Hettinger Schmiedemeister

Ein Windkraftmotor trieb die Maschinen der Windenfabrik Konrad Meyer

Konrad Meyer nutzte die Kraft des Windes schon ab 1907

Von 
Karl Mackert
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Briefkopf von Konrad Meyer. © Karl Mackert

Hettingen. Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch die Windkraft als eine kostenlose Kraftquelle in vielfältigster Art. In neuerer Zeit liefern ganze Windparkanlagen umweltfreundlichen Strom, denn nach dem Ausstieg und Abschalten der meisten Atomkraftwerke musste eine alternative Energiegewinnung die Lücke schließen. Nicht nur die vollmotorisierte Wirtschaft, sondern auch viele Haushalte – mit E-Geräten ausgestattet bis unters Dach – haben regelrecht Hunger nach Energie, sprich Strom.

Als es noch keine Stromversorgung auf dem Land gab, Hettingen wurde erst 1911 an das Stromnetz des Badenwerks angeschlossen, musste man sich die Wasserkraft wo möglich, insbesondere auch die Windkraft nutzbar machen.

So war es nicht verwunderlich, dass sich der weitsichtige Hettinger „Meyerschmied“ die Windkraft für seine Windenfabrik zum Antrieb seiner Maschinen nützlich machte.

Johann Konrad Meyer geboren am 26. Mai 1873 in Weißenstadt/Oberfranken, gestorben am 16. Oktober 1953 in Hettingen, kam 1903 als Schmiedewandergeselle – wie es damals üblich – war nach Hettingen. Dort fasste er Fuß, kaufte die Schmiede von Damian Schmitt, verliebte sich in Anna Magdalena Bechtold, die Tochter des Fedschers und Wundarzneidieners Johann Bechtold, konvertierte zum katholischen Glauben und heiratete sie am 19. April 1904. Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor, wovon vier bereits im Säuglingsalter verstarben.

Konrad Meyer war alsbald als ein Könner des Schmiedehandwerks nicht nur in Hettingen, sondern auch im näheren Umkreis bekannt. Viele ältere Hettinger erinnern sich heute noch an den legendären „Meyerschmied“ als einen zuverlässigen, aber auch sehr konsequenten Handwerker mit seinen bestimmten Eigenarten.

Viele Landwirte ließen ihre Gespanne beim Hufschmiedemeister Konrad Meyer beschlagen, weil er auf diesem Gebiet eben ein Fachmann war. Die schweren Holzwägen aus Eiche, vom örtlichen Wagner gefertigt, erfuhren durch seinen Beschlag mit handgeschmiedetem Eisen die Stabilität und Festigkeit, die sie brauchten. Er stellte alles aus Eisen her, was in der Landwirtschaft gebraucht wurde. Die Heddemer Maurer ließen ihre Werkzeuge von ihm fertigen.

Ein besonderes Gütezeichen seiner Schmiede war das Schärfen und dann das Härten der Meißel, die zur Bearbeitung der harten Kalksteine eine hohe Standfestigkeit brauchten.

Konrad Meyer weitete seine Produktion dann auf die Herstellung von Winden aus. Da er eine Drehbank und einen maschinell betriebenen Stahlhammer für diese Arbeiten brauchte, und diese angetrieben werden mussten, stellte er zwecks Aufstellung eines Windmotors auf seinem Grundstück im Februar 1907 einen Antrag an die Hettinger Ortsbaukommission, die das Vorhaben begrüßte und an das Bezirksamt Buchen weiter leiteten.

Vom Bezirksamt wurde ein Lageplan und die Anhörung der Nachbarn gefordert. Dies geschah am 2. März im Rathaus, wobei Zimmermeister Joseph Knapp den Plan vorlegte und die Nachbarn – der Engelwirt Wilhelm Kreuzer und Johann Josef Mackert – ihre ablehnende Haltung vorbrachten. Auch die großherzoglich Bezirksbauinspektion Wertheim befasste sich mit der Aufstellung des Windmotors, und gab mit Schreiben vom 7. April bekannt, dass man mit Windmotoren in der Gegend noch keine Erfahrung habe, und machte zur Auflage, dass keine Gefahr für die Allgemeinheit besteht und man deshalb auf die statische Berechnung der Lieferfirma bestehen muss.

Daraufhin lieferte die Sächsische Stahlwindmotoren-Fabrik v G.R. Herzog aus Dresden, bei der Konrad Meyer den Windmotor bestellt hatte, eine sehr detaillierte Beschreibung und Berechnung des Windmotors und dessen Leistung.

Auf einem großen Fundament, das tief im Erdreich verankert ist, steht der 16 Meter hohe Stahlturm auf einer Grundfläche von 3,50 Metern im Quadrat, der sich dann nach oben verjüngt. Auf ihm sitzt der fünf Meter große, horizontal drehende Windflügel mit Gegengewicht, der sich dreht und die Leistung durch die senkrechte Welle nach unten über eine quer liegende Welle in die Schmiede leitet, wo dann über die Transmission mit Lederriemen die Maschinen angetrieben wurden. Nun konnte der „Meyerschmied“ in größeren Zahlen Winden produzieren.

Der Autor dieser Zeilen hat schon im Kindesalter bei Erzählungen bei Familienfeiern erfahren, dass der Meyer einen Windmotor als Antrieb seiner Maschinen benutzte. In den Nachforschungen wurde der Autor im Generallandesarchiv Karlsruhe fündig, das den ganzen Briefwechsel um die Aufstellung des Windmotors bereitwillig zur Verfügung stellte.

Pünktlichkeit war die oberste Maxime von Konrad Meyer, denn Punkt 7 Uhr am Morgen erklang der Amboss, der um 9 Uhr jäh verstummte, weil dann Frühstück war; so auch am Mittag um 12 Uhr wie am Nachmittag um 4 Uhr.

Eine wahre Begebenheit hat Emil Mackert, (A.S.)Lehrling seit 1946 bei Konrad Meyer, bei einer gemütlichen Runde erzählt. Emil als jüngster in der Firma musste öfters bei einem Metzger in Hettingen Vesper für den Chef holen. Pünktlich um 9 Uhr schlug Konrad Meyer eine Ecke seiner Lederschürze ein, die auf der Brustinnenseite eine Tasche hatte.

Konrad Meyer ging wie immer in die nebenliegende Küche, um zu vespern, und kam wie von der Tarantel gestochen plötzlich in die Schmiede zurück und fragte den Lehrbub Emil: „Wo hoschden den gholdt?“ – und zeigte ihm die halb ausgepackte Scheibe weißer Schwartenmagen. Nachdem er ihm die Metzgerei genannt hatte, sagte er in Befehlsform „Komm mit“ und beide steuerten schweigsam auf die Metzgerei zu. Dort angekommen begrüßte sie die Metzgersfrau mit „Gude morche Meyer“. Konrad Meyer holte die Scheibe Schwartenmagen aus seiner Schürzenbrusttasche und zeigte sie der Frau und fragte: „Hoschd du des dem geben“, während er auf Emil zeigte.

Freudig und mit einem Lächeln antwortete sie mit einem kräftigen „Ja“. Dann kam wie aus der Pistole geschossen im unverfälschten oberfränkischen Dialekt von Konrad Meyer die Frage: „ Iss Meyer erschde oder zwädde Klasse? Friss’en selber“. Dann warf er das Stück Schwartenmagen hinter die Ladentheke. Dann ging es schweigend zur Schmiede zurück, wo alsbald der Amboss besonders laut dröhnte.

Mit Leib und Seele Oberfranke

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Konrad Meyer, seines Zeichens Hufschmiedemeister, war ein Oberfranke mit Leib und Seele, mit einer Zielstrebigkeit, immer gute und wertvolle Arbeit zu liefern. Dies verlangte er nicht nur von sich selbst, sondern ganz besonders von seinen Gesellen und Lehrlingen. Sei ganzes Wesen und der Umgang gegenüber seinen Mitmenschen war rau, aber herzlich.

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