Buchen. Bis hierhin und nicht weiter: An der badisch-bayerischen Grenze im Morretal scheint die Welt aufzuhören. Denn dort mündet die gut ausgebaute Kreisstraße in einen Wirtschaftsweg. Heute ist man auch auf badischer Seite froh darüber.
Buchen. Wie lange braucht man, um mit dem Auto von Buchen nach Schneeberg im Landkreis Miltenberg zu fahren? Das kommt drauf an, vor allem, weil zurzeit die Bundesstraße 47 nach Rippberg gesperrt ist. Sobald diese wieder freigegeben ist, würde die Antwort 17 Minuten lauten. Denn die meisten Navigationssysteme dürften den Autofahrern die Route über Walldürn und Rippberg vorschlagen. Diese Strecke ist 21,5 Kilometer lang.
Man könnte aber auch den Weg über Hainstadt und Hornbach wählen. Dieser ist um dreieinhalb Kilometer kürzer, dafür aber deutlich kurvenreicher. Man braucht dafür mit 18 Minuten eine Minute länger.
Fährt man über Hettigenbeuern und die Hornbacher Steige hoch nach Hornbach und weiter über Hambrunn nach Schneeberg, legt man 20 Kilometer zurück und braucht dafür 19 Minuten. Man kann sich in Hettigenbeuern auch für die Kreisstraße im Morretal entscheiden. Diese mündet vor Zittenfelden in einen Weg, der landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen vorbehaltenen ist. Über diesen gelangt man direkt – ohne kurvenreiche Nebenstrecken – nach Zittenfelden. Von dort sind es etwa 4,5 Kilometer nach Schneeberg. Die gesamte Route von Buchen aus ist dann nur 16,5 Kilometer lang. Man braucht dafür aber wohl auch etwa 18 Minuten Fahrtzeit. Es gibt hier allerdings ein Problem: Erlaubt ist dieser Schleichweg für Fahrzeuglenker ohne Berechtigungsschein nicht.
Bußgeld von 55 oder 100 Euro
Deshalb kontrolliert auf diesem Weg immer wieder die bayerische Polizei. Auf Nachfrage der Fränkischen Nachrichten teilte Polizeioberkommissar Philipp Hümmer vom Polizeipräsidium Unterfranken mit, dass Beamte der Polizeiinspektion Miltenberg während ihrer Streifentätigkeit regelmäßig die „Örtlichkeit“ überprüften. Für Fahrer von Pkw bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, die unberechtigt die Strecke passieren, werde ein Bußgeld in Höhe von 55 Euro fällig, für die Führer schwererer Fahrzeuge eines über 100 Euro. „Der Schleichweg ist ziemlich bekannt“, sagt Norbert Meixner, Ortsvorsteher von Hettigenbeuern. Anwohner berichten, dass mancher Taxifahrer vor allem während der Miltenberger Michaelismesse abends und nachts diese Abkürzung wählte.
Einwohnern, die häufig und regelmäßig nach Schneeberg, Amorbach oder Miltenberg fahren müssen, bestätigt Meixner dies schriftlich. Diese erhalten dann bei der Marktgemeinde Schneeberg eine Art Passierschein, mit dem ihnen erlaubt wird, den Wirtschaftsweg unbestraft befahren zu dürfen. In dem Berechtigungsschein werden der Name der Person und das Kennzeichen des verwendeten Kfz genannt. Er ist also nicht auf andere Personen und Fahrzeuge übertragbar.
Pläne zur verkehrsmäßigen Erschließung des Morretals reichen ins 19. Jahrhundert zurück. Wie Manfred Kilian im Heimatbuch von Hettigenbeuern geschrieben hat, habe schon im Dezember 1883 der Buchener Bezirksamtmann festgestellt, dass „das Königliche Bezirksamt Miltenberg alljährlich mit vielen Ausflüchten den Ausbau auf bayerischem Staatsgebiet hinauszögert.“ Doch auch auf badischer Seite geriet das Projekt ins Stocken. Denn die Landesstände stuften dessen Notwendigkeit in die zweite Klasse herab. Daraufhin stellte das Bezirksamt Miltenberg seine offensichtlich begonnenen Projektierungsarbeiten für die Straße auf bayerischem Gebiet wieder ein.
1949 wurde das Thema wieder aktuell. Die Stadt Frankfurt hatte sich verpflichtet, 14-tägig 50 Personen in einer Fremdenpension in Hettigenbeuern unterzubringen. Sogar Stadtratssitzungen hatte der Oberbürgermeister von Frankfurt dort abgehalten. Die Gäste wurden mit stadteigenen Omnibussen ins Morretal gebracht. „Es ist zu bemängeln, dass diese Omnibusse von Amorbach aus einen 50 Kilometer weiten Umweg über Walldürn und Buchen machen müssen“, wurde bei einer Ortsbereisung am 14. Dezember 1949 festgestellt. 1950 sagte das Landratsamt Miltenberg zu, für den Ausbau der Straße Sorge zu tragen, sollte die badische Seite ernsthaft daran interessiert sein, diese bis zur Landesgrenze auszubauen. Doch geschehen ist nichts – bis zu den 1970-er Jahren.
Wie sich Josef Frank, Alt-Bürgermeister von Buchen, erinnert, fand damals ein Dreiländertreffen der Feuerwehren aus den Landkreisen Buchen, Miltenberg und Erbach statt. „Wann baut ihr endlich den Feldweg aus?“, soll der Buchener Landrat Hugo Geisert seinen Kollegen aus Miltenberg gefragt haben. „Fangt ihr erstmal an“, habe dieser geantwortet. Der Landkreis Buchen setzte die Baumaßnahme daraufhin um, nicht zuletzt deshalb, weil er dafür eine Förderung von 90 Prozent erhalten hat.
Schneeberg gegen den Ausbau
Inzwischen war in Miltenberg ein neuer Landrat ins Amt gewählt worden. „Was gehen mich die Worte meines Vorgängers an?“, soll dieser festgestellt haben. Er hatte dem Willen der Schneeberger nachgegeben, die sich gegen den Ausbau ausgesprochen hatten. So endet die Kreisstraße an der Landesgrenze, und das wird sich vermutlich auch nicht ändern. „Heute können wir froh sein über den jetzigen Zustand“, sagte Frank. „Sonst hätten wir den Lkw-Verkehr im Morretal.“
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