Götzingen/Reicholzheim. Den automatisierten „Tante-M-Läden“ in Götzingen und in Reicholzheim bei Wertheim drohen erhebliche Umsatzverluste. Denn nach einer Beschlussvorlage zur Änderung des Ladenöffnungsgesetzes dürften solche Geschäfte sonntags nur für maximal acht Stunden öffnen und sollten bei den Öffnungszeiten auch die Hauptgottesdienstzeiten berücksichtigen. Die Aufregung bei den Betreibern der beiden Dorfläden ist groß.
Kai-Christopher Rösch, Ortsvorsteher von Götzingen, hat eine achtseitige Stellungnahme zu der Gesetzesvorlage an das „Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus“ geschickt. „Dieser geplanten Regelung muss widersprochen werden, denn sie negiert erstens die Wirtschaftlichkeit dieser vollautomatisierten Verkaufsstellen und zweitens stößt die Neuregelung auf verfassungsrechtliche Bedenken“, stellt Rösch in seinem Schreiben fest. „Ohne die besonders hohen Umsätze an den Sonn- und Feiertagen kann der Dorfladen wirtschaftlich nicht betrieben werden.“ Zudem würden solche Läden gegenüber Verkaufsautomaten an Straßen benachteiligt.
„Das versteht kein Mensch“, sagt Jürgen Türschel, Vorsitzender der Genossenschaft „Dorfladen Rinschbachtal“, zu der geplanten Gesetzesänderung. „In Götzingen stört sich niemand an dem Laden.“ Der durchschnittliche Umsatz pro Person betrage sonntags rund acht Euro. Kunden würden zum Beispiel Wurst, Marmelade oder frisch gelieferte Sonntagsbrötchen kaufen, die ehrenamtliche Helfer in die Regalfächer einsortieren würden. „Es würde uns wehtun, wenn die Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen eingeschränkt würden.“ Denn an diesen Tagen sei der Umsatz doppelt bis zweieinhalbmal so hoch als an anderen Tagen. Da der Laden ganz ohne Personal funktioniere, kann Türschel nicht nachvollziehen, welches Schutzbedürfnis für Arbeitnehmer hier bestehe. Türschel hat deshalb eine eigene Stellungnahme zu der geplanten Gesetzesänderung an Landtagsabgeordneten und Minister Peter Hauk geschickt.
Melissa Mayer, die als Einzelunternehmerin seit April 2024 den „Tante-M“-Laden in Wertheim-Reicholzheim betreibt, sieht das ähnlich. „Mir drohen ordentliche Umsatzeinbußen“, stellt sie gegenüber dieser Zeitung fest. „Sonntags läuft das Hauptgeschäft.“ Auch sie erzielt an diesen Tagen den doppelten Umsatz im Vergleich zu Werktagen. Sie beschäftigt zwar drei Mitarbeiter, die Waren in die Regale des Ladens räumen. Doch diese seien hauptsächlich für die Postagentur tätig, die sie montags bis samstags an jeweils drei Stunden pro Tag betreibt. Wenn die Gesetzesänderung beschlossen würde, wäre ihr Laden in seiner Existenz gefährdet. „Ich werde mich dagegen wehren“, kündigt sie an.
Mario Klein, Geschäftsbereichsleiter für Verkehr, Handel und Stadtentwicklung bei der IHK Rhein-Neckar, kritisiert ebenfalls die geplante Änderung des Ladenöffnungsgesetzes: „Diese Regelung ist unnötig kompliziert, vor allem für den ländlichen Raum.“ Die Versorgungssituation im ländlichen Raum könne dadurch schlechter werden und den Wirtschaftsstandort unattraktiver machen.
Im Bezirk der IHK-Rhein-Neckar gebe es sieben automatische Geschäfte, die, wie die beiden Dorfläden in Götzingen und Reicholzheim, ohne Personal auskämen. Das Geschäftsmodell rechne sich in den meisten Fällen nur, wenn diese auch an Sonn- und Feiertagen öffnen dürften. Die derzeit unbegrenzten Öffnungszeiten trage zur Standortsicherheit dieser Läden bei. „Man schafft mehr Probleme, als man löst“, urteilt der IHK-Geschäftsbereichsleiter über den Gesetzesentwurf. Generell dürften derzeit automatische Verkaufsstellen unbegrenzt aufmachen, da in dem aktuellen Gesetz eine spezifische Regelung für solche Einrichtungen fehlt. „Eine Klarstellung kann helfen, sollte aber maximale Flexibilität ermöglichen“, stellt er fest. Eine bundeseinheitliche Regelung sei wünschenswert.
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