Buchen. Der Landesverband Baden-Württemberg des Wirtschaftsrats Deutschland hatte am Donnerstagabend in die Räumlichkeiten der Buchener Firma Hoffmann + Krippner eingeladen. Der Wirtschaftsrat der CDU – „Wirtschaftsrat Deutschland“ mit rund 12 000 Mitgliedern, davon 2600 in Baden-Württemberg – ist ein bundesweit organisierter unternehmerischer Berufsverband, der Unternehmern und Unternehmen die Plattform dazu bietet, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Deutschland mitzugestalten. Er vertritt die Interessen der unternehmerischen Wirtschaft gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit und setzt sich dabei unter dem Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft für einen starken, international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Deutschland ein. Die „HK Systems AG“ ist aus dem seit 50 Jahren in der Region ansässigen Unternehmen Hoffmann + Krippner hervorgegangen. Geschäftsführer Ralf Krippner: „Wir gestalten eine vernetze Welt, von der die Gesellschaft, ihre Menschen und Unternehmen profitieren.“
Dr. Andrea Wechsler (MdEP) referierte bei Hofmann + Krippner. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments. Ihr Thema: „Der European Green Deal – notwendiger Schritt gegen den Klimawandel oder ökonomische Katastrophe?“ Der „European Green Deal“ ist ein von der Europäischen Kommission verabschiedetes Konzept das vorsieht, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der Europäischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren. Damit will die EU als erster „Kontinent“ klimaneutral werden. Auf dem Weg dahin wurden durch die Europäische Union seit 2019 zahlreiche Gesetze und Regelungen beschlossen, die ebenso zahlreiche Bereiche des täglichen Lebens betreffen, von Landwirtschaft und Verkehrswesen bis hin zur Bewirtschaftung von Gebäuden.
Entsprechend lebhaft diskutiert werden die Regelungen aus Brüssel auch. Während einige Experten den Green Deal als maßgeblichen Meilenstein im Kampf gegen die menschengemachte Erderwärmung ansehen und darauf verweisen, dass uns zum Handeln gegen den Klimawandel nur noch wenig Zeit verbleibe, schlägt den Verantwortlichen in Brüssel aus Teilen der Wirtschaft andererseits harsche Kritik entgegen. Dabei befürchten Unternehmer beispielsweise weitere bürokratische Anforderungen sowie zunehmenden Verlust unternehmerischer Freiheiten. In Buchen wurde auf dieser Veranstaltung somit ein heißes Eisen angepackt.
Drei Säulen der Nachhaltigkeit
Krippner zeigte anhand direkter Bezüge zu seiner eigenen Holding, auf welche Weise Unternehmen in Baden-Württemberg durch die europäische Gesetzgebung beeinflusst werden. Er stellte das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft vor, wonach sie die Themenfelder Ökonomie, Ökologie und Soziales betrachtet. Wie Nachhaltigkeitsbewertungen im einzelnen anzuwenden sind, dazu gibt es diverse Rahmen und Richtlinien. Seit 2021 setze die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einen neuen Standard. Der mache Nachhaltigkeitsberichterstattungen seither einheitlicher, vergleichbarer und damit „benotbarer“. Praktische Anwendung findet das zum Beispiel bei der Kreditvergabe durch Banken. Die „Benotung“ der Nachhaltigkeitsaktivitäten eines Unternehmens hat direkten Einfluss darauf, ob und zu welchen Konditionen eine Bank Kredite vergibt. Inzwischen überprüfen Wirtschaftsprüfer in Unternehmen nicht mehr allein deren betriebswirtschaftliche Zahlenwerke, sondern auch deren gelebte Nachhaltigkeit. Zertifizierte Nachhaltigkeit sei mit aufwendigen Dokumentationspflichten verbunden, gestand Krippner ein, er bewerte den Gesamtprozess trotzdem als positiv. Das Unternehmen arbeite heute durch schonenderen Umgang mit Ressourcen nicht nur ökologisch nachhaltiger, sondern mithilfe von deutlichen Einsparungen auch ökonomisch nachhaltiger.
Wechsler griff die Ausführungen Krippners auf und berichtete aus ihrer politischen Arbeit mit dem Ziel, einerseits gesetzliche Regelungen für Unternehmen transparent zu machen, andererseits den durch Vorgaben entstehenden Aufwand aber zu reduzieren. Sie erläuterte, welche Ursachen zu den massiven Gesetzesfluten der letzten Jahre geführt haben. Mit der Mehrheit der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten, EVP) im Europäischen Parlament habe man nun begonnen, überbordenden Regulierungen wirksam entgegenzuwirken. Die Praxis der Unternehmen habe gezeigt, dass viele von ihnen die Fülle bürokratischer Vorgaben schlichtweg nicht leisten könne. Zu viele Vorschriften, zu viel Bürokratie, Personalmangel, Energiekosten, Absatzprobleme, internationaler Wettbewerb, drohende Zölle – all das setze Unternehmen in Europa und Deutschland stark unter Druck.
Von der Leyen und mit ihr zusammen die EVP hätten sich aber als Auftrag ihrer Wähler gesetzt, so Wechsler, Europa wieder handlungsfähiger zu machen, von Wirtschaftspolitik bis Verteidigungspolitik. Zur neuen Lage in den USA sagt Wechsler: „Da wird noch einiges kommen.“ Europa müsse im „Wettbewerb der Kräfte und Wirtschaften jetzt Gas geben“. Es gehe gerade ein Ruck durch Europa, das EU-Parlament und die EVP: „Es ist verstanden worden, dass wir nicht so wie in der letzten Legislatur weitermachen können. Wir Abgeordnete haben damit begonnen Verantwortung dafür zu übernehmen, dass wir in den nächsten fünf Jahren unserer Mandate die Schwerpunkte in Europa nun richtig setzen“, berichtete Wechsler. Für die begonnen Umorientierung der EU-Parlamentarier nannte sie Beispiele aus Energiewirtschaft, Wirtschaft und Verordnungswesen. Sehr ernst nahm sie auch, dass „die Lebenshaltungskosten-Krise dazu führt, dass viele Menschen rechter wählen. Weil sie Angst vor dem sozialen Abstieg haben“.
Dr. Wechsler weiter: „Im Kern halten wir demokratische Parteien in Brüssel gut zusammen. Weil wir spätestens nach der Wahl in den USA wissen, dass wir in Europa endlich erwachsen werden müssen. Weil wir Verantwortung für Millionen Arbeitsplätze in Europa haben. Und für die Menschen in den Ländern Europas. Jeder ernsthaft engagierte Abgeordnete weiß um das Damoklesschwert der globalen Wettbewerbsfähigkeit, das über uns allen hängt.“
Auch den Herausforderungen des Klimawandels werde sich das EU-Parlament stellen, kündigte sie an, mit allerdings „klarem Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas“. Energiewirtschaft etwa gelte es, „viel breiter als bisher zu denken“. Es gäbe „so viel mehr regenerative Energien als nur Wasser, Wind und Sonne“. Die Kernkraft spiele im Energie-Gesamtmix Europas nach wie vor eine Rolle. „Es wird keine Renaissance der Atomkraftwerke geben. Die Atomenergie wird aber ein wesentliches Rückgrat des Gesamtkonzepts sein.“ ekö
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