ambulantes, abgestimmtes Angebot an Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege erfordere.
Hier stelle sich die Frage, so Dr. Hoß, wie es um die aktuelle und zukünftige hausärztliche Versorgung im Landkreis stehe. Als erstes präsentierte er dazu Zahlen zur Altersstruktur der Hausärzte. Bereits heute sei ein deutlicher Rückgang an Allgemeinärzten zu verzeichnen. Ursache dafür sei in erster Linie die Überalterung der Hausärzte und der im ländlichen Raum eklatante Mangel an potenziellen Nachfolgern und Nachfolgerinnen.
Berückichtigen müsse man an dieser Stelle die signifikante Verschiebung von männlichen Studienabgängern hin zu weiblichen Studienabgängerinnen. Der Frauenanteil liege derzeit bei ungefähr 60 Prozent. Es überrasche daher nicht, dass ein Anteil von circa 30 Prozent der Ärzte und Ärztinnen in Teilzeitarbeit sind. Der Spagat zwischen Familie und Beruf ist in dieser Konstellation bedeutend einfacher zu bewältigen.
Was die Situation der Hausarztpraxen vor Ort anbelange, so stehe das Mittelzentrum Buchen im Vergleich zum Beispiel zu Mosbach im Augenblick noch gut da, was in erster Linie den in Ruhestand gegangenen Hausärzten zu verdanken sei, die sich frühzeitig um eine Nachfolgeregelung bemüht hätten. In fünf bis sechs Jahren werde sich dies jedoch auch hier spürbar ändern. Im Facharztbereich sei mittelfristig eine ähnliche Entwicklung zu beobachten.
Die Lösung für Dr. Hoß besteht daher, angesichts der deutlich veränderten „work-life balance“ jüngerer Ärzte und Ärztinnen, in der kommunal geförderten Schaffung zentraler medizinischer Versorgungszentren mit Satellitenpraxen in der Umgebung, um einerseits den Bedürfnissen der Ärzte und Ärztinnen, andererseits den medizinischen Notwendigkeiten einer immer älter werdenden Bevölkerung gerecht zu werden.
Abschließend äußerte sich Dr. Hoß zur Situation der Neckar-Odenwald Kliniken. Wie bei vielen anderen Kliniken dieser Größenordnung lägen die Defizite bis im achtstelligen Bereich und müssten zum Teil über die Kreisumlage finanziert werden. Bei fehlender, zusätzlicher finanzieller Unterstützung von Bund und Land müssten daher auch vor Ort alle Optionen einer medizinischen und wirtschaftlichen Optimierung der stationären Versorgung nochmals offen, sachlich und ehrlich diskutiert werden.
Ergebnisoffene Diskussion
Der Landkreis habe „eine Klinik an zwei Standorten“ mit dem Anspruch einer wohnortnahen Versorgung. Das Beispiel „Geburtshilfe“ zeige jedoch, dass dieser Anspruch nicht mit den realen Gegebenheiten übereinstimme. Junge Frauen, zum Beispiel aus Aglasterhausen, müssten im Bedarfsfall zur Entbindung nach Buchen fahren. Daher sei eine ergebnisoffene Diskussion bezüglich der zukünftigen strategischen Ausrichtung der Kliniken hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Patientennähe und Medizinischer Qualität zwingend erforderlich.
Dr. Eberhard Barth dankte dem Referenten und teilte mit, dass der nächste Stammtisch am 27. November stattfinden werde. eb
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