Johannes Neuer wird ab August 2023 neuer Leiter der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig. Aus seiner Zeit an der New York Public Library wird er viele Erfahrungen einbringen.
Buchen/Leipzig. Schon als kleiner Junge ging Johannes Neuer gerne in die Stadtbücherei in Buchen. Dort durchstöberte er die Regale und suchte sich die nächste Geschichte aus, die er lesen wollte. Auch zuhause war er von Büchern umgeben. Sein Vater besaß als Lehrer eine beachtliche Heimbibliothek. So war die Liebe zu Büchern bei Neuer bald geweckt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der gebürtige Buchener nun – viele Jahre später – der neue Leiter der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig wird.
Der Weg dorthin führte ihn von Buchen, über Mannheim bis nach New York, ehe er nach einigen Jahren in Reutlingen ab kommenden August in der Stadt in Sachsen seine neue Stelle antritt.
Guter Kontakt nach Buchen
Den Draht zur Odenwälder Heimat hat er aber nie verloren: „Meine Eltern kamen Ende der 60er Jahre nach Buchen und wohnen seither Am Großen Roth“, erklärt der Kommunikationswissenschaftler. Zwischenzeitlich erwarb er sogar das Nachbarhaus, wohin es ihn immer wieder zieht. „Ich reise aufgrund meiner Tätigkeit sehr viel und verbringe daher nicht viel Zeit in Buchen. Wenn ich aber mal da bin, genieße ich es sehr“, sagt er. Es ist seine Art „Urlaub vom Alltagsstress“ mit Fahrradfahren und Spaziergängen im Wald.
Nach dem Abitur am Burghardt-Gymnasium zog es Neuer hinaus in die Welt. Neben seiner Leidenschaft für Bücher war er sehr musikbegeistert, weshalb er an der Musikhochschule Mannheim Musik mit Nebenfach Englisch studierte. „Während des Studiums ist ein Aufenthalt im englischsprachigen Ausland vorgesehen“, erklärt er. So kam er an die „University of Connecticut“ nach Amerika. Dort machte er seinen Abschluss und startete 2000 seine Kariere als Programmierer.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland zog er schließlich mit seiner Frau nach New York, wo er wenige Monate später bei der New York Public Library (NYPL), eine von drei öffentlichen Bibliotheken der Stadt, in der Marketing-Abteilung anfing und sich langsam hocharbeitete.
Neun Jahre blieb er dort, zunächst als Director of Digital Engagement und ab 2015 als Director of Customer Experience. In dieser Rolle war er damit beauftragt, die Kundenzufriedenheit mit einem ganzheitlichen Ansatz zu steigern.
„In den USA sind Bibliotheken Teil der demokratischen Gesellschaft und stark angesehen. Sie sind viel mehr als nur Bücherzentren. Der Mensch und dessen Bedürfnisse stehen dort im Mittelpunkt“, erklärt er. Da es in den Vereinigten Staaten keine Volkshochschulen oder ähnliche Bildungsträger gebe, erfülle die Bibliothek dort eine solche Funktion. Sie dient als Lernraum und Bildungsträger.
Für Johannes Neuer ist eine Bibliothek daher ein sogenannter „Dritter Ort“, ein Ort der Gemeinschaft, der einen Ausgleich zu Familie und Beruf bieten soll (nach Ray Oldenburg). „Ich sehe Büchereien auch als Arbeitsort. In wissenschaftliche Bibliotheken können Besucher Medien entdecken und mit diesen neue Werke schaffen. In öffentlichen Bibliotheken lernen sie unter anderem neue Sprachen, und Schüler erledigen dort ihre Hausaufgaben. Im angrenzenden Lesecafé unterhalten sich die Besucher oder lesen ein Buch. So entsteht eine Balance zwischen Arbeit und Ruhe“, beschreibt er.
Seit 2019 ist Neuer Bibliothekarischer Direktor der ekz.bibliotheksservice mit Sitz in Reutlingen. In dieser Position verantwortet er die Bibliothekarischen Dienste, die Bibliotheksentwicklung und das Gesamthaus-Marketing des Bibliotheksausstatters. Auf die Stelle in Leipzig wurde er aufmerksam gemacht, woraufhin er eine Bewerbung abschickte und ein Auswahlverfahren durchlief, eher er den Posten übertragen bekam.
Die Deutsche Nationalbibliothek ist eine wissenschaftliche Bibliothek mit einer Sonderfunktion. „Sie hat einen gesetzlichen Sammelauftrag“, erklärt Neuer. So werden dort alle Publikationen in Schrift, Bild und Ton gesammelt, die seit 1913 in Deutschland, in deutscher Sprache, als Übersetzung aus der deutschen Sprache oder über Deutschland veröffentlicht wurden. „Insgesamt gehen rund 2,3 Millionen Werke pro Jahr ein“, schilder Neuer. Das macht 7,5 Regalkilometer pro Jahr.
Viele Pläne für die Zukunft
Diese von Menschen intellektuell zu erschließen, ist unmöglich. Dafür werde künftig auf Technologie gesetzt: „Was steht drin? Worüber wird gesprochen? Das sind die zentralen Fragen“, erklärt der künftige Leiter am Standort Leipzig. „Aber auch als Organisation muss sich eine Bibliothek weiterentwickeln. Da geht es um Zukunftsstrategie oder einen Erweiterungsbau.“ Auch die Zusammenarbeit mit der Universitäts- und Stadtbibliothek sowie anderen kulturellen Einrichtungen in Leipzig sei ihm zukünftig sehr wichtig.
Dass Leipzig ein buntes kulturelles Angebot hat, freut den Musikliebhaber sehr. So werde er zukünftig auch im Stadttheater oder dem Gewandhaus zu finden sein. „Dort spielt mein erster Kontrabasslehrer“, sagt er lachend.
Bis es im August so weit ist, stehen nun jedoch zuerst die Weihnachtsfeiertage vor der Tür. Und die wird der Buchener natürlich in seiner Odenwälder Heimat verbringen.
Die Deutsche Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) hat Standorte in Leipzig (ehemals Deutsche Bücherei, seit 2010 auch Deutsches Musikarchiv) und Frankfurt am Main (ehemals Deutsche Bibliothek).
Als „Gedächtnis der Nation“ ist sie die zentrale Archivbibliothek Deutschlands. Es werden alle Medienwerke in Schrift, Ton und Bild gesammelt, dokumentiert und archiviert, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden.
Die Werke werden der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellt.
Sie ist die größte Bibliothek der Bundesrepublik Deutschland und im deutschen Sprachraum sowie eine der größten Bibliotheken der Welt.
An beiden Standorten haben die Nutzer Zugang zum gesamten Bestand. Überall in der Welt können Interessierte im Katalog recherchieren, frei zugängliche Online-Publikationen im Volltext ansehen und sich von vielen Titeln die Inhaltsverzeichnisse anzeigen lassen.
Die Bibliothek ist Wissenschafts-, Bildungs- und Kultureinrichtung und bietet deshalb ein vielfältiges Programm mit Ausstellungen, Veranstaltungen, Führungen und Bildungsangeboten. nb
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